sieh, es ist vater

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D

Denschie

Gast
dieses gedicht ist kurz und schmerzhaft.
in wenigen worten erzeugst du sehr viel stimmung.
das gefällt mir.
gruß,
denschie
 

noel

Mitglied
dieser text ist leicht falsch zu verstehen, und wenn ich ihn so lese, finde ich ihn...

deshalb enthalte ich mich bei der bewertung
 
D

Denschie

Gast
was meinst du damit, noel?
nur weil samuel darüber schreibt, heißt das
doch nicht, dass er es tut oder gutheißt?
gruß,
denschie
 

Dorothea

Mitglied
Hallo samuel,

mir geht es so wie noel. Den Text habe ich mehrmals gelesen. Er beschreibt wohl eines Missbrauchssituation durch den eigenen Vater. Selbstverständlich unterstelle ich einem Autor nicht, dass er billigt, womit er sich beschreibend auseinandersetzt.
Allerdings irritiert mich hier das mehrmalige [red]"sanft"[/red], und ich finde auch, dass der Text irritierende Assoziationen auslöst, so wie er da steht.
LG.
 
S

samuel

Gast
irritierend

hallo, dorothea, noel!
dass der text "irritierende assoziationen" auslöst, entspricht ganz meiner intention; ich denke, dass eine vater-tochter-missbrauchssituation für die missbrauchte auch irritierend ist (evtl. auch für den missbraucher?).
gruß samuel
 
D

Denschie

Gast
so habe ich den text auch gelesen.
das mehrmalige "sanft" unterstreicht den
effekt: warum sollte so eine inzestsituation
nicht "sanft" sein (von einer neutralen perspektive aus)?
der akt an sich kann von weitem "sanft" aussehen.
natürlich ist das aus unserer sicht völliger blödsinn:
wenn ein vater seine tochter vögelt, ist das in unseren
augen alles andere als sanft. was es ist, das sagt der
text nicht. er lässt dem leser raum für eigene
emotionen. das finde ich gut.
gruß,
denschie
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo Samuel,

ich habe den Text gestern schon anvisiert, konnte aber noch nichts Rechtes damit anfangen. Inzwischen löst er sich für mich aber recht gut, wenn ich bedenke, dass ja nicht immer der Vater in solchen Fällen der Verführer ist.

Missbrauch bleibt Missbrauch in jedem Falle, denn der Vater müsste die Kraft haben, der reizvollen Tochter zu widerstehen, so sehen wir das , und so müsen wir das auch sehen, weil der Vater der Ältere und Erfahrenere ist.

Aber ich denke, Du willst mit Deinem Text die Situation beschreiben, wie die Tochter sich aufmacht, den Vater zu verführen.

Wenn ich den Text auf diese Art lese, dann wird er für mich schlüssig.
Ich habe einmal eine ähnliche Szene in dem Schubert-Film mit Udo Samel gesehen, in der es um Bruder und Schwester ging, und die Bilder waren von solcher Sanftheit und Schönheit, das hat mich zutiefst ergriffen. Das ist Jahre her, aber ich sehe sie immer noch vor meinem inneren Auge.

Ich sehe da eine Parallele zu Deinem knappen eher nüchternen Text, der seine Wirkung durch die schlichte Wortwahl erzielt.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

gareth

Mitglied
Was mich angeht, samuel,

mir reicht das nicht, wenn du sagst: ja genau, dass der text "irritierende assoziationen" auslöst, entspricht ganz meiner intention;

das hab ich schon zu oft gelesen und gehört.
Damit will ich nicht sagen, dass das nicht legitim ist. Ich will nur deutlich machen, dass es mir persönlich zu wenig ist.

Du beschreibst da eine Inzestsituation und das so, dass die Tochter zu ihrem Vater kommt:

sanft
kommst du
sein eigen
fleisch
zu ihm


hier muss man also nicht viel deuten. Das ist so geschrieben, dass sie es freiwillig tut. Dann aber muss man sie, die Tochter, auch nicht darauf hinweisen, dass es sich bei dem was da

sanft
zwischen deinen brüsten
den schenkeln


ist, um den Vater handelt. Das wird sie schon wissen. Wenn nicht, würde ich nicht verstehen, warum nicht. Insofern ist mir der Sinn der einleitenden, titelgebenden Zeile nicht verständlich, die da heißt

sieh, es ist vater

Mit den beiden vorletzten Wortzeilen aus dem zerlegten 'Fleisch und Blut'

du
und blut


wirst du wohl andeuten wollen, dass es sich um eine Entjungferung handelt.


gareth,
der es mit diesen Anmerkungen,
ohne Wertung, zusätzlich irritiert darüber, dass es nicht heißt: sieh´es ist "dein" Vater, was den Eindruck hervorruft, es spricht ein weiteres Familienmitglied,
gut sein lässt
 
D

Denschie

Gast
oh, ich hatte es nicht so aufgefasst,
als ob das mädchen freiwillig zum vater kommt.
ich dachte das sei eine formulierung, die den
akt umschreiben soll. jetzt erklären sich mir auch
die unterschiedlichen kommentare. mir war anfangs
tatsächlich nicht klar, was ihr meint.
die sanften formulierungen drücken für mich aus, dass
es in einer vater-tochter-missbrauchssituation mehr
gibt als den missbrauch. meinstens lieben die beiden
sich nämlich auch und das kann man schlecht ausklammern,
so pervers es ist, endet die liebe auch für die
missbrauchte nicht unbedingt mit dem akt.

ob nun "vater" oder "dein vater" heißt für mich
beides, dass eine andere person spricht.
wenn meine mutter über meinen vater spricht, sagt
sie auch "guck ma, da is papa" und nicht "da is dein
papa".

gruß,
denschie
 

MDSpinoza

Mitglied
Was eine Inzestsituation so verheerend macht, ist daß der stärkere "Partner" das grenzenlose Vertrauen, das ein Kind in Autoritätspersonen und "Freunde" hat, zu etwas benutzt, von dem er weiß, daß es Unrecht ist. Dem Kind ist das auch meist bewußt, daß das etwas ist, was nicht sein sollte, es fühlt sich nur in einem totalen Dilemma, zwischen Recht und Unrecht auf der einen Seite, und der Liebe bzw dem Glauben an die Autorität und das eigene Pflichtgefühl auf der andren Seite. Die eigentlichen Handlungen können ohne jegliche körperliche Gewalt ablaufen, die Machtausübung über den schwächeren Partner ist die eigentliche Gewalt, und die wirkt wesentlich verheerender auf das Opfer.
 

Jongleur

Mitglied
Einige Gedanken zu diesem Text:

Die Sprache ist sanft, streichelt den Leser, macht milde.
Und hat dennoch in dieser zahmen Sanftheit große Kraft.

Titel/Einleitung packt sofort! Für mich könnte es daran liegen, dass es die aufmerksamheitsheischende Formulierung der Bibel ist: s i e h e . Und dies nun im Zusammenspiel mit einem Tabu-Thema.

Ja, das ist es auch, was ich in diesem Gedicht empfinde, eine Art mystische, religiöse bis ... heilige Sanftmut. Auch "Glaubwürdigkeit" wie moralische Integrität scheinen über diese Parallele zu Bibelversen auf den Text überzustrahlen.

Gibt es das in einem Glauben, einer Sekte:
der inzestuöse Akt als Glaubensgegenstand, als Opfer oder Lob?

Es könnte sich um eine Szene aus der Bibel handeln, die Grundlage des Textes ist. ?? Lot und seine Töchter?

Betrachte ich den Text weg von biblischer Sprache und Deutung, offeriert er mir Inzest als eine mögliche Form von Sexualität und Kommunikation.
Ich lasse das wertungsfrei stehen.

Von Missbrauch, Verletzung, Verlust des grundlegenden Vertrauens wurde ja schon gesprochen.
Aus der Literatur weiß ich, dass es immer wieder mal einzelne Stimmen und Vertreter gibt, die die Sexualität zwischen Eltern und Kindern gutheißen.

Nicht entscheiden kann ich mich, wer hier wohl Du und wer Ich ist.
Es könnte die Stimme sein, die das Mädchen, die junge Frau hinführt zum Vater. Dem Vater das Mädchen zuführt. Assoziationen zur Trauungszeremonie kommen, jemand wird übergeben. Assoziationen zu Opferzeremonien, Jungfrauen werden jemandem zugeführt (ob der Minotaurus der Mythologie die Jungfrauen wirklich nur "gefressen" hat?)

Es könnte eine reflektierende Stimme des Lyrischen Ich sein, das sich selbst in Du-Anrede anspricht, vorbereitet.

Unschlüssig bin ich mir über die Deutung der letzten Zeilen.
Wäre da nicht das "du" der vorletzten Zeile, würde ich empfinden, dass die umgestellte und unterbrochene ("zu ihm") Wendung "sein eigen fleisch und blut" durch diese Mittel eine Verstärkung erfährt.

So aber könnte das "und blut" durch seine alleinstellung eine zusätzliche Bedeutung tragen. Defloration - oder Dolch, Rache.

Ich tendiere aber wegen des Gesamtcharakters von Gedicht und Sprache zur verstärkten Wendung "Fleisch und Blut".

Das Wichtigste: ich bin fasziniert von der Sprache.

Grüße vom Jongleur
 



 
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