so wird der nie was

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herziblatti

Mitglied
so wird der nie was

Er fährt am Schwimmbad vorbei, das etwas außerhalb des kleinen Städtchens liegt.
Guter Einstieg. Nun braucht es eine Figur.
Franz Xaver. Ein altmodisch klingender Name für einen knapp Dreißigjährigen, passt aber gut in die ländliche Gegend, die sich die Grenze zwischen Salzburg und Bad Reichenhall entlang zieht. EF IX nennen sie ihn in seinen Kreisen, kaum einer kennt seinen Nachnamen. Maier. Ein einfallsloser Nachname, zugegeben, aber mit einer hohen Identifikationsquote. He, ihr Maiers, herhören, der ist einer von euch! Jede Menge Maierköpfe wenden sich, schauen, hören her. Und. Ist auch nichts Ehrenrühriges dabei. He, ihr Truchtlhofers, schaut mal kurz! Da meldet sich keiner. Maximal schauen einer oder zwei betreten zu Boden, wollen nichts damit zu tun haben. Lauter Wegschauer oder keiner zuhause. Was kannst erwarten, bei dem Namen!
F.X. Maiers klobige Hände umklammern das Lenkrad, die Haut spannt sich dünn und durchsichtig über den Fingerknochen, die Fingernägel sind rund geschnitten, etwas Dreck unter dem kurzen Rand. Von der Gartenarbeit. Nein. F.X. hat keinen Garten. Er hat irgendwo drübergekratzt, über seinen Kopf oder so. Die dunklen Haare hängen ihm fettig und strähnig in die Stirn, die zwei roten Pickel im bleichen Gesicht auf halber Strecke vom Mundwinkel zum Ohr jucken.
Nervös schaltet er in der langgezogenen Kurve in den nächsten Gang, der Leihwagen ruckelt. So einem miesen Autofahrer sollte man kein Auto vermieten. Hat auch keiner, weil er keine Kreditkarten hat. Er fährt ein gestohlenes Auto. Da ist es auch schon wurscht, wie der mit der Karre umgeht. Gestohlen und kurzgeschlossen. Zuallererst muss er es knacken. Soweit ich weiß, geht das heutzutage nicht mehr so einfach, da gibt es diese Wegfahrsperren und solches Zeugs. Da muss ich meinen Mann fragen, abends, beim Essen. "Du, Schatz, wie macht man das denn, wenn man ein Auto klauen will?“
„Auto klauen? Wozu willst denn das wissen?“
Falsch gefragt.
„Sag schon, wie sind denn heutzutage die Autos gegen Diebstahl gesichert?“
„Wozu willst denn das wissen?“
Danke. Das hätte ich mir ja denken können. Er antwortet mit einer Frage. Das reißt ein bei uns in letzter Zeit. Wer fragt, der führt?!
Dann lass ich das mal lieber, sonst wird das eines jener Abendessen, bei dem sich das Gefühl einstellt, keine Nudeln sondern Fragezeichen in die Soße zu tauchen. Bis hin zur abschließenden Frage: „Was habe ich jetzt eigentlich gegessen?“ Nein. Das wäre eine falsche Anschuldigung. Für die nach einem Zwiebelrostbraten ‚Stroganoff‘ mit Nockerln gestellte Frage zeichnet mein Schwager verantwortlich. Er hatte sie vor sechzehn Jahren an einem Donnerstag um neunzehnuhrsiebenunddreißig nachweislich als Erster gestellt.
„Ein Lammragout, du Depp!“ Das sagte meine Schwester. Normalerweise antwortet sie auch mit Fragen, in diesem speziellen Fall machte sie eine Ausnahme.
Doch nun zurück.
F.X. bremst am Ortseingang, schaltet runter in den zweiten Gang, und das alles ohne Handschuhe, und hinterher weiß er nicht mehr, was er alles berührt hat. Und die Skimütze mit den Sehschlitzen liegt auch nicht parat.
Was der braucht, ist eine Einkaufsliste. Handschuhe, Skimütze. Haarshampoon und Nagelbürste könnte er bei der Gelegenheit auch gleich mit besorgen, na ja. Vor allem braucht er eine Knarre. Sonst schaut er blöd aus, wenn er in der Bank sagt: „Pfoten hoch, Überfall!“
Da komm ich auf seine Kreise zurück. Verbrecherkreise, Automaten-Joe, Frankie, die Schmalzlocke, undsoweiter, in einer Spelunke, grenznah, oder wo, oder wer? Der Christian, mein Neffe, könnte das wissen, der ist Polizist. „Wo krieg ich eine Pumpgun her?“ „Wozu willst denn…?“ Kann mal einer ohne Fragezeichen mit mir reden?
Apropos Spelunke, der grüne Kakadu – das klingt anrüchig, verraucht, verrucht.
F.X. bleibt am Eingang stehen, wartet, bis sich seine Augen an das Schummerlicht gewöhnt haben, schlendert lässig an den Tresen. „He, Charly, einen doppelten Bourbon und eine nicht registrierte Wumme“.
Worauf das Unvermeidliche passiert. „Der grüne Kakadu“ fällt aus, weil das gesamte Ensemble vor Lachen nicht mehr arbeitsfähig ist – keine Vorstellung heute Abend.
Ich steck's auf.
Der stellt sich wirklich zu dämlich an. Auf die Weise kommt der nie bis in die Bank, geschweige denn zu Geld.
Ich lass den lieber eine Steuerhinterziehung machen. Klar, dass er erwischt wird. Weil ich nicht weiß, wie man das machen könnte ohne erwischt zu werden. Und der schon dreimal nicht. F.X. Maier, verurteilt zu dreieinhalb Jahren ohne Bewährung, sitzt jetzt hinter Gittern. Da ist er aufgeräumt, der Dilettant.
Wenn er dann abgesessen hat und ganz bleich ist, kann er immer noch den Banküberfall begehen.
Ich darf nicht vergessen, meinen Mann zu warnen, diesem F.X. ja kein Auto zu vermieten, falls er sich bis dahin Kreditkarten besorgt hat. Im Knast lernt man ja angeblich viel dazu.
Knast, Karre, Knarre, knacken. Der Umgang mit diesem Kleinkriminellen färbt mir die Sprache ein. Ich sollte mich wirklich nicht mit ihm abgeben, wenn er mir wieder einmal übern Weg oder übers Blatt läuft, dieser F.X., im grünen Kakadu, oder so.
 

poetix

Mitglied
Hallo Herziblatti,
dein Text beschreibt, wenn ich das richtig verstanden habe, deinen Versuch, eine Gangstergeschichte zu schreiben. Das ist origineller, als die Geschichte selbst zu schreiben. Leider habe ich eine Weile gebraucht, um die Sache ganz mitzukriegen. Aber vielleicht habe ich auch nur eine lange Leitung. Insgesamt hat mir die Idee gut gefallen.
Viele Grüße
poetix
 

herziblatti

Mitglied
Hallo poetix, danke :) manche Figuren wollen einfach nicht entwickelt werden - sitzen vielleicht lieber im "grünen Kakadu" (A. Schnitzler) LG - herziblatti
 

herziblatti

Mitglied
so wird der nie was

Er fährt am Schwimmbad vorbei, das etwas außerhalb des kleinen Städtchens liegt.
Guter Einstieg. Nun braucht es eine Figur.
Franz Xaver. Ein altmodisch klingender Name für einen knapp Dreißigjährigen, passt aber gut in die ländliche Gegend, die sich die Grenze zwischen Salzburg und Bad Reichenhall entlang zieht. EF IX nennen sie ihn in seinen Kreisen, kaum einer kennt seinen Nachnamen. Maier. Ein einfallsloser Nachname, zugegeben, aber mit einer hohen Identifikationsquote. He, ihr Maiers, herhören, der ist einer von euch! Jede Menge Maierköpfe wenden sich, schauen, hören her. Und. Ist auch nichts Ehrenrühriges dabei. He, ihr Truchtlhofers, schaut mal kurz! Da meldet sich keiner. Maximal schauen einer oder zwei betreten zu Boden, wollen nichts damit zu tun haben. Lauter Wegschauer oder keiner zuhause. Was kannst erwarten, bei dem Namen!
F.X. Maiers klobige Hände umklammern das Lenkrad, die Haut spannt sich dünn und durchsichtig über den Fingerknochen, die Fingernägel sind rund geschnitten, etwas Dreck unter dem kurzen Rand. Von der Gartenarbeit. Nein. F.X. hat keinen Garten. Er hat irgendwo drübergekratzt, über seinen Kopf oder so. Die dunklen Haare hängen ihm fettig und strähnig in die Stirn, die zwei roten Pickel im bleichen Gesicht auf halber Strecke vom Mundwinkel zum Ohr jucken.
Nervös schaltet er in der langgezogenen Kurve in den nächsten Gang, der Leihwagen ruckelt. So einem miesen Autofahrer sollte man kein Auto vermieten. Hat auch keiner, weil er keine Kreditkarten hat. Er fährt ein gestohlenes Auto. Da ist es auch schon wurscht, wie der mit der Karre umgeht. Gestohlen und kurzgeschlossen. Zuallererst muss er es knacken. Soweit ich weiß, geht das heutzutage nicht mehr so einfach, da gibt es diese Wegfahrsperren und solches Zeugs. Da muss ich meinen Mann fragen, abends, beim Essen. "Du, Schatz, wie macht man das denn, wenn man ein Auto klauen will?“
„Auto klauen? Wozu willst denn das wissen?“
Falsch gefragt.
„Sag schon, wie sind denn heutzutage die Autos gegen Diebstahl gesichert?“
„Wozu willst denn das wissen?“
Danke. Das hätte ich mir ja denken können. Er antwortet mit einer Frage. Das reißt ein bei uns in letzter Zeit. Wer fragt, der führt?!
Dann lass ich das mal lieber, sonst wird das eines jener Abendessen, bei dem sich das Gefühl einstellt, keine Nudeln sondern Fragezeichen in die Soße zu tauchen. Bis hin zur abschließenden Frage: „Was habe ich jetzt eigentlich gegessen?“ Nein. Das wäre eine falsche Anschuldigung. Für die nach einem Zwiebelrostbraten ‚Stroganoff‘ mit Nockerln gestellte Frage zeichnet mein Schwager verantwortlich. Er hatte sie vor sechzehn Jahren an einem Donnerstag um neunzehnuhrsiebenunddreißig nachweislich als Erster gestellt.
„Ein Lammragout, du Depp!“ Das sagte meine Schwester. Normalerweise antwortet sie auch mit Fragen, in diesem speziellen Fall machte sie eine Ausnahme.
Doch nun zurück.
F.X. bremst am Ortseingang, schaltet runter in den zweiten Gang, und das alles ohne Handschuhe, und hinterher weiß er nicht mehr, was er alles berührt hat. Und die Skimütze mit den Sehschlitzen liegt auch nicht parat.
Was der braucht, ist eine Einkaufsliste. Handschuhe, Skimütze. Haarshampoon und Nagelbürste könnte er bei der Gelegenheit auch gleich mit besorgen, na ja. Vor allem braucht er eine Knarre. Sonst schaut er blöd aus, wenn er in der Bank sagt: „Pfoten hoch, Überfall!“
Da komm ich auf seine Kreise zurück. Verbrecherkreise, Automaten-Joe, Frankie, die Schmalzlocke, undsoweiter, in einer Spelunke, grenznah, oder wo, oder wer? Der Christian, mein Neffe, könnte das wissen, der ist Polizist. „Wo krieg ich eine Pumpgun her?“ „Wozu willst denn…?“ Kann mal einer ohne Fragezeichen mit mir reden?
Apropos Spelunke, der grüne Kakadu – das klingt anrüchig, verraucht, verrucht.
F.X. bleibt am Eingang stehen, wartet, bis sich seine Augen an das Schummerlicht gewöhnt haben, schlendert lässig an den Tresen. „He, Charly, einen doppelten Bourbon und eine nicht registrierte Wumme“.
Worauf das Unvermeidliche passiert. „Der grüne Kakadu“ fällt aus, weil das gesamte Ensemble vor Lachen nicht mehr arbeitsfähig ist – keine Vorstellung heute Abend.
Ich steck's auf.
Der stellt sich wirklich zu dämlich an. Auf die Weise kommt der nie bis in die Bank, geschweige denn zu Geld.
Ich lass den lieber eine Steuerhinterziehung machen. Klar, dass er erwischt wird. Weil ich nicht weiß, wie man das machen könnte ohne erwischt zu werden. Und der schon dreimal nicht. F.X. Maier, verurteilt zu dreieinhalb Jahren ohne Bewährung, sitzt jetzt hinter Gittern. Da ist er aufgeräumt, der Dilettant.
Wenn er dann abgesessen hat und ganz bleich ist, kann er immer noch den Banküberfall begehen.
Ich darf nicht vergessen, meinen Mann zu warnen, diesem F.X. ja kein Auto zu vermieten, falls er sich bis dahin Kreditkarten besorgt hat. Im Knast lernt man ja angeblich viel dazu.
Knast, Karre, Knarre, knacken. Der Umgang mit diesem Kleinkriminellen färbt mir die Sprache ein. Ich sollte mich wirklich nicht mit ihm abgeben, wenn er mir wieder einmal übern Weg oder übers Blatt läuft, dieser F.X., im grünen Kakadu, oder so.

© Heidi Merkel
 



 
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