spurenlese

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R

Rose

Gast
Hallo Herbert,

deine Zeilen sind sehr gut erdacht oder vielleicht auch gefühlt. Mit dem letzten Vers tue ich mich allerdings ein bisschen schwer:

noch kreisst hoffen auf
tag und nacht
zerfasern spuren


Soll es vielleicht "kreist" heißen? Die letzte Zeile "zerfasern spuren" will sich mir nicht so recht erschließen. Irgendwie habe ich mehr "zerfasert" im Ohr. Nur so ein Gedanke.

Blumige und liebe Grüße
Rose
 

HerbertH

Mitglied
spurenlese

vom dunklen ins licht zu blicken
mag erblinden lassen

vom licht ins dunkel zu starren
mag erschauern lassen

die im dunkel liebt man nicht
die im lichte lieben nicht

stets folgen licht
sonne und liebe
werden im dunkeln geboren

noch kreißt hoffen auf
tag und nacht
zerfasern spuren
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Rose,

ich habe "kreisst" durch "kreißt" ersetzt, es geht also um das Gebären.

Das "zerfasern" habe ich schon so gemeint, die Subjekte dazu stehen in der Zeile davor, also Vers5, Zeile 2. Das ist ähnlich wie in Vers 4, Zeile 3, wo ja auch "werden" steht.

Danke für den Hinweis und Dein Interesse an diesem Gedicht.

Liebe Grüße

Herbert
 

Label

Mitglied
Hoi Herbert!

dieses Gedicht reißt mich so mit, dass ich erst nach einigen Atemzügen die Logik einschalten konnte.


die im lichte lieben nicht
beim lesen habe ich das anstandslos geschluckt und hinterher kamen mir Zweifel ob diese Aussage denn so richtig sein kann. Ich werde mal darauf herumdenken, vielleicht hast du ja doch recht.

stets folgen licht (vielleicht: folgt dem licht)
sonne und liebe


noch kreißt hoffen auf ( kreißen wie in Kreißsaal, richtig?)

zerfasern spuren
das ist das einzige das mich ratlos lässt,und nicht in einen Zusammenhang bekomme. Mir würde gar nichts fehlen , fehlte diese letzte Zeile - vielleicht auch nur weil ich sie nicht begriffen habe.

Insgesamt für sehr gut

belabelt ;)
 
F

Fettauge

Gast
Lieber HerbertH.,

ich muss dir sagen, dass ich mit dem Gedicht nicht so recht was anzufangen weiß. Du nennst das Gedicht "spurenlese", ich habe nach dem gesucht, was ich als Spuren identifizieren könnte, aber nichts gefunden, erst recht nicht die Spurenlese. Du triffst einige Aussagen mit einer ziemlichen Absolutheit, die ich keinesfalls so sehen kann. Zum Beispiel: "die im Lichte lieben nicht", "sonne und liebe/werden im Dunkeln (bitte Dunklen oder Dunkel) geboren". Warum sollen Leute, die "im Lichte" stehen, nicht lieben können? Es kommt ja darauf an, was sie lieben, und sei es ihre Macht, ihren Einfluss, wenn schon nicht ihre Frau, irgendwas liebt der Mensch immer. In der letzten Strophe "kreißt Hoffen/auf Tag und Nacht", also das Hoffen auf Tag und Nacht soll erst noch geboren werden. Und was für Spuren zerfasern denn da? Spuren wovon?

Irritiert, Fettauge
 

HerbertH

Mitglied
Hoi Label,

vielen Dank für Deine richtigen Beobachtungen. "folgen dem licht" hatte ich übrigens zuerst stehen. Die letzte Zeile und der Titel enthalten den Begriff "spuren". "tag und nacht zerfasern spuren" kann man auf verschiedene Arten lesen, allerdings im Zusammenhang mit den sonstigen Aussagen des Gedichts. Es ist zum Beispiel möglich, hier einen Perspektivenwechsel - von der Beobachtung zum Beobachter - zu sehen. Aber es gibt sicherlich noch andere Deutungsmöglichkeiten.

Liebe Grüße

Hallo Fettauge,

siehe den obigen Kommentar.

Was die Absolutheit der Aussagen angeht, sind das Ansichten des LyrI, seine/ihre Empfindungen. Es steht dahinter natürlich eine bestimmte Weltsicht, eine spezifische Position des LyrI. Ausserdem gibt es ja Lesarten, die diese "Absolutheit" anders sehen - die im lichte lieben nicht, weil sie lieber im Dunkel lieben, beispielsweise.

Warum man hier Dunkel und Dunkles nicht frei mischen darf, ist mir nicht einsichtig.

Es sind hermeneutische Zirkel beim Leser, die für mich zum Kern von Lyrik gehören. Aus der Irritation ergeben sich oft neue Einsichten.

Irritierend, Herbert
 



 
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