tausend Jahre sind wie ein Tag

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Alo Isius

Mitglied
Die Götter des alten levantinischen Olymp waren keine Unmenschen, denn nichts Menschliches war ihnen fremd. Zeus war der Chef vom Ganzen, war sozusagen Kanzler auf Lebenszeit , der selbst seine Liebschaften zu irdischen Schönheitsköniginnen zur Chefsache erklärte und am liebsten alles selber machte: Lieben, Helden zeugen und lukrative Pöstchen verteilen. Fürs Alltagsgeschäft hatte er hochqualifizierte Experten, Berater und Lobbyisten in seinem göttlichen Kabinett.
Dann kamen die Römer und haben das ganze göttliche Personal – freilich unter neuen Namen – einfach übernommen (Zeus als Jupiter, Hermes als Merkur, Ares als Mars usw), und die Cäsaren, Senatoren und ihre Huren führten sich auf, als stammten sie in direkter Linie von diesen Herrschaften ab, erfanden die ersten Ausführungsbestimmungsrichtliniengesetze (lex romana) für Brot und Spiele, gerieten durch die Goten und andere Barbaren in die Krise, wurden allerchristlichst in einer turbulenten aber geordneten Insolvenz abgewickelt und vom heiligen römischen Reich übernommen.
Nach nur knapp zwei Tagen (Tausend Jahre sind für den Gott der Monotheisten wie ein Tag) mehr feindlicher als freundlicher Übernahmen, Ver- und Umwandlungen, Teilungen und Wiedervereinigungen sind wir Irdischen wieder einmal in einer Krise, einer kolossal globalen.
Und keine Götter mehr, nicht einer, der uns erlösen könnte... nur ein Stell- und ein paar sogenannte Volksvertreter integrieren, intrigieren, refor-mieren und genieren sich nicht, sich aufzuführen wie die alten Götter. So wurde z.B. Hermes Schlossherr Zumwinkel zu Garda, Expost-Chef von den Rechts-Organen der Themise Zypries für Steuerhinterziehung bedeutend milder beurteilt als eine Flaschenpfandhinterzieherin – um nur ein Beispiel dafür anzuführen, wie unsere modernen ’Götter’ Gleichheit vor dem Gesetz verstehen: „Alle Tiere sind gleich... nur Schweine sind etwas gleicher.“
War also den alten levantinischen Göttern nichts Menschliches fremd, so ist unseren zeitgemäßen Levantinern nichts Göttliches fremd – zumindest nichts, was in nur zehn christlichen Geboten schlicht als untugendhaft und/oder verwerflich definiert ist.
 
K

KaGeb

Gast
Klasse Text. Amüsant und dennoch tiefsinnig. Hat mir gut gefallen.

Grüße, KaGeb
 



 
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