ungeist

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Label

Mitglied
UNGEIST
kann in irgendwelchen ritzen
sitzen und durch die schlüssellöcher
spitzen was manch bewohner
mehr entgeistert denn die
fühlen sich gestört und
haben eindeutig gehört was
klaren blick verkleistert
doch DER flitzt durchs das
ohr ins hirn von da aus
gleich zur stirn und
schaut dort aus den augen
oft hat der UNGEIST so
seinen weg gemeistert und
wieder einer wirkt BEGEISTERT​
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Beim besten Willen, liebe Label,

kann ich mir unter "Ungeist" so wenig vorstellen wie unter einem "Unwort". Oder einer "Unexistenz". Oder einem "Unich".
Das Gegenteil vom einen Geist wäre ein anderer Geist, und da Geist eigentlich nicht zählbar ist wie ein Ding, hat Geist sein Gegenteil in sich.

grusz, hansz
 

Label

Mitglied
Lieber Walther, hab herzlichen Dank für die Wertung.

Lieber Bernd
Ja, der Ungeist, jagt oft dem Zeitgeist hinterher und treibt ihn voran.
eine aufmerksame Beobachtung, meiner Meinung nach. Eine zerstörerische und selbstsüchtige Stimmung breitet sich leichter aus, als das Gegenteil.
Für deine Gedanken zum Text und die Wertung danke ich sehr.

Lieber Hansz
es freut mich dass du hereingelesen hast, auch wenn ich es schade finde, dass du mit dem Text offenbar nichts anfangen kannst.
Vielleicht hilft dir eine "Übersetzung" für Ungeist - in früheren Jahrhunderten hätte man das wohl als Dämon, oder aber als vom Teufel geritten bezeichnet. Duden sagt https://www.duden.de/rechtschreibung/Ungeist
Geist ist ein weitreichender Begriff und beinhaltet vieles, nichts davon ist mit Händen greifbar und demzufolge ist es wichtig zu präzisieren, was gemeint ist.

lieber Gruß
Label
 

Tula

Mitglied
Hallo Label

Das Gedicht kommt recht beherzt und drollig daher. Auch der Bezug zum Zeitgeist war mir sofort klar und damit eine satirische Absicht. Ich sehe, dass man den Ungeistern nur schwer entkommt, auch wenn sie anfangs zu stören scheinen, nisten sie sich erfolgreich hinter der Stirn ein.

Soweit so gut. Als satirisches Gedicht finde ich es dennoch etwas unpräzise, wobei man erwägen kann, dass es ohnehin vor Ungeistern nur so wimmelt. Auch ok; es muss inhaltlich nicht unbedingt tiefer gehen, könnte dann aber sprachlich noch ulkiger werden. Dass der Ungeist begeistert, finde ich noch witzig, der Rest des Textes geht aber über völlig normale Umgangssprache nicht hinaus (kein besonderes Experiment). Oder du hättest ein 'richtiges' und metrisch einwandfreies Reimgedicht verfasst (?).

Das 'mehr' in Zeile 5 erscheint mir als unpassend. Mehr als was? oder was nicht mehr?

Dennoch unterhaltsam, keine Sorge.

LG
Tula
 
T

Trainee

Gast
Hallo Label,

UNGEIST
kann in irgendwelchen ritzen
sitzen und durch die schlüssellöcher
spitzen was [blue]manche[/blue] bewohner
mehr entgeistert denn die
fühlen sich gestört und
haben eindeutig gehört was
klaren blick verkleistert
doch DER flitzt durchs das
ohr ins hirn von da aus
gleich zur stirn und
schaut dort aus den augen

oft hat der UNGEIST [strike][blue]so[/blue][/strike]
seinen weg [blue]bereits[/blue] gemeistert und
wieder einer wirkt BEGEISTERT
aus meiner Sicht gibt es eine gramm. Unstimmigkeit, die den Sinn "verkleistert." Und es wäre wohl zum Ende hin eine Zäsur nötig.
Ungeist ist vieles. - Auf den Ungeist des Faschismus passte dein Gedicht in etwa. Auch auf den des Militarismus. Besser vielleicht noch auf den "Ungeist der Rechthaberei", der von der kath. Kirche in Bezug auf Franziskus beschworen wird.
Du bleibst aus meiner Sicht zu sehr im Vagen, verschenkst die Speerspitze, die ein Gedicht politischen / zeitkritischen oder auch personenbezogenen Inhalts aufzeigen sollte.
Deine Binnenreime gefallen mir recht gut, machen aber ein Gedicht noch nicht zu einem experimentellen Werk (das Gleiche gilt für die Hervorhebungen).
Zudem bergen jene die Gefahr unfreiwilliger Komik ...
Einiges andere ist von den Vorkommentatoren gesagt worden.
Für mich ein überarbeitungswürdiges Gedicht, das der Präzisierung bedarf.

Mit freundlichem Gruß
Trainee
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Label und Trainee,

die Regularisierung der Rhythmik in den letzten Versen würde ich befürworten, wie sie Trainee vorgeschlagen hat.

Bei "manch Bewohner"="manch ein Bewohner" sehe ich rhythmische und inhaltliche Probleme bei der vorgeschlagenen Änderung.

Vielleicht lese ich es aber auch nur anders.

Viele Grüße
Bernd
 

Label

Mitglied
UNGEIST
kann in irgendwelchen ritzen
sitzen und durch schlüssellöcher
spitzen was manche Leute
sehr entgeistert denn die
fühlen sich gestört und
haben eindeutig gehört was
klaren blick verkleistert

doch DER flitzt durchs das
ohr ins hirn von da aus
gleich zur stirn und
schaut dort aus den augen

oft hat der UNGEIST seinen
weg bereits gemeistert und
wieder einer wirkt BEGEISTERT​
 

Label

Mitglied
Hallo Tula
Vielen Dank für deine Beschäftigung mit dem Text und Rückmeldung.
Als satirisches Gedicht finde ich es dennoch etwas unpräzise
hmmm um den Kern und das Wesen eines Phänomens zu beschreiben, müssen notwendigerweise spezifische Auswirkungen die aus den verschiedensten Ideologien erwachsen können unberücksichtigt bleiben.
es muss inhaltlich nicht unbedingt tiefer gehen, könnte dann aber sprachlich noch ulkiger werden.
Dann scheine ich ja mein Ziel den Ton zwischen depressiv-ernst und heiter bis komisch anzusiedeln, erreicht zu haben.
der Rest des Textes geht aber über völlig normale Umgangssprache nicht hinaus (kein besonderes Experiment). Oder du hättest ein 'richtiges' und metrisch einwandfreies Reimgedicht verfasst
Tja, experimentell ist der Text irgendwie schon, da er weder in die Schublade des ungereimten (wegen der Binnenreime und der Rhythmik) noch in die gereimte und schon gar nicht in eine feste Form passt.
Das 'mehr' in Zeile 5 erscheint mir als unpassend.
Du hast Recht, „mehr“ ist mir hier als mundartliche Eigenheit entwischt – ich habe es geändert, danke für den Hinweis.
Dass du dich unterhalten fühltest freut mich sehr, was will ein Dichterlein noch mehr.


Hallo Trainee
Recht herzlichen Dank für deinen konstruktiven Kommentar. Deinen Hinweis auf eine Zäsur habe ich gerne umgesetzt, sowie die Textvorschläge und habe insgesamt noch ein wenig gefeilt. Wie weiter oben schon erwähnt soll der Text den Ungeist aller Couleur umfassen und nicht auf einen zuspitzen.
Es freut mich wirklich dass die Binnenreime dein Gefallen finden konnten .
Was die Präzisierung anlangt, denke ich dass das Gedicht exakt zwischen allen Schubladen ausbalanciert ist. Mehr Ernsthaftigkeit oder Komik, mehr Form/Reim oder mehr vers libre würden den Text in eine Richtung kippen und dem Leser eine bestimmte Sichtweise aufoktroyieren.
Eigentlich schade, dass dir die freie Interpretierbarkeit keine Lust auf mehr macht, ich dachte immer dass es das ist worauf du Wert legst.

Lieber Bernd
Danke für deinen Hinweis – ich habe ihn umgesetzt.

freundlich grüßend
Label
 

Label

Mitglied
UNGEIST
kann in irgendwelchen ritzen
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spitzen was manche Leute
sehr entgeistert denn die
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doch DER flitzt durchs das
ohr ins hirn von da aus
gleich zur stirn und
schaut dort aus den augen

oft hat der UNGEIST seinen
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T

Trainee

Gast
Hallo Label,

Was die Präzisierung anlangt, denke ich dass das Gedicht exakt zwischen allen Schubladen ausbalanciert ist. Mehr Ernsthaftigkeit oder Komik, mehr Form/Reim oder mehr vers libre würden den Text in eine Richtung kippen und dem Leser eine bestimmte Sichtweise aufoktroyieren.
Das ist ja gerade der zentrale Denkfehler des Gedichts. Es gibt recht eigentlich keinen "allgemeinen Ungeist." Selbst wenn man (schwammig) vom "Ungeist der Zeit" spricht, meint man etwas Bestimmtes oder setzt etwas allgemein Bekanntes voraus (Antisemitismus, Militarismus, Kurrumpierbarkeit etc.).

Allgemeine Hirnlosigkeit kann existieren, ein Geist der Verneinung auch, aber eben nicht Ungeist als solcher. Insofern müsstest du aus meiner Sicht zumindest im Titel einen Hinweis geben.

Eigentlich schade, dass dir die freie Interpretierbarkeit keine Lust auf mehr macht, ich dachte immer dass es das ist worauf du Wert legst.
Dazu stehe ich selbstverständlich nach wie vor. In einem politisch gefärbten Gedicht (oder einem anderen Text mit Message) ist eine solche Haltung leider kontraproduktiv. Unpräzise eben. Wie es von fast allen Vorkommentatoren bemängelt worden ist.

Formal holpert das Gedicht nun mehr als vorher. Denn du hättesr aufgrund der gramm. korrekten Silbe mehr ("manche" statt "manch"), das Metrum anpassen müssen.
Um etwaigen anklagenden Worten vorauszueilen: Nein, das habe ich nicht absichtlich getan. ;):D Vielmehr bin ich davon ausgegangen, dass dich mein (und Bernds) Hinweis von allein zu einer Nachbesserung veranlassen würde.

Optisch macht der Text jetzt mehr her. - Ich freue, mich, dass du bereits zwei meiner Tipps umgesetzt hast. - Bleib dran. :)

Mit freundlichem Gruß
Trainee
 

Label

Mitglied
UNGEIST
kann in irgendwelchen ritzen
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spitzen was manche Leute
sehr entgeistert denn die
fühlen sich gestört und
haben eindeutig gehört was
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gleich zur stirn und
schaut dort aus den augen

oft hat der UNGEIST seinen
weg bereits gemeistert und
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Label

Mitglied
Hallo Heidrun

Allgemeine Hirnlosigkeit kann existieren, ein Geist der Verneinung auch, aber eben nicht Ungeist als solcher
doch, doch, das zugrundeliegende Prinzip gibt es schon, so wie das Wort rot alle möglichen roten Schattierung umfasst, ohne tomatenrot, zinnoberrot usw explizit zu nennen.
Freie Interpretierbarkeit:
In einem politisch gefärbten Gedicht (oder einem anderen Text mit Message) ist eine solche Haltung leider kontraproduktiv
das sehe ich anders, ich überlasse dem Leser gerne ob er etwas bierernst oder als heiteren Denkanstoß sehen will.
Karierte Maiglöcken kann ich nicht und versuche es auch erst gar nicht (Die Maiglöckchen sind ja ganz nett, aber kariert wärensie viel schöner ;) )
du hättesr aufgrund der gramm. korrekten Silbe mehr ("manche" statt "manch"), das Metrum anpassen müssen.
Hab ich doch, aus den Bewohnern wurden Leute z.B.
UNGEIST
kann in irgendwelchen ritzen
sitzen und durch schlüssellöcher
spitzen was manche Leute
sehr entgeistert denn die
fühlen sich gestört und
haben eindeutig gehört was
klaren blick verkleistert

doch DER flitzt durch das
ohr ins hirn von da aus
gleich zur stirn und
schaut dort aus den augen

oft hat der UNGEIST seinen
weg bereits gemeistert und
wieder einer wirkt BEGEISTERT
Ich denke der Rhythmus ist sooooooooo holprig nicht, wenn man bedenkt, dass dies ja kein Reimgedicht ist, nicht wahr?
Optisch macht der Text jetzt mehr her
, das freut mich doch

freundlicher Gruß
Label
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das Problem ist ein allgemeines in der Lyrik. Ich verwende einen Begriff als Metapher, der andere liest ihn wörtlich.

Es ist ein Wortspiel, aber hier mit ernstem Hintergrund.

Selbst das Un von Ungeist und all den Unwörtern könnte sich verselbständigen.

Ich dichtete:

Ferdinand erfand ein Un,
ohne viel dabei zu tun,

dann schrieb er das Rezept der Unen
auf ein Papier in Form von Runen.
 
T

Trainee

Gast
Ich denke der Rhythmus ist sooooooooo holprig nicht, wenn man bedenkt, dass dies ja kein Reimgedicht ist, nicht wahr?
Hallo Label.

auch hier unterliegst du einem Irrtum:
Binnenreime sind ebenfalls Reime. Wie der Name schon sagt. Insofern ist ein Gedicht mit Binnenreimen selbstverständlich ein Reimgedicht.
Und zwar eines, das hier

spitzen was manche Leute
holpert.

Liebe Grüße von Trainee
(die sich von Kommentar zu Kommentar "ungeistiger" fühlt ;))
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Prinzipiell gebe ich Trainee recht, auch bei Binnenreimen muss die Rhythmik sitzen.

Ich sehe nur nicht, wo es holpert. Allerdings sind keine Satzzeichen da, was es schwerer macht, in den Rhythmus zu kommen. Es ist kein silbenzählender Rhythmus, sondern taktzählender und freier Rhythmus, aber in sich sehr streng gehalten.

UNGEIST
kann in irgendwelchen
ritzen sitzen
und durch schlüssellöcher spitzen -
was manche Leute sehr entgeistert -
denn: die fühlen sich gestört
und haben eindeutig gehört,
was klaren blick verkleistert,

Man muss natürlich auch die wohlgesetzten Pausen beachten.
Die Rhythmik erinnert etwas an Rap, obwohl es keiner ist.

Es holpert sehr, wenn man versucht, den Text als Jamben zu lesen.
Der Text enthält kurze und lange Silben, betonte und unbetonte Silben und Pausen.
In jambischen Strophen sind alle Silben etwa gleich lang, es gibt nur betont und unbetont.
Das ist hier definitiv keine solche.
"kann in irgendwelchen
ritzen sitzen " kann man jambisch lesen, das führt dann in Folge, weil man auch die anderen Verse so liest, zu besagten Holperern.
Anders gelesen ist der Rhythmus perfekt.

Es prallen hier zwei verschiedene Poetiken aufeinander, die klassische, von der Antike abgeleitete, und eine andere, die sich seit Opitz entwickelte (die zur deutschen Klassik führte, aber auch zu freien Rhythmen, sie berücksichtigte die deutsche Sprachstruktur, während vorher Tonbeugung üblich war.)
 
T

Trainee

Gast
Es prallen hier zwei verschiedene Poetiken aufeinander, die klassische, von der Antike abgeleitete, und eine andere, die sich seit Opitz entwickelte (die zur deutschen Klassik führte, aber auch zu freien Rhythmen, sie berücksichtigte die deutsche Sprachstruktur, während vorher Tonbeugung üblich war.)
Lieber Bernd,
in einem Gedicht sollten zwei verschiedene Poetiken eher nicht aufeinanderprallen. - Aber ich weiß, du meinst es gut. :)

Trainee
__________________
 

Label

Mitglied
es ist ein experimentelles Gedicht
und kein geformtes
es ist ein experimentelles Gedicht
und kein gereimtes
es ist ein experimentelles Gedicht
und kein ungereimtes
es ist ein experimentelles Gedicht
und kein dada

es ist ein experimentelles Gedicht
und kein genormtes
 



 
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