unter jenem Fluss

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MH

Mitglied
hallo venus,

im gesamten ein sehr schönes werk, kompakt und ausdrucksstark.
allerdings stört mich irgendetwas an der mitte:

der strömung sog ins
unbelauschte

nimmt sich ein letzter
brecher

ist es die redundanz von strömung und sog, oder
der für meine wahrnehmung das gedicht etwas verkrampfende genitiv, ich bin nicht sicher. man weiss vielleicht bereits, wie ungern ich alternativen vorschlage, aber ich würde hier lieber etwas lesen wie

die strömung ins
unbelauschte

nimmt sich ein letzter
brecher

oder so ähnlich.

tut der gesamtwirkung aber keinen schaden an.

mfgMH
 
B

bonanza

Gast
Bei deinen Gedichten denke ich immer an einen
tropfenden Wasserhahn.
 

Cirias

Mitglied
Liebe Venus,
Dichten heißt für mich in ausdrücklich gewolltem Dunkel die verschwiegenen Dinge beschwören. Ich habe das Gefühl, als hättest du selbst dich "unter jenem Fluss" gelegt, den Worten die Iniative überlassen, den Rhythmus des Unendlichen zugelassen, es ist, als hättest du dieses Gedicht vom Sprachimpuls her geschrieben, es ist aber auch, als wolltest du eine Raumvorstellung ergreifen und als hätte sich dann etwas eingestellt,, dass nichts mehr mit Räumlichen zu tun hat. Deine Worte klingen wie die Stimme eines Vogels, den man nicht noch einmal im Leben vernimmt...es ist, als holtest du das Wort hervor, um es wieder einzutauchen in seine Vergeblichkeit, von der Anwesenheit in die Abwesenheit, in deinen Zeilen scheint die Zeit in die Zeitlosigkeit überzugehen...unter jenem Fluss...
Ein wunderbares Gedicht.

Ein alter Freund...Cirias
 

Venus

Mitglied
Hallo MH,
recht lieben Dank, fürs Auseinandersetzen mit meinen Gedanken!

Ich schätze sie in gewisser Weise sehr, die alternativen Vorschläge von kompetenten Kollegen/innen. Helfen sie mir doch, die eigentliche Interpretation des Lesers leichter nachzuvollziehen.

Ich bin (wie man vielleicht weiß) etwas „berüchtigt“ für verkappte Zeilenumbrüche und deren (möglicherweise) lesbare Vielschichtigkeit. Gewollt war folgender Gedanke:

tief in deinen augen
blicken sich becken krümmend
entgegen der strömung
sog ins unbelauschte
(Bindewort also Sog ins Unbelauschte und ins Unbelauschte nimmt sich ein letzter Brecher...)
nimmt sich
ein letzter brecher
...


Ich weiß, lieber MH, ein Gedanke ist immer nur so wertvoll, wie seine (tatsächlich resultierende) Wirkung...
Bin immer ein wenig zerrissen, ob ich nicht zuviel (in mir) aussagen will.
Bestimmt etwas beruhigt, durch deine Anmerkung „tut der gesamtwirkung aber keinen schaden an“ interpretiere ich daraus, dass der Leser nicht immer unbedingt und ausschließlich das verstehen muss, was der Autor sagen will/wollte. Wichtig möchte sein, dass der Spielraum fürs eigene Lesen offen bleiben darf –
oder?
Wäre es dann letztendlich so, dass, würde ich deinem Vorschlag entsprechen, mein Geschriebenes reduziert wäre, auf einen einzigen Gedankengang?

Ich bin echt schlimm –
manchmal halt

Danke, für deinen interessanten Kommentar!

Lieben Gruß,
Gabi
 

Venus

Mitglied
Hallo Bon!

Nun ja - danke ;)
Ein tropfender Wasserhahn ist bekannterweise etwas ärgerliches. Beim Versuch ihn zum Schweigen zu bringen, kann es oft genug passieren, dass man ein Gewinde ab- oder überdreht. Anstatt einfach die Dichtung auszuwechseln...

Manchmal jedoch, erinnert das gleichmäßge "plopp-plopp..." auch ans Ticken einer Uhr. Die Gewissheit, das sichere Einvernehmen, dass die Zeit nicht still steht -

Ich Optimist!
;)
Lieben Gruß,
Gabi
 

Venus

Mitglied
Lieber Cirias,

so oft und beinahe noch viel lieber, hab ich deine Gedanken zu den meinen gelesen.
Herzlichen Dank!

Ja, irgendetwas schreibt immer aus einem selbst heraus. Wer’s leugnet, lügt.
Also mag es vielleicht sein, dass ich selbst einmal unter jenem Fluss – und/oder sei’s auch „nur“ in Gedanken... (?!)

Mein Gott, ja!
Worte, so klein und unbedeutend sie auch sein mögen, so groß und unermesslich sind sie dennoch. Wenn ich’s nur könnte, jedes einzelne würd’ ich so gerne in seiner unendlichen Vielschichtigkeit leben, leuchten, fliegen, tauchen, singen, weinen, sterben und wiederauferstehen lassen.
Derweil plag ich mich selbst, mit deren Geistern und schick sie durch Raum und Zeit. Damit sie draußendrinnen endlich ankommen, bei ihrem Eigentlichen. Und berichten können, ob ihrer Großartigkeit.

Manchmal geschieht es, beim Übergang ins Grenzenlos... unter jenem Fluss –

Recht (wie so oft) nachdenkliche Grüße,
Gabi
(die sich nun fragt, wer er ist, der alte Freund...)
 
E

El Lobo

Gast
Ei, was tropft denn da?

Liebe Gabi,

fast hätte ich mich MH anschliessen können, aber da ich Deine Gedichte schon öfter lesen durfte, erfasste ich die Lyrik schneller, danke fürs Lesen, LG Enzio
 

Venus

Mitglied
Lieber Enzio,
danke für deine Nachricht!
Es be(un)ruhigt mich, dass ich allmählich schneller zu erfassen bin (ich schmunzle, echt!).
Weil ich mich immer noch genau so arg anstrengen muss, dass es gelingt -

Ich gelobe Besserung!

...sagt Gabi,
und fragt sich - wie
 

Venus

Mitglied
unter jenem fluss tief

in deinen augen
blicken winden sich becken
entgegen alle strömung

ins unbelauschte
nimmt sich ein harter
brecher lebendige tropfen mit

fort ins trockne erwachen


© gabriele schmiegelt
 



 
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