verfolgungswahn

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verantwortungslos wars
nach einer nacht
voll lehrreicher träume
beim frühstück selbsterkenntnisse
vom balkon zu werfen


gewöhnlich schlafen
typische penner
bis mittags in verlassenen ruinen
im stadtpark unter brücken
einer jedoch sammelte zur unzeit
vor unserem haus erkenntnisse
stopfte sie in plastiktüten
und verkaufte sie
auf dem bahnhofsvorplatz
an arglose touristen


jetzt können wir nicht einmal mehr
in urlaub fahren ohne gefahr zu laufen
leute zu treffen die sie als sprüche
auf bedruckten t-shirts
zur schau tragen
 

Rhea_Gift

Mitglied
Inhaltlich gefällts mir - formal ists keine Lyrik, um mal Korinthenkacker zu sein, da die Umbrüche keinen besonderen Sinn machen, du könntest es einfach in einem durch schreiben, genauso, wie es ist, und eben nur Absätze im Prosatext machen, um die Dreiteilung zu haben. Für mich Kurzprosa, die ja auch metaphorisch sein kann (übern Balkon geworfene, aufgesammelte und auf T-Shirts gedruckte Erkenntnisse machen das Ganze nicht zur Lyrik). Nicht übel nehmen...

Sonst ein tiefsinniger und origineller Text. :)

LG, Rhea
 
Liebe Rhea,
da bin ich (ausnahmsweise) anderer Meinung als du. Zugegeben der Text liegt im Grenzbereich zwischen Lyrik und Prosa.
Mich würde interessieren, welche Kriterien nach deiner Meinung diesen Text als Prosa erscheinen lassen.
Ich meine, Metaphern, Textmelodie und Rhythmus lassen durchaus Lyrisches erkennen. (Und zur Lyra gesungen kann ich ihn mir auch vorstellen.)
Bin gespannt auf deine Antwort.
Herzliche Grüße
Karl
 
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gewöhnlich schlafen penner
bis mittags in verlassenen ruinen
im stadtpark unter brücken
einer jedoch sammelte zur unzeit
vor unserem haus erkenntnisse
stopfte sie in plastiktüten
und verkaufte sie
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an arglose touristen


jetzt können wir nicht einmal
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leute zu treffen die sie als sprüche
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Vera-Lena

Mitglied
Lieber Karl,

der Text steht und fällt mit dem Titel, denke ich. Insofern wäre es besser, wenn der Titel noch einmal direkt über dem Text stünde.

Verfolgungswahn: Da liest jemand Texte auf T-Shirts und meint, diese Erkenntnisse, die dort kund getan werden, seien doch einzig und allein auf seinem Mist gewachsen und es dürfe sich niemand anmaßen, seine Weisheiten, so als wären sie gar nichts wert und der letzte Penner hätte daran auch noch sein Geld verdient, mir nichts dir nichts zur Schau zu stellen.

So lese ich Deinen Text, wenn ich den Titel mit einbeziehe.

Über Prosalyrik kann man sich streiten, wo da die Grenze zur Kurzprosa liegt. Ohne den Titel würde ich auch zur Kurzprosa tendieren, aber wenn ich den Titel mit einbeziehe, hast Du hier etas anschaulich verschlüsselt, was sich gar nicht mal so leicht erschließt.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 
Liebe Vera-Lena,
vielen Dank für denien ausführlichen Kommentar, der ziemlich genau das wiedergibt, was ich aussagen wollte.
Den Titel kann ich gern noch einmal über den Text setzen (wo er sonst ohnehin steht).
Herzliche Grüße
Karl
 
verfolgungswahn


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gewöhnlich schlafen penner
bis mittags in verlassenen ruinen
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einer jedoch sammelte zur unzeit
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Rhea_Gift

Mitglied
Nun, Prosa ist ja nicht metaphernfrei oder ohne mehrere Ebenen - sonst wäre alles von Thomas Mann, Umberto Eco, Kafka, Hoffmannsthal u.a. Prosalyrik. Für mich überwiegt hier einfach das Prosaische, im Schreibstil, formal - für mich ist das weder ein Bild noch eine auf Klang oder Stimmung bedachte Schilderung, oder Verkürzung (gekürzt könnte es lyrisch werden) sondern ein gut runterlesbarer Prosatext, der keine Umbrüche braucht, mit gelungenem, mehrdeutigem Tiefensinn. Aber das ist nur meine Meinung, sicher keine literaturtheoretisch eindeutigen Kriterien - drum sag ich ja, das man sich drüber streiten kann - und rege keine Verschiebung per Mod an - dafür ist meine Meinung zu wenig fundiert ;) Eher ne Anregung, daraus vielleicht noch was mehr Lyrisches zu machen - als ganz eigene Version, denn der Text ist, wie er ist gut - egal, als was man ihn bezeichnen will - drum fließen solche Überlegungen auch net in meine Wertung ein... ;)

Drum mal nachgehalt - nach Komm einfach verschwitzt...

LG, Rhea
 

Rhea_Gift

Mitglied
PS: auch bei Prosa ist man auf Klang bedacht - bei Lyrik steht sie aber noch mehr im Vordergrund - ebenso die anderen genannten formalen Überlegungen... und ebenso bei Prosalyrik...

LG, Rhea
 
Liebe Rhea,
dass der Text zwischen Prosa und Lyrik steht, habe ich ja bereits zugestanden. Aber für einen Prosatext ist er m.E. doch zu verdichtet...
Gruß
Karl
 

Rhea_Gift

Mitglied
verdichtet zu Kurprosa... ggg - für mich steht er eben nicht dazwischen, da das Lyrische nicht knapp das Prosaische überwiegt, wie es bei Prosalyrik auch der Fall ist, sondern Prosa für mich hier klar im Vordergrund steht... (bestenfalls also in gewissem Sinne lyrische Prosa, aber nicht Prosalyrik) aber is ja auch wurscht, genaue Kriterien gibbet da eh nich... also was solls, Hauptsache gut :)
 



 
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