vom umdenken (wie ein kind)

Venus

Mitglied
vom umdenken (wie ein kind)

hab ich mich gestern noch
ertappt beim stampfen
lose beine ausgefranst
auf dem halbierten boden

reifer fakten wacht enthemmt
heut stolz mein sturm
kein bisschen müde
darf er zornen launig und
auf herzenslänge zeitlos

ist die wut so gern
vertraut gewogen in mir selbst
der unverstand willkommen
und in jeder frage bleibe ich
gern mir

ein rätsel
endlich

in den unverschränkten tagen
will ich es schändlich
laut und deutlich

bleiben


© gabriele schmiegelt
 

gareth

Mitglied
Es liegt mir etwas daran, liebe Venus,

etwas zu Deinem Gedicht zu sagen. Es ist eine Weile her, dass ich etwas neues von Dir gesehen habe.

Es kann sein, dass ich mich wiederhole, aber was mir bei fast allen Deinen Gedichten geschieht ist, dass mich mindestens ein Bild, manchmal auch nur eine Zeile darin, ganz unmittelbar anspricht, ohne dass oder noch bevor es mir vollständig zugänglich ist.

Auch hier ist es so und ich bin beeindruckt von unverbrauchten Metaphern und kraftvollen Bildern, die hier entstehen. Ich lese sie als Unabhängigkeitserklärung eines stolzen Lebewesens, dass sich der Unauflöslichkeit vieler seiner Lebensknoten bewusst ist und auch sein will.

Das ist natürlich sehr verkürzend und ich wollte, mir stünden mehr Worte und Gedankengänge zur Verfügung. Aber ein wenig mag deutlich werden, dass mir diese Werk gefällt und ich mir zumindest Mühe gegeben habe :eek:)

Grüße
gareth
 

Venus

Mitglied
Lieber gareth,

ich hab mich sehr gefreut, über deine konstruktive, ausführliche Nachricht; lieben Dank!

Freilich hätte dieses Werkchen auch „die unabhängigkeitserklärung einer in die wechseljahre gekommenen“ heißen können, oder halt so ähnlich… ;o)

Vielleicht ist es ja in der Tat so, dass man sich zurückentwickelt, mit den Jahren (manchmal erscheint es mir jedenfalls so, wenn mich die Hilflosigkeit (wirklich) alter Menschen, gegenüber Normalitäten trifft). Der Mensch wird (wieder) zum Kind.

So stelle ich mit meinem Titel (vielleicht) die These in den Raum, dass es nicht (immer) schadhaft sein muss, so man sich denn bewusst zurückentwickelt und umdenkt. Wie ein Kind nämlich, und frech herausdenkt: „Jetzt stampf ich und dann wird alles gut!“.

Vielleicht stimmt das aber so auch gar nicht und vielleicht ist das bloß ein Gedicht, aus einer Zeit heraus, welche für die Autorin nachvollziehbar sein könnte.
Wär ja noch schöner, tät ich zugeben, dass ich schon in den Wechseljahren sei!
Sei?
Sei. Äh, sei mir ganz herzlich gegrüßt, du treuer Freund!

Herzlich,
Gabi
 
P

Prosaiker

Gast
Ich glaube Picasso hat irgendwas in dieser Richtung gesagt (den genauen Wortlaut weiß ich nicht mehr): Mit 18 war ich technisch so perfekt wie Raffael. Den Rest meines Lebens habe ich gebraucht, um zu lernen, wieder wie ein Kind zu malen.

Grüße,
Prosa.
 

Venus

Mitglied
Danke, Prosa,

für deine Eindrücke; wobei der erste mich besonders gefreut hat. Ja, so eines wollte es in der Tat sein und ja, ich bleib lieber immer anfällig für Komplimente. ;o)

Das von dir angeführte Zitat ist in der Tat wortgetreu wiedergegeben. Ob Picasso damit recht hatte und ob es das Ziel eines Malers/Künstlers guthin ist, erneut (irgendwann wieder) so zu malen wie ein Kind, möchte ich dahin gestellt lassen. Dass es seine offizielle Devise sein mochte, hat er proklamiert.

Letztendlich (meine ich) ist die Kunst ein Luder.
Sie sucht dich heim, küsst dich und lässt dich zurück.
Ein Lebtaglang verbringt der Kaltgeküsste dann im Endlosversuch, das eigene Gefühl des Kusses, nach außen hin, darzustellen. Es wird (immer) sein Gefühl bleiben; mit der hehren Hoffnung auf Solche, welche gerade jenes Ureigene glauben nachempfinden zu können. Weil, ja weil…
Weil Kunst mehr ist, als ein Gefühl.
Der Kuss jedoch: bleibt was er ist.

Was ist also im besten Falle ein Gedicht?

Danke, für den Austausch!
Recht freundlich,
Gabriele
 



 
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