whisper

lisa

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Es war einer jener Tage, die von Leichtigkeit erfasst, das Bewusstsein in einer Brise von Selbstvergessenheit davontragen.

Anmutig und aufrecht stand sie da, reckte ihre Glieder der wärmenden Sonne entgegen und schaukelte verzückt im zwitschernden Lied der Vögel. Sie wusste, er würde kommen.
Schon von Weitem spürte sie seine Nähe, fühlte sie seinen Atem. Sanft strich er ihr über die Haut und liess sie in einem Schauer der Vorfreude erzittern.

Damals, als sie noch ein junges Mädchen war, hatte er mit einer Glut von ihr Besitz ergriffen, die gefährlich war. Gefährlicher, als das Feuer selbst, denn sie sprühte Funken in ihrem Herzen, die drohten, das Mädchen langsam und beharrlich von innen heraus zu verbrennen.
Nächtelang wand sie sich in Schmerzen, denn das Leben hatte ihr bereits lang zuvor das Gift des Zweifels ins Blut gestreut, welches die Flammen unbarmherzig schürte.
So war es also um sie bestellt – seitdem sie ihm zum erstenmal begegnet war. Von dem Tag an, da sie den Klang ihrer Seele, einem Echo gleich, aus der seinen vernommen hatte.
Ihm war es umgekehrt ebenso ergangen. Es war der Klang der Liebe - die Melodie, die ertönt, wenn zwei Seelen sich umarmen, wenn zwei Herzen einander finden für die Ewigkeit.
Und sie liebten sich gigantisch.
Doch waren sie so verschieden. Zwei Menschenkinder, nicht klüger, noch dümmer, als all die andern. Und konnten sie weder die Tiefe der Liebe, noch die Weite der Ewigkeit begreifen.... und so trennten sie zuerst nur Worte, später dann Taten, und schliesslich Berge und Täler und Seen. Doch nichts von alldem vermochte die Glut ihrer Liebe zu schmälern. Nichts - das imstande gewesen wäre, sie wirklich voneinander loszureissen. Das Feuer zu löschen.
Unstet war sie, von da an allein, umhergeirrt, hatte mal dies und mal jenes angefangen, in rastloser Suche mit einem tiefen Bedürfnis nach Ruhe und Ausgeglichenheit in der Brust, das sich ihr niemals erfüllen sollte. Auch er war gelaufen, soweit ihn seine zwei (oder drei;-) Beine tragen konnten, immer wieder gezwungen, sich auszuruhen, sich gar nierderzulassen, ohne je diesen Tropfen der Freiheit zu trinken, nach dem ihm so dürstete.
So hatten sie beide gelebt, mit glühenden Herzen... bis letztlich nur der Tod sie noch trennen konnte.

Mit einem wehmütigem Rascheln verlor sie sich oft für Stunden in den verlorenen Zeiten der Vergangenheit, während sich ihre Wurzeln immer tiefer in den Boden gruben, sie immer fester mit der Erde verwuchs, streckte sie die Äste immer höher hinaus in den Himmel. Eines Tages die Wolken zu berühren – und ihn.
Er kam mit dem Wind. Zupfte erst neckisch an ihren Blättern und streichelte sanft die jüngsten, noch zartesten, ihrer Zweige. Liebevoll schmiegte er sich in ihre Wipfel.
Flüsternd erzählte er ihr von seinen Reisen in ferne Länder und sie tat ihm die verborgenen Geheimnisse der Erde kund. Sacht wiegten sie sich hin und her, bis die Nacht kam. Und mit ihr der Mond.

Ihre Worte wispern weit hinaus, in des Dunkels silbrigen Glanz, zerstrahlen sie in die Ewigkeit.
 



 
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