xIII (Haiku)

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, xavia,
mir erscheint das Gedicht metapherngeladen, was gut für viele Gedichte ist, nicht so sehr für Haiku.

Ich habe versucht, es als Bild zu verstehen, kam aber zu keinem Ergebnis.

Bei Haiku bin ich seit vielen Jahren aber in den Anfangsgründen gefangen.

Krähenmorgenlied,
"Morgenlied" ist eine Art Anthropomorphismus. besser wäre etwas in der Art: Krähengekrächze.

Die Gräben laufen über.
Das Komma zeigt den Zusammenhang der Sätze. Ich komme hier, und das ist sicher nicht gemeint: Die Krähen singen ihr Lied und das ist so geartet, dass die Gräben überlaufen.

Ein Papierschiffchen!
Jetzt kommt ein Umschwung: Es waren nicht die Krähen, es war das Papierschiffchen, das die Gräben zum Überlaufen brachten.

Letztlich ist es nicht ein Bild, sondern eine Mischung von surrealen Bildern, die für sich allein funktionieren würden.

Das macht ja das Gedicht interessant. Ob es ein Haiku ist?

Verunsichert.
Bernd
 

xavia

Mitglied
Hallo Bernd,

ich freue mich, dass du dich mit meinem dritten Haiku-Versuch so eingehend beschäftigt hast und ich verstehe die Probleme, die du beschreibst. Zu jedem davon kann ich etwas sagen, aber nicht als Rechtfertigung, sondern als Erklärung und ich weiß, dass ein Haiku, wenn es gelingt, keiner Erklärung bedarf.
Krähengekrächze stimmt zwar eher vom Geräusch her, aber ist es nicht eine Wertung? Ist nicht das, was die Krähen am Morgen tun, ebenso ihr Lied, wie das, was die Drosseln am Abend zum Besten geben?
Die Gräben, die sind an dem Morgen bei uns tatsächlich übergelaufen.
Das Schiff ist eine Metapher, es kam mir in den Sinn angesichts all dieses Wassers: Sehnsucht nach der Insel.
Erst nachdem ich den Text in die LeLu gestellt habe (ich hatte erst einen Tag gewartet, immerhin, konnte es dann aber doch nicht lassen), wurde mir klar, dass die Krähen und die Gräben jeglichen Bezuges entbehrten, abgesehen von meinem persönlichen Erleben. Es waren zwei Phänomene, die ich an dem Morgen beobachtet habe und die in mir die Idee des Schiffchens weckten, von dem ich hoffte, ein Haiku-Moment damit zu erzeugen.
Deine köstlichen Versuche, einen Zusammenhang herzustellen, entschädigen mich dafür, dass es mir nicht gelungen ist. :)

Nur weiter so!
Xavia
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich bin hier durchaus nicht sicher. Vielleicht können die Haiku-Experten dazu etwas sagen.
Auf jeden Fall wirkt es bei mir nach, was schon auf ein Haiku-Moment hindeutet.
 

xavia

Mitglied
Ohne Metaphern, gerade erlebt:

Bagger vergraben
Kommunikationskabel. –
Versteh'n wir uns jetzt?

;)
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Xavia,
"Versteh'n wir uns jetzt?" passt nicht zur Haiku-Form.
Es ist eine relativ abstrakte Frage.

Obwohl es eventuell etwas mit Kommunikationskabeln zu tun hat.

Bagger vergraben
Kommunikationskabel,
brechen ein Gasrohr.
 

xavia

Mitglied
Hallo Bernd,

verbietet denn die Haiku-Form die Anregung zur Reflektion über Beobachtetes? Deine drei Zeilen klingen gut, aber inhaltlich sind sie doch sehr banal.

Vergraben ist hier eigentlich auch eine Metapher ;)

LG Xavia.

Bagger vergraben
Kommunikationskabel:
Besseres Versteh'n.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ja, das ist es. Im Haiku wird nicht reflektiert, sondern gezeigt.
Direkt und ohne Metaphern.
(Das ist etwas vereinfacht und unvollständig.)
Haiku beinhaltet meist Naturbilder. Aus dem Haiku haben sich Senryu entwickelt, die auch gesellschaftliche Darstellungen erlauben.
 

xavia

Mitglied
Aber »vergraben« ist auch konkret. Verstehen nicht, das verstehe ich. Konkreter, aber ohne Natur. Irgendwas fehlt anscheinend immer.

Bagger vergraben
Kommunikationskabel:
Hey, hallo -- haa-lloo!
 



 
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