zusammen hängend

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Svalin

Mitglied
Ein Drahtseilakt, dem Strom zu folgen,
der sich durch dieses Dasein spannt!

Hangeln wir uns nicht stets
von einem Mast zum nächsten?
Wieder und noch weiter:
Ein Wunsch, ein Traum, ein Herz,
die Haltestellen unsrer Schwebebahnen.

Ja, wir hängen aneinander
wie viele Traubennester nachts
an stahlverstrebten Reben.
Wein nicht, in uns nur süße Schwere,
die manchmal trunken machen kann.
Du flüsterst glücklich:
"Die Erde hat uns wieder."

Schwindel ruhig!
Ich halte dich fest.
Die Erde kann warten.

_________________
 

fenestra

Mitglied
Lieber Martin,

Ein Drahtseilakt, dem Strom zu folgen,
der sich durch dieses Dasein spannt!
das ist ein wirksames Bild, zweifach zusammengesetzt aus Drahtseil und Stromleitung - beides passt wunderbar! Dann kommen noch die Schwebebahnen dazu, wieder das Bild des Seils. Und schließlich etwas Lebendiges: die Reben an den dafür gespannten Seilen. Du führst uns durch eine wie mit Spinnweben verwobene Seelenlandschaft und immer weckst du dabei neue Assoziationen.

Eins fällt mir noch auf:
Ja, wir hängen aneinander
wie viele Traubennester nachts
an stahlverstrebten Reben.
Hängen "Traubennester" (das Wort kannte ich noch gar nicht) denn besonders nachts dort? Könnte es nicht besser heißen:

Nachts hängen wir aneinander
wie viele Traubennester
an stahlverstrebten Reben.
?

Liebe Grüße von einer entfernten Schwebebahnhaltestelle
fenestra
 

Svalin

Mitglied
Hallo fenestra,

Bitte entschuldige die späte Antwort. Vielen Dank für deinen Kommentar! Das <nachts> hatte ich eigentlich nur wegen des Wortflusses an dieser Stelle platziert: für mich las es sich so besser. Wenn ich mir den Text bei Gelegenheit mal wieder vornehme, werd ich diese Stelle noch einmal in Ruhe überdenken. Vielen Dank für das drauf-aufmerksam-Machen ;)

Liebe Grüße
Martin
 
Hallo Svalin

Ich denke nur, zu viel der guten Schwere und der Brechreiz ist vorprogrammiert. Mir fehlt etwas, aber ich denke, nun gut Liebe kann man nicht beschreiben oder besser jeder empfindet sie anders. Was nicht heißen soll, dass mir deine Zeilen nicht gefallen, aber mir fehlt der Höhepunkt bei dem Ganzen.

Genau so .......................Stephanie
 

Svalin

Mitglied
Hallo Stephanie,

Vielen Dank für deine ehrlichen Worte! Den Einwand des fehlenden Höhepunkts finde ich hier sehr interessant und bedenkenswert. Meinst du, dass hier am Ende unbedingt drastischere bzw. plastischere Worte stehen sollten? Auch wenn ich selbst den Text eher als leise und verhalten wahrnehme, kann ich es gerne mal versuchen:

> Schwindel ruhig!
> Ich halte dich fest.

> Wirklich Ruhe finden
> werden wir erst
> im Abfall.


Liebe Grüße
Martin
 
S

Sandra

Gast
Hallo Svalin,

wenn man mit Effekt arbeiten will, was ich nicht für nötig halte, dann würde ich wohl nicht den Begriff "Abfall" verwenden, und evtl. mit Zeilenumbruch arbeiten. Eine Alternative:

Schwindel ruhig!
Ich halte dich fest.

Wirklich Ruhe
werden wir finden

im Fall

Etwas Schwierigkeiten bereitet mir eher dieser Abschnitt:

Ja, wir hängen aneinander
wie viele Traubennester nachts
an stahlverstrebten Reben.

Die Bilder Reben, Trauben und Stahl sind für mich nicht zu verbinden. Das Bild der Weinreben erinnert mich an die Toskana, das Stahlvernetzte Bild an Strommasten. Das an ihnen etwas hängt, dass Traubenähnlich aussieht fällt mir schwer vorzustellen.
Trotzdem, gern gelesen. Der weiche Schluss liegt mir sehr.

Gruß

Sandra
 
Hallo Svalin

Schwindel ruhig
ich halte dich fest



Und somit läßt du alles offen. Außerdem hattest du Erde schon in der Zeile davor und von daher...

Genau so........Stephanie
 

Svalin

Mitglied
Hallo Sandra und Stephanie,

Vielen Dank für eure tatkräftige Mithilfe ;) Ich hatte endlich Zeit, eure Anregungen einmal aufzugreifen und in eine Überarbeitung einzuflechten:

Ein Drahtseilakt, dem Strom zu folgen,
der sich durch dieses Dasein spannt!

Hangeln wir uns nicht stets
von einem Mast zum nächsten?
Wieder und noch weiter:
Ein Wunsch, ein Traum, ein Herz,
die Haltestellen unsrer Schwebebahnen.

Ja, wir hängen nachts
hinter Beton und aneinander
wie viele Traubennester nur
an stahlverstrebten Reben.

Wein nicht, in uns nur süße Schwere,
die manchmal trunken machen kann.
Du flüsterst glücklich:
"Die Erde hat uns wieder."

Schwindel ruhig!
Ich halte dich fest.
Wirklich Ruhe
finden wir noch
in jedem Fall.



Findet ihr, dass der Text durch die kursiven Stellen an Deutlichkeit/Schärfe gewonnen hat?

Liebe Grüße
Martin
 
S

Sandra

Gast
Wieso "hinter Beton," Svalin? Dann wieder ein "und". Hm, diese Füllwörter ringen dem Text einiges ab. M.E. ist er dafür zu schade. Die Sprache sollte wie die Aussage stark und klar sein.

Ich weiß, nichts wurde in diesem Text willkürlich eingefügt, aber es scheint manchmal so. Du versuchst die Stahlstreben mit den Trauben irgendwie zu verbinden. Dadurch entsteht ein etwas verzerrtes Bild. Warum lässt du die Trauben nicht ohne Füllwörter u. Bindeglied (ich zeichne die, die ich meine mal kursiv) als einfaches, klares u. eigenes Bild stehen, ohne den Leser mit Druck auf die Verbindung zu den Masten hinzuweisen. Jeder, der eine Verbindung sieht, wird sie auch ohne es gesagt zu bekommen, finden. Wenn nicht, bleibt das Bild als solches stehen und kann aufgenommen werden.
Der Übergang von Trauben zu "Wein nicht" ist subtil und einfach wunderbar. Deshalb lese ich dich gerne. Es ist immer wieder eine Entdeckungsreise.

Vorschlag:


Ja, wir hängen aneinander
wie [strike]viele[/strike] Traubennester [strike]nachts[/strike] an [strike]stahlverstrebten[/strike] ihren Reben.
Wein nicht, in uns nur süße Schwere, (oder schwere Süße)
die [strike]manchmal [/strike]trunken macht.
Du flüsterst glücklich:
"Die Erde hat uns wieder."

Ja, wir hängen aneinander
wie Traubennester an ihren Reben
Wein nicht, in uns nur süße Schwere
die trunken macht
Du flüsterst glücklich:
"Die Erde hat uns wieder."


Das Ende ist besser als jeder von uns erbrachte Vorschlag. Klasse! Bin begeistert.
Vielleicht noch ein Zeilenumbruch? - Ein loser Vorschlag, ich halte es nicht für unbedingt notwendig.

Schwindel ruhig!
Ich halte dich fest.
Wirklich Ruhe
finden wir [strike]noch[/strike]

in jedem Fall.


Ich hoffe, ich konnte dir helfen. Es macht Freude, sich in diesen Text hineinzudenken.
LG
Sandra
 
S

Stoffel

Gast
Hallo Svalin,

gefällt mir persönlich nicht. Was ja nix heissen soll. Und wieso nicht? Weil ich diese Gwedanken dabei habe. Siehe unten in red.

lG
Sanne

Ein Drahtseilakt, dem Strom zu folgen,
der sich durch dieses Dasein spannt!
[red]WAS "spannt" sich? Das Drahtseil oder der "Strom"? Einen "Drahtseilakt vollführt man ja eigentlich AUF einem Drahtseil. So also müsste sich ein "Drahtseil" durchs Leben spannen.[/red]

Hangeln wir uns nicht stets
von einem Mast zum nächsten?
[red]Wie oben schon. Im Falle eines "Drahtseilaktes" "hangeln" wir nicht, sondern gehen über das Seil.Mit oder ohne Schirmchen oder Balancestange[/red]

Wieder und noch weiter:
Ein Wunsch, ein Traum, ein Herz,
die Haltestellen unsrer Schwebebahnen.
[red]Mir gefällt der Wechsel zu dem neuen Bild der "Schwebebahnen" gar nicht[/red]

Ja, wir hängen aneinander
wie viele Traubennester nachts
[red]WAS sind "Trauebennester"? Klär mich auf.[/red]
an stahlverstrebten Reben.
[red]hört sich nach ner Brücke an?[/red]
Wein [red]meinst Du "weine" oder den "Wein"?[/red]nicht, in uns nur süße Schwere,
die manchmal trunken machen kann.
Du flüsterst glücklich:
"Die Erde hat uns wieder."

Schwindel ruhig!
Ich halte dich fest.
Die Erde kann warten.
[red]das hört sich für mich negativ an. So ala: "lüg ruhig weiter, ich lieb dich dennoch. Bin bei dir, halt dich, was immer du auch tust.??[/red]

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lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Martin,

der Beton ist tatsächlich erklärender, aber auch ich mag das "und" da nicht. Es kommt eine Sprache in die Figur, die aus ihr einen Wortkünstler macht, jemand der nur schöne Worte macht. Das passt mir nicht recht zu dieser Figur dort in der Strophe.

Der Schluss der ersten Version ist zu wenig treffend, es klingt wie eine Phrase, so daher gesagt. Da ist der andere Schluss zwar besser, aber zu schwer.


cu
Ralf
 

Svalin

Mitglied
Hallo Ihr alle,

Vielen Dank für die rege Beteiligung und eure umfangreichen Kommentare. Leider fehlt mir gerade ein wenig die Zeit, mich wirklich angemessen damit befassen zu können. Ich hoffe, ihr könnte mir es nachsehen.

@ Sandra: Mit den Traubennestern versuche ich wahrscheinlich vergebens ein zu bizarres Bild heraufzubeschwören, dass mir irgendwie nicht aus dem Kopf geht - was übrig bleibt, wenn man sich den Beton aus einer Großstadt wegdenken würde: Stahlreben vielleicht und vereinzelte, freischwebende Menschentrauben. Das bekomme ich nicht wirklich zu fassen. Hast du dazu vielleicht eine konkrete Idee?

Über die Füllworter werde ich mal nachdenken ;) Ich mag diese Art "sprachlicher Spachtelmasse" eigentlich ganz gern, weil sie die Fugen glättet. Was aber nichts heißen muss ...

@ Stoffel: Soweit auseinander wie du glaubst, sind wir doch eigentlich gar nicht! Immerhin meinen wir beide, dass der Mensch bei seinen Gratwanderungen stets bemüht ist, möglichst nicht in die Tiefe zu stürzen. Stellt sich nur die Frage, wie schwindelfrei die Menschen wirklich sind ;)

@ lap: > Da ist der andere Schluss zwar besser, aber zu schwer.

Zu theatralisch? Das wäre schade. Spricht denn wirklich etwas gegen eine derartige "pessimistische Verklärung" des Seins?

Liebe Grüße
Martin
 



 
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