zwanzig grad minus

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Perry

Mitglied
zwanzig grad minus


das meer erstarrt, küstenhänge schlecht rasierte wangen.
durch kahle bäume schimmert noch sommerbräune,
als wären die stämme nur drei tage alte schatten.
das postschiff pflügt eine schneise ins geschlossene weiß.
sonnenfinger, die sich glitzernd an eiskanten brechen,
öffnen den brief, der mit jeder zeile leiser davon spricht,
dass du erst im frühjahr zu mir zurückkommenst.

mit den schollen treibt mein hoffen auf die offene see.
 
Lieber Manfred,
bildreiche Sehnsucht nach einer Urlaubsliebe? Ein gelungener Text. Ich würde sogar die Zeile "küstenhänge schlecht rasierte wangen" kürzen zu "küstenhänge schlecht rasiert". Leser wollen auch ein wenig rätseln...
Herzliche Grüße
Karl
 

Perry

Mitglied
Hallo Karl,
ja das wäre natürlich eine weitere Stufe der Verdichtung, aber im Moment hänge ich noch zu sehr an den persönlichen Empfindungen, als dass ich den Text dahingehend "abstraktiere."
Ich behalte deine Anregung aber gerne im Hinterkopf.
Danke für die ""bildreiche Sehnsucht und LG
Manfred
 
M

mirami

Gast
hallo perry,

"zurückkommenst?" = kleiner tippfehler?

die "sonnenfinger, die sich glitzernd an eiskanten brechen", find ich ein besonders gelungenes bild. mit dem postschiff kann ich momentan noch nichts anfangen, aber psst! vielleicht komme ich ja noch drauf. :)

den schluß finde ich auch sehr gut. ich seh förmlich die briefschnipsel vor augen in die ferne treiben.

interessantes, schönes gedicht. es behält durchgehend die balance zwischen verschlüsselung und klarheit.

gruß
mirami

p.s. karls vorschlag solltest du überdenken. er hat was!
 

MarenS

Mitglied
Gelungen, perry! Ich sehe einen Fjord und das Postschiff, das durch die winterstarre Oberfläche pflügt. Sie hätte mit dem Schiff kommen können, ststtdessen erreicht ihn dieser Brief.
Der lange Winter liegt noch vor ihm, denn noch erkennt man Sommerbräune zwischen den Stoppeln. Welch endlose Zeit, bis sie wiederkommen wird!

Auch ich würde die Wangen weglassen wollen, w ie Karl empfahl. Ansonsten ist dein Gedicht bei mir angekommen.

Liebe Grüße von Maren
 

Perry

Mitglied
Hallo mirami,
ja die liebe Zusammenschreibung, danke für den Hinweis.
Schön, dass dir die Sehnsuchtsbilder gefallen haben.
LG
Manfred

Hallo Maren,
wenn ich die Wangen weglasse, ist außer der doch etwas vagen Sonnenbräune, kein Bezug mehr zum Gesicht des LI vorhanden und es stellt sich die Frage, warum sollten Küstenhänge schlecht rasiert sein. Nach dem nun aber schon drei Vetos vorliegen, werde ich mich wohl durchringen sie wegzulassen.
Freut mich, dass die wehmütige Stimmung bei dir so gut angekommen ist.
Danke und LG
Manfred
 

Perry

Mitglied
zwanzig grad minus


erstarrtes meer, die küstenhänge schlecht rasiert.
durch kahle bäume schimmert noch sommerbräune,
als wären die stämme nur drei tage alte schatten.
das postschiff pflügt eine schneise ins geschlossene weiß.
sonnenfinger, die sich glitzernd an eiskanten brechen,
öffnen den brief, der mit jeder zeile leiser davon spricht,
dass du erst im frühjahr zu mir zurückkommst.

mit den schollen treibt mein hoffen auf die offene see.
 

revilo

Mitglied
Hallo Perry,
eiskalt formuliert. So plastisch, daß ich mir beim Lesen fast den Arsch abfriere.Den letzten Satz würde ich weglassen. Er wirkt überzogen und nimmt dem Gedicht die Spannung. Ansonsten klasse.Ein typischer Perry. Warm und geheimnisvoll.....LG revilo
 

Perry

Mitglied
Hallo revilo,
danke für den "echten Perry."
Es sind natürlich nur gefühlte minus zwanzig Grad, aber das ist für eine sehnsuchtsvolles Herz schon ziemlich kalt (lächel).
Ihr stellt mich mal wieder schwere Entscheidungen mit eueren Vorschlägen. Vorerst lasse ich die Schollen mal aufs Meer hinaustreiben, vielleicht erreicht ja eine die Küste der Geliebten.
LG
Manfred
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Manfred!

Ich lese deine Gedichte ja nun schon ein paar Jährchen und ich freue mich immer, wenn ich einen neuen "Perry" sehe.
Allerdings hängt die Messlatte inzwischen relativ hoch, bist du aber selbst schuld, schreib nicht immer so klasse Sachen.

Jetzt zu diesem Gedicht:

Bis hierhin ist die Sache grandios, sowohl was die Sprache wie auch die Metaphern angeht:

erstarrtes meer, die küstenhänge schlecht rasiert.
durch kahle bäume schimmert noch sommerbräune,
als wären die stämme nur drei tage alte schatten.
das postschiff pflügt eine schneise ins geschlossene weiß.
sonnenfinger, die sich glitzernd an eiskanten brechen,
Dann lässt es m.E. etwas nach, weil man schon ahnt, was wohl im Brief stehen wird.

Knapp unter der Latte durch, aber trotzdem gerne gelesen!

Liebe Grüße
Manfred
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Manfred,

so wie der Text jetzt da steht, würde ich ihn belassen.

Die zwanzig Grad minus beziehen sich ja auch auf das Lyri, das diesen enttäuschenden Brief erhält. Bliebe der Brief unerwähnt, könnte man sich den Inhalt des Textes nicht so recht erklären. Auch dass das Lyri über seine Empfindung spricht zum Schluss, erscheint mir nicht überflüssig. Warum sollte es nicht in Erscheinung treten?

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Perry

Mitglied
Hallo Franke,
schön, dass du eine positive Entwicklung in meinem Schreiben siehst. Natürlich kann nicht jeder Text alle Erwartungen erfüllen und wenn man nichts mehr verbessern kann, sollte man aufhören. Ich versuche immer wieder einen neuen Anlauf (lächel).
LG
Manfred

Hallo Vera-Lena,
wenn ein Text keine persönlichen Empfindungen transportiert, dann enthält er auch kein Leben. Hier die richtige Balance zu finden ist vermutlich das Schwierigste am Schreiben.
Danke für dein Empfinden und LG
Perry
 



 
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