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M

margot

Gast
ich beobachtete die kinder auf ihrer
entdeckungsreise im zugabteil
sie waren gerade dabei die sprache für ihre fragen
zu finden
die eltern waren weit davon entfernt
sie erklärten, vertuschten unsicherheiten
sie redeten über ihre kinder wie von topfpflanzen
und verglichen deren
entwicklungsstadien
ich nahm einen schluck aus meiner pulle
und meditierte
während der bummelzug von bahnhof zu
bahnhof ruckte
was trieb die menschen an?
warum erfüllten sie wie selbstverständlich
den plan?
ich sah, sie waren stolz auf ihre kinder
aber auch sichtlich genervt
alles würde sich wiederholen
dieselben fragen, dieselben antworten
dieselben scheinheiligkeiten
die zellen organisierten sich zu organen und
gliedmaßen
alles wanderte an seinen vorbestimmten platz
jammern und schreien machte keinen sinn
gärten, wiesen, wälder, häuser
menschenfiguren, fabriken
segelten
sonnendurchflutet vorbei
es erschien alles dermaßen leicht und
schwer zugleich
die kinder hatten ihre freude an dem
automatismus der türen
jedes wollte den knopf drücken
nächster halt bensheim
die familien verabschiedeten sich
mit sack und pack
auf dem bahnsteig sah ich sie in ihre
welt entschwinden
die türen schlossen sich
kurz ruckte es, dann setzte der zug
seine fahrt fort
die pulle war leer, ich griff mir die nächste
auch ich hatte meinen bestimmungsort
 

Schakim

Mitglied
der stille Beobachter

Hi, margot!

Siehst Du, für solche Dinge bleibt Dir genügend Ruhe, um über so eine Sitution im Zugsabteil ein paar Gedanken in den Raum fliessen zu lassen. Die Eltern, die dabei oftmals sogar durch ihren Nachwuchs genervt sind, lächeln vielleicht zwanzig Jahre später über genau dieselbe Situation wieder, wenn sie ihre Kinder mit den Enkeln unterwegs begleiten und ähnliche Vorfälle vorkommen... In der Zeit, wo sie selber die "Aufsichtspflicht" über ihre "jungen Erbsen" haben, finden sie gar nicht die Musse dafür. Schon alleine dieses Knopfdrücken und immer wieder loslassen, kann doch schon elend nerven... Spätestens dann, wenn es unverständige Mitreisende hat, die diesem Spiel absolut kein freundliches Auge schenken wollen! Dir ist der Text prima geglückt, nämlich wieder mal so eine Alltagssituation, die sonst keiner für bemerkenswert hält, ins Licht zu rücken!

Sonnige Grüsse!
Schakim
 

sekers

Mitglied
Hallo margot,
der Text ist wieder etwas vom Feinen. Es macht mir beim Lesen Spaß, wenn Deine Bilder und Reflexionen wie in einem Kaleidoskop ineinander übergehen, und doch ein konkretes Ganzes ergeben.
Nicht ganz stimmig ist für mich der Teil über die Eltern, mir berücksichtigt er ein bißchen zuwenig die naja nennen wir es Eltern-Liebe, ich mein jetzt nicht das Stolz-auf-die-Kinder-sein, sondern der bedingungslose Teil der Eltern-Kind Beziehung. Da scheint mir der Erzähler im Text nicht reflektierend, sondern voreingenommen.
Liebe Grüße
G.
 
M

margot

Gast
hallo, ihr beiden, danke für eure antworten auf meinen
text.
die eltern-kind beziehung war eigentlich nicht das
hauptthema - sondern die verschiedenen "bestimmungsorte"
verschiedener menschen. da sind die einen, die wie
selbstverständlich den plan erfüllen, und da ist
der beobachter mit seiner pulle ...
natürlich ist der voreingenommen, sekers, vielleicht
sogar ein wenig neidisch, und so beäugt er die eltern
relativ kritisch. für ihn ist das eine fremde welt.
er beobachtet und sinniert über die universellen
zusammenhänge des weltgeflechts. er fragt sich,
warum sich diese menschen jene last aufbürden.
warum muß sich immer alles durch die generationen wiederholen, schakim?

beste grüße
ralph
 

Schakim

Mitglied
banale Antwort

Das ist das Leben!
Warum muss sich immer wieder alles wiederholen, kann man sich auch bei den Kriegen fragen...
Weisst Du darauf eine gescheite Antwort? - Auch hier, das ist das Leben... Dummerweise ist der Mensch ein rabiates Tier, das sein Territorium mit aller Gewalt einnehmen will unter Ausschaltung des ihm ureigen angeborenen Verstandes...

LG
Schakim
 
M

margot

Gast
schakim, die einzige antwort, die mir spontan einfällt,
ist "dummheit". die grassiert noch in vielen anderen
lebensbereichen. klar, das leben ist an sich dumm
- es funktioniert wie eine rechenmaschine in evolutionären,
arterhaltenden kategorien, und es denkt dabei nicht
in ethischen dimensionen. der mensch dagegen besitzt
diese fähigkeit, seine taten unter moralischen und
kulturellen gesichtspunkten zu reflektieren.
niemand ist gezwungen, sich auf biegen und brechen
in einer überbevölkerten welt fortzupflanzen, nur um
den kriegsfürsten neues menschenmaterial vor die
füße zu werfen, den hunger in der welt zu vergrößern und
weiter die resourcen zu verschleudern. mehr menschen
bedeuten immer auch mehr leid, mehr ansprüche auf leben
und wohlstand. das ist ein teufelskreis. oft ist
weniger mehr. ich kann diesen "kinderwunsch" nicht
nachvollziehen. er ist irrational und dumm. du mußt
immer bedenken, daß du durch die zeugung verantwortlich
für einen neuen beseelten menschen bist. der will
vielleicht gar nicht in diese welt geboren werden.
für mich ist diese wiederholungsmasche geburt-tod
ziemlich engsichtig und egoistisch von den menschen
gedacht.
ich bin heilfroh, daß ich, da ich nun mal da bin, nur
verantwortung für mein eigenes (über)leben trage.
natürlich ist da auch noch die soziale verantwortung
gegenüber meinen eltern. das reicht mir vollständig.
bevor ich für eigene kinder sorge, würde ich mich
um die vielen kinder kümmern, die von ihren eltern
verstoßen wurden oder gar keine eltern mehr haben.

grüßchen
ralph
 
M

margot

Gast
zumindest fragte mich niemand, ob ich will, schakim.
warum nehmen sich die menschen immer so wichtig?
ohne uns wäre es für andere kreaturen auf der erde
ein wahres paradies. wir dämlichen holzköpfe schaffen
es, die erde binnen weniger jahrhunderte zu entvölkern.
ich schrieb einmal ein gedicht, das hieß:
"die menschbombe".
ich kann dir die frage ganz genau beantworten:
mir wäre am liebsten, wir alle wären überhaupt nicht da. jedenfalls nicht als die menschen, die wir sind. die welt ist mir zu übervoll mit menschlichem hochmuth, krieg, verbrechen, und rücksichtsloser bereicherung.
vielleicht könnte man sich einen "besseren menschen"
vorstellen - dann wäre ich gerne hier. probleme gäbe
es trotzdem noch genug, die zu lösen wären. eine welt
ohne krieg und gewalt muß nicht langweiliger sein.
ich denke - im gegenteile. mich jedenfalls langweilt
dieser ewige kreislauf um machtpositionen, vorherr-
schaften und diese dummen fragen: wer ist der schönste,
wer ist der beste, der schlauste und größte? -

gut - nun sind wir schon mal da. wie wir eben sind.
müssen wir darum aber unseren hirnkasten abschalten?

gruß
ralph
 

Schakim

Mitglied
hirnkasten

Oberoriginelle Idee, das Hirn so zu benennen! Dein Hirnkasten funktioniert doch tadellos - gratuliere! Manchmal überbordet er vielleicht ein bisschen, aber bei wem ist das nicht auch so?!

Also, wünsch dir was Schönes für den heutigen Tag!
Schakim
 

sekers

Mitglied
wie mach ich mich verständlich?

natürlich ist der voreingenommen, sekers, vielleicht
sogar ein wenig neidisch, und so beäugt er die eltern
relativ kritisch.
es geht mir nicht darum, daß er die Eltern kritisch beäugt, aber im Text werden kinder und mann mit pulle ohne Leidenschaft aber mit positiver Grundhaltung beschrieben und die eltern kommen halt für mich nur negativ rüber. Und deswegen erscheint mir der text nicht ganz stimmig, weil stimmig wär er für mich, wenn es eine komplett leidenschaftslose Beobachtung wäre.
Hoffe ich habe mich unklar genug ausgedrückt
G
 
M

margot

Gast
kann ich nicht so sehen, sekers. der mann mit der
pulle steht als beobachter jenseits von gut und
böse - er selbst ist nichts als ein großes kind.
kinder sind perse über alle vorurteile erhaben,
denn sie können noch keine schuld auf sich laden.
den eltern allerdings mache ich den vorwurf, daß
sie ihren plan erfüllten, sich zu eltern machten,
neue menschenseelen der welt auslieferten - und
dabei noch dämliches zeug rumsülzen (siehe auch
diskussion mit schakim). der beobachter versucht
sogar symathie für die eltern zu empfinden. zwischen-
durch flackert sowas wie verständnis für ihre
situation auf. aber dann überwältigt ihn letzlich
der mief ihrer spießigkeit und ihres kleinkrämerischen
lebens.

danke schakim, ich hoffe, ich schwängere heute niemand.

grüßle
ralph
 

sekers

Mitglied
jetzt hab ich's

ich versteh' Dich eh, glaub ich, und persönlich sehe die Dinge ähnlich wie der Beobachter. Aber für mich sind Eltern halt auch, wie alle anderen kinderlosen Erwachsenen, in Teilbereichen, große Kinder.
Seh ich da in Schakim den nächsten Spezialisten für psychiatrische Krankheitsbilder (neues Syndrom "Hirnkasten, der überbordet")?
Super, wenn dem so ist. Da kann ich mir ja bald meinen Psychotherapeuten sparen.
G.
 
M

margot

Gast
schöne erkenntnis, daß wir alle große kinder sind.
dummerweise können wir uns fortpflanzen und ziemlich
viel mist anstellen.
da bleibe ich doch lieber kinderlos - und mache erst gar
nicht so, als wäre ich wunders wie erwachsen.
(oh, er kann schon "muh" sagen - wie intelligent er ist!)
tut mir leid, wenn ich solcherart unterhaltungen lausche,
kriege ich die krise.

ralph
 

Schakim

Mitglied
Kinder oder keine...

Hallo ihr Halbphilosophen (Entschuldige mich bei denen, die etwas mehr sind - also Dreiviertelphilosophen!)!

Was man nicht hat, das hätte man gerne... Was man nicht kennt, würde man vielleicht gerne... Es ist doch wie immer dieses Hin- und Hergerissensein von den Seiten, die man nicht kennt oder nicht hat... Über Elternschaft kann man heute bewusst sich dafür oder dagegen entscheiden... Trotzdem sind viele Leute, die noch im fortpflanzungsfähigen Alter sind und sich dagegen entschieden haben manchmal "neidisch" auf diejenigen, die sich dafür entschieden haben... Wenn Du das nun leugnest, lieber margot, und das wirst Du tun, dann verleugnest Du Deinen sogenannten "Selbsterhaltungstrieb"... Damit meine ich, dass es vermutlich auch bei Dir Momente gibt (ich vermute nur!), wo Du vielleicht wenigstens im Geheimen denkst, wie wäre es, hätte ich auch so ein kleines "margotchen" neben mir herlaufen... Man muss dazu kein Kindernarr sein, doch in meinem Umfeld sehe ich dieses Phänomen bei den Kinderlosen sehr wohl... Entschuldige, wenn ich Dir hier etwas unterstelle... Der nächste Schritt ist dann eine Erziehungsangelegenheit der Eltern und der Leute, bei denen Kinder ihren Nährboden beziehen, d.h. sie werden nebst Genen auch durch ihre Umwelt geformt und geprägt. Dass Kriegssituationen andere Gegebenheiten darstellen als ein Land, das vom Frieden getragen wird ist klar. Nur niemand wünscht sich, dass Kinder den Krieg erleben müssen. Dass viele Kinder ungewollt und ungewünscht - auch heute noch - geboren werden ist auch klar... Das alles zu erläutern würde den Rahmen hier sprengen...
Ich möchte eigentlich nur darauf aufmerksam machen, dass eine Welt ohne Kinder eine arme Welt wäre, genauso wie sie es ohne alte Leute wäre. Denn gerade durch diese Vielschichtigkeit von Generationen ist es doch auch spannend durchs Leben zu spazieren. Immerhin haben die jungen Leute die Möglichkeit "Weltverbesserer" zu werden, indem sie alles hinterfragen... und versuchen es besser zu machen, als das was ihnen vorgelebt wurde!

Es wird immer wieder solche Situationen in Zugsabteilen geben, wo der stille Beobachter die Augenblicke geniesst, nur der stille Zuschauer einer spannenden Handlung zu sein, aus der er ausgeschlossen ist. Es wird auch immer wieder solche Situationen geben in Zugsabteilen, wo der stille Beobachter vielleicht genervt das Abteil wechselt oder er beachtet die Situation überhaupt nicht und widmet sich einer Lektüre wie Zeitung oder einem spannenden Buch. Hinterher trennen sich die Wege. Jeder geht seinem eigenen Ziel entgegen... Dasselbe passiert doch heute auch in jedem Strassencafe oder überhaupt irgendwo, auf dem Fussballplatz, Spielplatz, Theater - egal... Man muss aber "Beobachter" sein können und sensibilisiert und neugierig und fähig, sich dazu Gedanken machen zu können! Kann sie einer noch aufschreiben, wie Du margot, spannend formulieren, dann haben auch andere ihre Freude daran! Das ist jetzt unabhängig von einer "Kinderfrage"!

Und hiermit halte ich die Klappe und wünsche euch einen angenehmen philosophischen Tag!

Schakim
 

Schakim

Mitglied
nur ein Zwölftel

Danke, margot, deshalb werde ich wieder knapper in der Wortwahl werden! Du hast da mehr Trümpfe in der Hand als ich. Ich lüfte Dir meinen zerlöcherten und ausgefransten Hut und mache winke, winke!
Schakim
 
M

margot

Gast
ich schätze, du bist bei kreuzworträtseln gut aufgehoben.

tschüß
ralph
 



 
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