Muttermal

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Ralf Langer

Mitglied
Muttermal

Ich kann nicht erinnern
womit das Vergessen begann:
der Tag, jene Stunde so fern
im Versunkenen; wann
der Tau dir ganz langsam
zum Grunde des Kelches rann.

Vergessen – der Rose Sinn,
all die Kelche, die blühten,
zeitigten nur den Beginn
des Herbstes – ein Wüten
in Völle zum Gewesenen hin.

Was mir aber geblieben,
- ist dunkel, ist groß:
zum Rand hin getrieben
schau ich aufs Blatt – unbeschrieben
steht da: Die Mutter, der Schoß.
 

Perry

Mitglied
Hallo Ralf,

der Text zeigt sich im ersten Anlauf etwas sperrig.
Verdichtungen wie
"Ich kann nicht erinnern" -> da scheint ein "mich" zu fehlen.
oder Formulierungen wie
"wann
der Tau dir ganz langsam
zum Grunde des Kelches rann." -> da scheint das "dir" entbehrlich zu sein.
Der Schluss scheint den Bogen zum Titel zu schließen, wobei fraglich bleibt, warum das Muttermal auf einem Blatt und nicht auf der Haut zu finden ist.
Vielleicht liegt die Lösung ja in einer etwas offeneren Lesart, die einfach die Liebe zur Mutter umschreibt.

LG
Manfred
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo perry, hallo kara
danke für eure meldungen.
über das personalpronomen werde ich noch einmal gründlich nachdenken.

das muttermal ist mehr ein bild: das mal ist eher ein denk-mal

an das was layrich ins leben brachte auch wenn die mutter alt und verwirrt ist

lg
ralf
 

poetix

Mitglied
Hallo Ralf,
dein Gedicht gefällt mir: die Erinnerung an die Mutter, die Male, die sie in uns hinterlassen hat. Das geht ganz tief. Ich muss zugeben, dass auch ich nicht alle Metaphern verstanden habe. Da ist dieses
der Tau dir ganz langsam
zum Grunde des Kelches rann.
Bin mir nicht sicher, das richtig zu verstehen, aber wenn ich raten soll, würde ich denken, es geht um die Opfer, die die Mutter für das lyrische Ich gebracht hat. Insgesamt gelungen.
Viele Grüße
Christoph
 
O

orlando

Gast
Hallo Ralf,
ein unglaublich lyrisches Gedicht, insbesondere für einen kühlen Philosophen. ;)
Hach, der Tau und das Wüten des Herbstes zum Gewesenen hin - das klingt schon großartig.
Ein Text über die Sinnsuche und ihre Vergeblichkeit, denn im Kreislauf der Dinge gibt es nicht Anfang noch Ende.
Nur das (kollektive) Erinnern. Bruchstückhaft.

Klanglich und inhaltlich könntest du m. E. ein Wort entbehren ("aber"):
So läge die Betonung stark auf "Was."

Übrigens: Ein sehr schöner Titel.
Ein Muttermal ist ja gleichzeitig Denk-Mal und Makel - ein unauslöschliches Zeichen.
Muttermal

Ich kann nicht erinnern
womit das Vergessen begann:
der Tag, jene Stunde so fern
im Versunkenen; wann
der Tau dir ganz langsam
zum Grunde des Kelches rann.

Vergessen – der Rose Sinn,
all die Kelche, die blühten,
zeitigten nur den Beginn
des Herbstes – ein Wüten
in Völle zum Gewesenen hin.

Was mir [strike]aber[/strike] geblieben,
- ist dunkel, ist groß:
zum Rand hin getrieben
schau ich aufs Blatt – unbeschrieben
steht da: Die Mutter, der Schoß.
orlando
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo orlando,

dank für deine ausführungen. wenn ich so sagen darf bin ich mit der phonetik dieses gedichtes sehr zufrieden.
die von dir angemahnte stelle - da werde ich noch einmal nachdenken.

ein bischen schmerzen hatte ich mit:
Vergessen der rose sinn

diese genetive form - eher etwas altertümlich will mir nicht so ganz schmecken. aber vielleicht seh ich das ein wenig zu argwöhnisch.

ach ja und zweimal dank; einmal für den "philosophen" und einmal
für das 2unglaublich lyrische"

lg
ralf
 

Ralf Langer

Mitglied
Muttermal

Ich kann nicht erinnern
womit das Vergessen begann:
der Tag, jene Stunde so fern
im Versunkenen; wann
der Tau dir ganz langsam
zum Grunde des Kelches rann.

Vergessen – der Rose Sinn,
all die Kelche, die blühten,
zeitigten nur den Beginn
des Herbstes – ein Wüten
in Völle zum Gewesenen hin.

Was mir geblieben,
- ist dunkel, ist groß:
zum Rand hin getrieben
schau ich aufs Blatt – unbeschrieben
steht da: Die Mutter, der Schoß.
 



 
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