nach rot

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ich pflanz mein lächeln in dein trübes gelb
dein großstadtgrauverwaschnes leuchten
kämpft mit dem wind an häuserecken
flattert im sog des straßenbahngeläuts

gelbphase an der ampel

da weiß keiner so recht
was geht wo's hakt
wer warten sollte
und worauf

ich flechte meine finger in dein grün
unter den staubgebleichten krusten
sind wir noch immer humussatt geerdet
nur eine ampelphase noch ein hupen

die schwelle übertreten

dann weißt du auf einmal
was geht wo's hakt
worauf wir nicht mehr
warten sollten

im prater
blüh'n endlich
die bäume






.mai_2024
 
Zuletzt bearbeitet:

Zensis

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Hey fee,
dieses Gedicht hat bei mir sehr lange gebraucht, bis ich es ein wenig entschlüsseln konnte für mich. Doch ein wirklich klares Bild, habe ich immer noch nicht, wenn ich ehrlich bin. Wahrscheinlich ging es da vielen anderen ähnlich, weshalb es unterging.
Was schade ist, denn die Dinge, die ich irgendwie verknüpften konnte, gefallen mir sehr gut.
Ich lese es als ein Kennenlernen in der Großstadt, wo alle im ständigen Stress sind, in der "Gelbphase an der Ampel" . Diese "Gelbphase an der Ampel" empfinde ich übrigens als ein sehr starkes Bild. Es kann für den andauernden Stress stehen, für Hektik, für Unentschlossenheit, soll man fahren? Soll man anhalten? Und bestimmt noch Weiteres. Gleichzeitig passt es auch perfekt in das Bild der Großstadt, mit großem Verkehr und vielen gestressten Menschen.

Die Unentschlossenheit lese ich auch in der dritten Strophe, hier noch verknüpft mit Ratlosigkeit, wer nun wie weiter verfahren soll.
In der vierten Strophe erkenne ich dann den Durchbruch, durch die Oberflächlichkeit, die keinen Nährboden für zu bieten schien für Wachstum — welcher Art auch immer — die "staubgebleichten Krusten". Ausgelöst durch das festhalten an eine Hoffnung, ein "Grün", wird erkannt das sich doch mehr unter der Fassade versteckt, als angenommen.
Nachfolgend herrscht Klarheit: die Schwelle von oberflächlichem Kennenlernen in der Großstadt, zu einer tieferen Bekanntschaft, wurde überschritten.
Zusammenfassen könnte man das Gedicht, nach meinem Interpretationsansatz, also damit, dass manchmal auch bei Menschen nach rot grün folgt.

Gern gelesen und den Kopf zerbrochen :)

Liebe Grüße
Zensis
 

Zensis

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ich pflanz mein lächeln in dein trübes gelb
dein großstadtgrauverwaschnes leuchten
kämpft mit dem wind an häuserecken
flattert im sog des straßenbahngeläuts
PS: Die erste Strophe möchte ich nochmal hervorheben, diese finde ich wirklich außerordentlich gelungen! Großes Kompliment!
 

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dieses Gedicht hat bei mir sehr lange gebraucht, bis ich es ein wenig entschlüsseln konnte für mich. Doch ein wirklich klares Bild, habe ich immer noch nicht, wenn ich ehrlich bin. Wahrscheinlich ging es da vielen anderen ähnlich, weshalb es unterging.
Umso schöner, dass du dir die Zeit genommen (und gelassen) hast, zu entschlüsseln, was der Text für dich hergibt, lieber Zensis!

Ganz klar werden doch in vielen guten Gedichten die Bilder nicht. Und hier hast du doch mit

Ich lese es als ein Kennenlernen in der Großstadt, wo alle im ständigen Stress sind, in der "Gelbphase an der Ampel" . Diese "Gelbphase an der Ampel" empfinde ich übrigens als ein sehr starkes Bild. Es kann für den andauernden Stress stehen, für Hektik, für Unentschlossenheit, soll man fahren? Soll man anhalten? Und bestimmt noch Weiteres. Gleichzeitig passt es auch perfekt in das Bild der Großstadt, mit großem Verkehr und vielen gestressten Menschen.

Die Unentschlossenheit lese ich auch in der dritten Strophe, hier noch verknüpft mit Ratlosigkeit, wer nun wie weiter verfahren soll.
In der vierten Strophe erkenne ich dann den Durchbruch, durch die Oberflächlichkeit, die keinen Nährboden für zu bieten schien für Wachstum — welcher Art auch immer — die "staubgebleichten Krusten". Ausgelöst durch das festhalten an eine Hoffnung, ein "Grün", wird erkannt das sich doch mehr unter der Fassade versteckt, als angenommen.
Nachfolgend herrscht Klarheit: die Schwelle von oberflächlichem Kennenlernen in der Großstadt, zu einer tieferen Bekanntschaft, wurde überschritten.
alles so punktgenau wie eben möglich er-lesen. Das finde ich schön!
Und deine Lieblingsstrophe ist auch meine ;)

"Kennenlernen" oder generell Beziehung in (und mit) der Großstadt - darum ging es mir. Darum, was die Großstadt mit der beinahe permanenten Überforderung (oder dem Tempo und Druck, den sie aufgrund ihrer "Natur" und der damit einhergehenden Lebensweise, generiert) mit den Menschen darin anstellt, wenn sie nicht ausreichend auf sich achten und in der gelben Ampelphase steckenbleiben. Mit "Unentschlossenheit" bist du da nah dran...es ist nicht die bewusste Unentschlossenheit, die ich zu zeichnen versucht habe...eher eben dieses Gefühl an der gelben Ampel...es hakt etwas, anderes drängt, jeder will vorwärts...aber man weiß nicht mehr so genau, warum und wohin.

Aber wenn ein Außen - in dem Fall eine andere Person - diese Phase unterbrechen kann, kann man entdecken, dass auch in der Großstadt viel Grün zu entdecken und zu hegen ist. Es wird nur leichter zugedeckt vom Staub. Man trägt seine Oasen - im Gedicht steht dafür der Wiener Prater mit seinem ausladenden Grün im Herzen der Stadt - in sich. Ein Außenstehender kann sie oft nur besser erkennen, wegen des distanzierteren Blicks.

Die Ampelphasen im Innen und im Außen eben. Und die Notwendigkeit, in der Großstadt nicht zu vereinsamen.

Ich danke dir fürs Zeit-Nehmen und sorgfältige Lesen und Darauf-Einlassen!!!!!

Herzliche Grüße,
fee
 

Zensis

Mitglied
Umso schöner, dass du dir die Zeit genommen (und gelassen) hast, zu entschlüsseln, was der Text für dich hergibt, lieber Zensis!

Ganz klar werden doch in vielen guten Gedichten die Bilder nicht. Und hier hast du doch mit



alles so punktgenau wie eben möglich er-lesen. Das finde ich schön!
Und deine Lieblingsstrophe ist auch meine ;)

"Kennenlernen" oder generell Beziehung in (und mit) der Großstadt - darum ging es mir. Darum, was die Großstadt mit der beinahe permanenten Überforderung (oder dem Tempo und Druck, den sie aufgrund ihrer "Natur" und der damit einhergehenden Lebensweise, generiert) mit den Menschen darin anstellt, wenn sie nicht ausreichend auf sich achten und in der gelben Ampelphase steckenbleiben. Mit "Unentschlossenheit" bist du da nah dran...es ist nicht die bewusste Unentschlossenheit, die ich zu zeichnen versucht habe...eher eben dieses Gefühl an der gelben Ampel...es hakt etwas, anderes drängt, jeder will vorwärts...aber man weiß nicht mehr so genau, warum und wohin.

Aber wenn ein Außen - in dem Fall eine andere Person - diese Phase unterbrechen kann, kann man entdecken, dass auch in der Großstadt viel Grün zu entdecken und zu hegen ist. Es wird nur leichter zugedeckt vom Staub. Man trägt seine Oasen - im Gedicht steht dafür der Wiener Prater mit seinem ausladenden Grün im Herzen der Stadt - in sich. Ein Außenstehender kann sie oft nur besser erkennen, wegen des distanzierteren Blicks.

Die Ampelphasen im Innen und im Außen eben. Und die Notwendigkeit, in der Großstadt nicht zu vereinsamen.

Ich danke dir fürs Zeit-Nehmen und sorgfältige Lesen und Darauf-Einlassen!!!!!

Herzliche Grüße,
fee
Ohh, ich danke dir vielmals, für das Teilen deiner Gedanken zum Gedicht. Jetzt ergibt Vieles noch einmal mehr Sinn als zuvor und formt sich so für mich, zu einem sehr gelungenen Gesamtbild. Der Aspekt, der Beziehung mit der Großstadt, war mir ja völlig entgangen, gefällt mir aber auch.

Ich danke dir fürs Zeit-Nehmen und sorgfältige Lesen und Darauf-Einlassen!!!!!
Sehr gerne :)
Ich finde es allgemein wichtig, nicht von jedem Text zu erwarten, dass er einem direkt entgegen springt, mit dem was er sagen möchte, bzw. sich selbst die Zeit dafür zu lassen, dass sich einem ein Text entfaltet. Hastet man nur so von Text zu Text, kann einem viel schönes entgehen. Sicherlich gibt es auch genug Werke, bei welchen sich das wenig lohnt, da kommt es eben aufs Gefühl an. Zur schnellen Unterhaltung sollte Lyrik allenfalls besser nicht mutieren.

Liebe Grüße
Zensis

PS: Da ich derzeit ebenfalls in Wien lebe, ist mir der Prater sogar bekannt. Definitiv ein sehr schönes grünes Herz, welches die Stadt da hat.
 

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Ich finde es allgemein wichtig, nicht von jedem Text zu erwarten, dass er einem direkt entgegen springt, mit dem was er sagen möchte, bzw. sich selbst die Zeit dafür zu lassen, dass sich einem ein Text entfaltet. Hastet man nur so von Text zu Text, kann einem viel schönes entgehen.
Seh ich auch so. ;)

Da ich derzeit ebenfalls in Wien lebe, ist mir der Prater sogar bekannt. Definitiv ein sehr schönes grünes Herz, welches die Stadt da hat.
Oh, wie nett! Wien ist wirklich eine Stadt mit viel Grün. Der Augarten, der Donaukanal, die Donauinsel, der Wienerwald, die ganzen Heurigen-Viertel, der Prater...eine wirklich lebenswerte Stadt (wenn man die Wiener mit ihrem rauen Charme erst mal als die herzlichen Menschen durchschaut hat, die sie sein können ;) ).

Liebe Grüße,
fee
 

wiesner

Mitglied
Ein Großstadtgedicht besonderer Prägung, Deiner Prägung, liebe Claudia! Selbstverständlich sind die Themen Regulieren, Orientieren und Einsamkeit darin enthalten. Ganz merkwürdig, wie substantiell der einfache Schluss wirkt ...

Beste Grüße
Béla
 

revilo

Mitglied
Seh ich auch so. ;)



Oh, wie nett! Wien ist wirklich eine Stadt mit viel Grün. Der Augarten, der Donaukanal, die Donauinsel, der Wienerwald, die ganzen Heurigen-Viertel, der Prater...eine wirklich lebenswerte Stadt (wenn man die Wiener mit ihrem rauen Charme erst mal als die herzlichen Menschen durchschaut hat, die sie sein können ;) ).

Liebe Grüße,
fee
ca 1 Zugstunde von deiner Heimat entfernt liegt Bratislava……. das solltest du dir nicht entgehen lassen…….LG
 

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Ein Großstadtgedicht besonderer Prägung, Deiner Prägung, liebe Claudia! Selbstverständlich sind die Themen Regulieren, Orientieren und Einsamkeit darin enthalten.
Danke, lieber Béla!

Ich freue mich sehr, dass du das so wahrnimmst und goutierst. Und danke für diese spannende Rückmeldung:
Ganz merkwürdig, wie substantiell der einfache Schluss wirkt ...
Ja, schon, oder? Der ist mir irgendwie so hintendrangehüpft auf meiner Suche nach der Verankerung in einem konkreten Setting und nach etwas, worauf man nicht länger warten sollte. Wenn man den hektischen, fünfspurigen Kreisverkehr am Praterstern kennt, wo es nur so "Großstadt!" brüllt und den man als Fußgänger aus der Stadt kommend noch bezwingen muss, dann ist das Ankommen im grünen Teil des Praters umso stärker als Kontrast.
Aber auch ohne dieses exakte Bild funktioniert der Schluss offensichtlich gut, weil er die konkrete Ebene einführt.

Danke auch für die großzügige Besternung!

Herzliche Grüße,
Claudia
 



 
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