Sag mir, was ich falsch mache

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Rachel

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Sag mir, was ich falsch mache

„Wegen Jolie hab ich mich monatelang krumm gemacht. Hatte sogar was wie Traumfrau im Kopf. Bin ja eher der Realist, kennst mich ja, ich idealisiere nicht, und trotzdem, wenn denn, dann bei Jolie. Hörte einem nicht unbedingt zu, rief einen aber auch nicht ständig an. Eigentlich, nein, weiß nicht, was mir an ihr gefiel. Sie war nichts Prominentes, obwohl … man hätte mich beneidet mit ihr. Trotzdem nichts an ihr, nichts, was einen radikal umgeworfen hätte. Sie war normal. War okay. Hatte die Vorstellung, dass sie mir zuhört, dass sie mich anruft, verstehst du? Ich wollte, dass sie mich anruft, mal eine, die mich will.

Hab sie nicht bedrängt, hab mich nicht getraut. Sollte ja nicht wieder schiefgehen. Und dann ging's doch wieder schief. Mach ich was falsch? Sag mir, was ich falsch mache. Bin ich abstoßend, oder was? Ich, die Dreißig, und noch keine gehabt.

Ihren Namen hab ich vergessen, aber nicht lange her, da hab ich mich für eine richtig in Schale geworfen, Theaterkarten besorgt, teures Restaurant, alles bezahlt, den ganzen Abend springen lassen. Und? Mach ich was falsch? Was siehst mich an? Zählt nicht? Bei meinem Gehalt? 200 Euro Jeans, die polierten Stiefel von Fucci, die Karten in der besten Reihe, Einzeltisch, dickes Trinkgeld und dann ein bisschen zu mir … - zu viel verlangt? Ich meine, mal unter uns, bin ja kein reicher Stinker und die Nutten wollen auch nur dein Geld.

Also hab ich mich benommen. Unsere Mutter hätte mich nicht wiedererkannt. Alles gemacht, die große Pauke, damit es hinterher nicht wieder heißt: Du benimmst dich wie ein Schwein. Nur weil ich, sorry, ins Handy rülpste. Kann passieren. Ja, ist nicht nett. Gut, weiß ich das auch.

Hab mich also benommen. Den ganzen Abend den Pinkel in die Klamotten gesetzt. Wollte ja nur sagen, dass ich mich benommen hab. Nicht zu viel getrunken. Und wieder nix.

Hab ich auch Jolie erzählt, ehrlich. Jolie musste man nicht einladen, die hat selber bezahlt. Scheißleben. Was ist? Siehst mich blöd an. Siehst mich an wie Jolie zuletzt. Wie ne alte verzogene Ziehharmonika. Und? Was läuft bei dir so?“
 

Johnson

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Hier hast du auch manchmal das Komma oder ein E am Ende eines Wortes vergessen….das schmälert aber nicht die unterhaltsame Story
 

Bo-ehd

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Ja, ja, mit Geld geht halt auch in diesen Zeiten nicht alles. Du hast dich da wunderbar in die Rolle eines solchen Typen versetzt. Und in einer Sprache erzählt, die genau zum Thema passt. Gern gelesen.
 

petrasmiles

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Ja, liebe Rachel, da kann man schon Mitleid bekommen! Bo-ehd hat es auf den Punkt gebracht.
Und das soll jetzt das Patriarchat sein, das uns in Angst und Schrecken versetzen muss? Ich denke mal, der Typus stirbt aus (nicht nur, weil er sich offensichtlich nicht fortpflanzen kann :D)
Gerne gelesen!

Liebe Grüße
Petra
 

Rachel

Mitglied
Hallo Petra und Bo-ehd! Danke für eure Gedanken und Eindrücke! :) In meinem Erleben liegt die Begegnung und deren Umsetzung lange zurück.

Dargestellter Mann war ein Kollege. Er war Einzelkind und hatte ein gutes Elternhaus. Sein letzter Anruf kam aus der Psychiatrie, in die er ging, weil er Gedanken nicht mehr stoppen konnte und sie extrem quälend empfand. Er sagte tatsächlich einmal - "Scheißleben" - und meinte es auch so. Wie gesagt, lange her. Wenn ich heute an ihn denke, frage ich mich, was sich an <ihm> verändert hätte (in einem Paralleluniversum), wenn er dort ein normales Liebes- oder wenigstens Sexleben gehabt hätte. Literarisch fand ich ihn dereinst bei Houellebecq ("Ausweitung der Kampfzone") und David Foster Wallace ("Kurze Interviews Mit Fiesen Männern").

Herzliche Grüße, Rachel
 

Rachel

Mitglied
Hei Johnson, dich fast vergessen! Entschuldigung. Dir natürlich auch herzlichen Dank für dein Lob. Was die Fehler angeht, mein Ressort sind eher die ganz dicken. Gedicht - erste Zeile und so weiter ... Gruß, Rachel.
 



 
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