Elfenengel
Mitglied
1. Luzifa
Man könnte meinen, dass nur Stille in der Dunkelheit wartet. Doch als Jeanne, von endlosem Rot umhüllt, im Wasser versank, war es wie eine Trommel, die den Fluss zum Beben brachte. Je weiter sie sank, je weiter der Strom sie trieb, desto lauter wurde das Schlagen, bis es zu einer Absolution wurde, einem Zwang, dem die Welt sich beugte. Und ohne eine Bewegung lauschte sie dem Puls, bis er sie schließlich sanft in ihre Ohnmacht begleitete. Es war ihr Geist, nicht ihr Körper, der taub war, als man sie aus dem Fluss zog und rettete.
Die ersten Tage waren wie Wolken, die an Jeanne vorbeizogen; sanft zog sich die Zeit. Nur ab und zu, wenn ihr Wasser eingeflößt wurde, wachte sie auf, um direkt danach wieder in schmerzlosen Schlummer zu fallen. Sie hätte nicht sagen können, wie viele Tage, vielleicht auch Wochen bereits vergangen war, als sie es einmal schwach die Augen aufschlug. Das vertraute Gesicht, in das sie blickte, gab ihr jedoch Halt. „Schwester …?“ schaffte sie noch zu fragen, bevor die Bewusstlosigkeit sie wieder einholte. Doch während sich ihr Körper sich weiterhin im Schlaf erholte, regte sich ihr Geist. Es war ein Traum aus ihrer Vergangenheit, der sie in die Realität zurückholen sollte.
Das Mädchen saß auf einem Steinblock. Hinter ihr ein Überbleibsel der Vergangenheit, eine alte Vase. Der Rest des Raums: Dunkel. Schon vor Jahren hatte sie begonnen diesen verbotenen Ort aufzusuchen. Unter Dorfbewohnern, Wächtern des Ordens und Reisenden war sie die einzige, die den geheimen Eingang entdeckt hatte.
Sie sprach: „Ich möchte einfach nur nicht mehr alleine sein.“
„Es ist nur ein weiterer normaler Tag.“
Das Mädchen schaute um die Hausecke. Die schmalen Seitenwege waren ihr lieber als die halbwegs breite Straße, die hier überschwänglich als „Hauptstraße“ bezeichnet wurde. Trotzdem: In den komplett symmetrisch rechteckigen Städten und Dörfern des Imperiums war es leicht etwas zu finden. Allerdings wurde man auch mit Leichtigkeit gefunden.
Dieser Weg allerdings kam ihr sicher vor, also ging sie schnellen Schrittes los. Ihr Haus lag am Rande des Dorfes. Noch eine Gasse, dann würde sie an ihrem Heim ankommen. Sie konnte bereits die schützenden Wände sehen, die solide Holztür, die ihre die letzten Jahre über Schutz gewährt hat. Ihr Herz fing an zu rasen. Noch einige wenige Schritte.
„Wen haben wir denn da?“
Bevor das Mädchen überhaupt Zeit hatte zu reagieren, spürte sie einen Fuß in ihrem Rücken. Einen Augenblick später lag sie im Dreck. Wie immer baute der stämmige Anführer der Gruppe sich direkt vor ihr auf. Sein kantiges Gesicht, seine grobschlächtigen Pranken verliehen seinem boshaften Wesen Ausdruck.
„Es ist nur ein weiterer normaler Tag.“
„Haben wir dich gefunden! So einfach kommst du nicht davon.“ Dreckiges Gelächter kam von der Gruppe.
Jedem war klar, was als Nächstes passieren würde, es war ein offenes Geheimnis. Auf Jeanne wurde eingetreten, eingeschlagen, sie wurde bespuckt und geschubst. Es gab keine Gnade, kein Funken Reue würde diese jungen Bestien jemals einholen.
„Es ist nur ein weiterer normaler Tag.“
„Du hast doch mich, du bist nicht alleine.“
„Ich suche einen Freund … keinen Dämonen.“
Wie eine Schlange schien die Dunkelheit den Raum nur noch fester zu umwickeln. Das Mädchen seufzte und legte sich hin, die Antwort erwartend.
Ohne Rücksicht wurde auf sie eingetreten. Der neue Schmerz fühlte sich in grausamer Ironie fast wie eine wohltuende Ablenkung von den vorherigen Tritten an. Ihr einziger Gedanke war es auszuhalten. Aushalten. Aushalten.
Sie wusste nicht, ob eine Minute oder eine Stunde vergangen war, aber etwas tat sich, jemand schob sich zwischen den Jungen hervor. Es war ein Mädchen welches lautstark auf das Rudel einredete.
Sie merkte kaum, was um sie herum geschah, aber ihr wurde aufgeholfen. Nur einen Moment später schärften sich ihre Gedanken wieder.
Sie schubste das zur Hilfe eilende Mädchen beiseite.
„Ha, als ob ich dir glauben würde. Du hilfst mir nur hoch, um mich noch tiefer in den Dreck drücken zu können. Du bist echt das Letzte.“
Die darauf folgende Stille nutzte das Mädchen, um die letzten Meter bis ins rettende Haus zu humpeln. Ihre Retterin schaute ihr lediglich verdutzt hinterher.
„Ein schlechter Ruf ist wie eine Krankheit. Sie wird jeden in deiner Nähe befallen. Wie nobel es von dem Mädchen auch war, ihr helfen zu wollen, so schwach ist sie auch und so sehr hätte sie es bereut, angesteckt zu werden.“
„Du wirst für immer nur zu mir kommen. Niemals wird jemand dein Freund werden, nicht in diesem Dorf, nicht in diesem Land, nicht in dieser Welt. Ich bin alles, was du hast, Jeanne.“
Jeanne stimmte ihm zu: sie würde immer alleine sein. Das zu akzeptieren, war ihr Weg um irgendwann nicht mehr alleine sein zu müssen, darin war sie sich, ohne zu wissen warum, sicher. Und so, wie das natürlichste der Welt, verbanden sie und der Dämon sich. In einen Vogel verwandelt, stiegen sie zum Himmel auf. Die stets viereckigen, kleinen Dörfer des Imperiums wurden schwerer zu erkennen, dafür tauchten vereinzelt die größeren, aber ebenfalls viereckigen Städte auf. Sie sah den Rauch, der aus den Stahlschmelzen der Schmieden emporstiegen, die weite des Imperiums, welche bis an den Horizont reichte. Der Palast von Navgareth, im Herzen des Landes, die Bergketten, die seit Jahrzehnten der Expansion im Osten standhielten, so wie das Meer im Süden. Sie stiegen weiter empor, durchbrachen die Wolkendecke und erhaschten einen Blick auf die Welt. Und mit diesem Blick, war ihr Flug dazu bestimmt zu enden. Der Fähigkeit des Fliegens beraubt stürzte der Vogel dem Boden entgegen.
Man könnte meinen, dass nur Stille in der Dunkelheit wartet. Doch als Jeanne, von endlosem Rot umhüllt, im Wasser versank, war es wie eine Trommel, die den Fluss zum Beben brachte. Je weiter sie sank, je weiter der Strom sie trieb, desto lauter wurde das Schlagen, bis es zu einer Absolution wurde, einem Zwang, dem die Welt sich beugte. Und ohne eine Bewegung lauschte sie dem Puls, bis er sie schließlich sanft in ihre Ohnmacht begleitete. Es war ihr Geist, nicht ihr Körper, der taub war, als man sie aus dem Fluss zog und rettete.
Die ersten Tage waren wie Wolken, die an Jeanne vorbeizogen; sanft zog sich die Zeit. Nur ab und zu, wenn ihr Wasser eingeflößt wurde, wachte sie auf, um direkt danach wieder in schmerzlosen Schlummer zu fallen. Sie hätte nicht sagen können, wie viele Tage, vielleicht auch Wochen bereits vergangen war, als sie es einmal schwach die Augen aufschlug. Das vertraute Gesicht, in das sie blickte, gab ihr jedoch Halt. „Schwester …?“ schaffte sie noch zu fragen, bevor die Bewusstlosigkeit sie wieder einholte. Doch während sich ihr Körper sich weiterhin im Schlaf erholte, regte sich ihr Geist. Es war ein Traum aus ihrer Vergangenheit, der sie in die Realität zurückholen sollte.
Das Mädchen saß auf einem Steinblock. Hinter ihr ein Überbleibsel der Vergangenheit, eine alte Vase. Der Rest des Raums: Dunkel. Schon vor Jahren hatte sie begonnen diesen verbotenen Ort aufzusuchen. Unter Dorfbewohnern, Wächtern des Ordens und Reisenden war sie die einzige, die den geheimen Eingang entdeckt hatte.
Sie sprach: „Ich möchte einfach nur nicht mehr alleine sein.“
„Es ist nur ein weiterer normaler Tag.“
Das Mädchen schaute um die Hausecke. Die schmalen Seitenwege waren ihr lieber als die halbwegs breite Straße, die hier überschwänglich als „Hauptstraße“ bezeichnet wurde. Trotzdem: In den komplett symmetrisch rechteckigen Städten und Dörfern des Imperiums war es leicht etwas zu finden. Allerdings wurde man auch mit Leichtigkeit gefunden.
Dieser Weg allerdings kam ihr sicher vor, also ging sie schnellen Schrittes los. Ihr Haus lag am Rande des Dorfes. Noch eine Gasse, dann würde sie an ihrem Heim ankommen. Sie konnte bereits die schützenden Wände sehen, die solide Holztür, die ihre die letzten Jahre über Schutz gewährt hat. Ihr Herz fing an zu rasen. Noch einige wenige Schritte.
„Wen haben wir denn da?“
Bevor das Mädchen überhaupt Zeit hatte zu reagieren, spürte sie einen Fuß in ihrem Rücken. Einen Augenblick später lag sie im Dreck. Wie immer baute der stämmige Anführer der Gruppe sich direkt vor ihr auf. Sein kantiges Gesicht, seine grobschlächtigen Pranken verliehen seinem boshaften Wesen Ausdruck.
„Es ist nur ein weiterer normaler Tag.“
„Haben wir dich gefunden! So einfach kommst du nicht davon.“ Dreckiges Gelächter kam von der Gruppe.
Jedem war klar, was als Nächstes passieren würde, es war ein offenes Geheimnis. Auf Jeanne wurde eingetreten, eingeschlagen, sie wurde bespuckt und geschubst. Es gab keine Gnade, kein Funken Reue würde diese jungen Bestien jemals einholen.
„Es ist nur ein weiterer normaler Tag.“
„Du hast doch mich, du bist nicht alleine.“
„Ich suche einen Freund … keinen Dämonen.“
Wie eine Schlange schien die Dunkelheit den Raum nur noch fester zu umwickeln. Das Mädchen seufzte und legte sich hin, die Antwort erwartend.
Ohne Rücksicht wurde auf sie eingetreten. Der neue Schmerz fühlte sich in grausamer Ironie fast wie eine wohltuende Ablenkung von den vorherigen Tritten an. Ihr einziger Gedanke war es auszuhalten. Aushalten. Aushalten.
Sie wusste nicht, ob eine Minute oder eine Stunde vergangen war, aber etwas tat sich, jemand schob sich zwischen den Jungen hervor. Es war ein Mädchen welches lautstark auf das Rudel einredete.
Sie merkte kaum, was um sie herum geschah, aber ihr wurde aufgeholfen. Nur einen Moment später schärften sich ihre Gedanken wieder.
Sie schubste das zur Hilfe eilende Mädchen beiseite.
„Ha, als ob ich dir glauben würde. Du hilfst mir nur hoch, um mich noch tiefer in den Dreck drücken zu können. Du bist echt das Letzte.“
Die darauf folgende Stille nutzte das Mädchen, um die letzten Meter bis ins rettende Haus zu humpeln. Ihre Retterin schaute ihr lediglich verdutzt hinterher.
„Ein schlechter Ruf ist wie eine Krankheit. Sie wird jeden in deiner Nähe befallen. Wie nobel es von dem Mädchen auch war, ihr helfen zu wollen, so schwach ist sie auch und so sehr hätte sie es bereut, angesteckt zu werden.“
„Du wirst für immer nur zu mir kommen. Niemals wird jemand dein Freund werden, nicht in diesem Dorf, nicht in diesem Land, nicht in dieser Welt. Ich bin alles, was du hast, Jeanne.“
Jeanne stimmte ihm zu: sie würde immer alleine sein. Das zu akzeptieren, war ihr Weg um irgendwann nicht mehr alleine sein zu müssen, darin war sie sich, ohne zu wissen warum, sicher. Und so, wie das natürlichste der Welt, verbanden sie und der Dämon sich. In einen Vogel verwandelt, stiegen sie zum Himmel auf. Die stets viereckigen, kleinen Dörfer des Imperiums wurden schwerer zu erkennen, dafür tauchten vereinzelt die größeren, aber ebenfalls viereckigen Städte auf. Sie sah den Rauch, der aus den Stahlschmelzen der Schmieden emporstiegen, die weite des Imperiums, welche bis an den Horizont reichte. Der Palast von Navgareth, im Herzen des Landes, die Bergketten, die seit Jahrzehnten der Expansion im Osten standhielten, so wie das Meer im Süden. Sie stiegen weiter empor, durchbrachen die Wolkendecke und erhaschten einen Blick auf die Welt. Und mit diesem Blick, war ihr Flug dazu bestimmt zu enden. Der Fähigkeit des Fliegens beraubt stürzte der Vogel dem Boden entgegen.