CO2 - Ziele

anschi

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Und schon wieder eine Doppelseite in der Tageszeitung über den Klimawechsel! Von den selbstgesteckten CO2-Zielen der Hauptstadt, die weit über den Landesdurchschnitt hinausreichten, die vorbildlich und tonangebend seien, und über die diesbezügliche Anschaffung eines neuen Linienbusses.

Die vor dem wasserstoffgasgetriebenen Vehikel posierenden Kommunalpolitiker bemühen sich, von links nach rechts, um umweltfreundliche Gesichter, sehen dabei aber aus wie die Katzen meiner Nachbarin, die ein besonders großes Stück Schellfisch aus meiner Küche beiseite gebracht haben und sich nun belauern, bevor sie es heimlich verschlingen.

Mein Frühstücksei und ich stellen einvernehmlich fest, dass die Lage zwar ernst, aber nicht hoffnungslos sei. Ernst, weil manche Öko-Blockwarte bereits jetzt wieder zu denken und zu reden beginnen wie weiland andere, und hoffnungsvoll, weil allerlei zum Kampf gegen das Böse verfügt wird: Man glaubt wieder an einen Endsieg!

Später, nach dem Abräumen, frage ich meine Mimose um Rat, die eben ausgeschlafen hat und dabei ist, ihre Rispenblättchen in die Morgensonne zu klappen. Sie meint, sie habe kein Problem mit dem Treibhausgas – sie bräuchte dann nämlich meins nicht mehr und dürfte endlich nach draußen. Ich finde das ein bisschen undankbar, denn ich entlause den kleinen Racker, ebenso wie mein Zitronenbäumchen und die Lorbeere daneben, nicht mit der chemischen Keule, sondern mit dem Pinsel und mit lauwarmem Wasser. Und das seit Jahren!

Aber dann kommt mir in den Sinn, wie recht das Pflänzchen doch hat: Es geht davon aus, dass bei Ausbleiben des Winters wucherndes Immergrün jede Menge Kohlendioxid zu mümmeln hätte. Wenn die Polkappen dann endlich abgeschmolzen wären und das Licht in die Tiefen des arktischen Meeres dringen könnte: Die im Gefolge stürmisch einsetzende Planktonproduktion würde täglich Hekatomben des besagten Gases verschlingen!

Im Kopf überschlage ich kurz die Anzahl der Bürger, ihre Atemfrequenzen und ihre Atemvolumina, den Anteil des Kohlendioxids an der ausgeatmeten Luft im Vergleich zur umgebenden, erinnere mich dunkel an die Atomgewichte und komme, unter Annahme eines idealen Gaszustandes, auf schlappe dreizehntausend Tonnen, die eine Großstadt wie München täglich ins Freie schnaufte, hustete, rotzte, redete oder stöhnte. „Dreizehntausend Tonnen!“, rufe ich dem Gewächs zu, „hast du das gehört?“

Meine Mimose meint ungerührt, ich solle die Luft anhalten. „Du hast von allen die größte Klappe, weißt du das?“, sagt sie, und dreht sich wieder um. Ich kühle meine Stirn an der Fensterscheibe und stelle mir vor, ganz München seufzte auf: mit einem Schlag 650 Kilogramm Treibhausgas mehr in der Atmosphäre des Stadtgebietes.

Draußen blüht der Oleander, und eine Ringeltaube tutet wie wild.
 



 
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