Der Beobachter - 2

Lars Lang

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Der Beobachter – Teil 2

Und noch ehe ich mich fragen kann, vor wem oder was ich sie wohl schützen könnte, wird die Tür aufgerissen und zwei Männer stürmen herein - klobig, groß, schwarz gekleidet, vermummt. Die Sorte, die dich selbst am helllichten Tag zum Wechseln einer Straßenseite bringt. Kommen sie aus meinem Kopf? Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, doch die letzten Minuten haben mich gelehrt, wirklich alles für möglich zu halten.
Sie scheinen mich nicht zu bemerken, sondern nur ein Ziel im Auge zu haben. Und sie gehen schnell und geübt vor. Während ein kläglicher Hilferuf meiner Schutzbefohlenen von einem Putzlappen erstickt wird, sind alle weiteren Hände der beiden groben Kerle dabei, ihren Körper zu erkunden. Sie zappelt und windet sich, ist wunderbar biegsam und doch chancenlos. Ich stehe immer noch da und weiß doch, dass ich ihr helfen müsste. Ein weiteres Tuch zwingt den Putzlappen nun in ihren Mund und wird hinter ihrem Kopf verknotet. Rücksichtslos wurden dabei ihre dichten Haare fast vollkommen vor ihr Gesicht gebunden. Gedämpftes Jammern und Wimmern dringt an mein Ohr, während der zweite Mann nun mit seinen unnatürlich großen Pranken wie in Zeitlupe den Latz ihrer Schütze endgültig von ihren schweren Brüsten streift – nicht ohne diese mehr als notwendig zu deformieren - und sich einen Moment lang seinen üppigen Fang ansieht. Schmutziges Lachen übertönt ihre Laute, mit denen sie mich aus meiner Trance wecken will.
Doch ich kann mich immer noch nicht bewegen, habe keinen Plan, starre gebannt auf die Männerhände, die jetzt, fast vorsichtig, ihre Brüste umfassen und leicht anheben, als wollten sie das Gewicht prüfen. Sie kneift ihr linkes Auge zu (ihr rechtes ist komplett hinter dem Vorhang aus Haaren verborgen, der unter ihrem Knebel festgebunden ist) und versucht erneut, sich aus seinem Griff zu winden. Aber das ist natürlich nicht möglich. Seine Hände fahren weiter über ihren Körper, verharren kurz an ihrer Taille, wobei mir auffällt, dass er diese tatsächlich komplett umfassen kann, und mir ist klar, dass dies nicht nur an der Größe seiner Hände liegt. Der erste Mann hat mittlerweile einige Stricke entrollt und unbeeindruckt von ihrer Gegenwehr ihre Handgelenke und Ellenbogen fest verschnürt, wodurch ihr Körper noch kurviger wirkt. Ihre Füße tippeln auf der Stelle und erst beim zweiten Hinsehen (ich habe mich mittlerweile etwas über den Tresen gebeugt, da ich wohl nach wie vor für die beiden Gestalten unsichtbar bin) erkenne ich, dass sie versucht, die Haare von ihren High-Heels zu streifen, die sich während des Kampfes hier verfangen haben. Sie kann auch diesen Kampf nicht gewinnen, denn ihr hautenger Rock lässt ihren Füßen kaum eine Bewegungsfreiheit.

Der erste Mann hat seine Arbeit routiniert beendet und bündelt nun ihr schweres Haar im Nacken, um es dann einmal, soweit es sein langer Arm ermöglicht, in die Höhe zu halten. Anerkennend lässt er seinen Blick über die gesamte Länge der prachtvollen Haare wandern, an denen er die Ärmste nun in die Höhe zwingt. Sein Komplize hat derweil einen Krug mit kaltem Wasser gefüllt, den er nun betont langsam und genussvoll über ihre Brüste gießt. Ihre Klagelaute werden lauter und sie versucht erneut, dem Wasser auszuweichen, was natürlich nicht gelingt. Durch ihre ruckartigen Bewegungen erreicht sie nur, dass ihre Brüste verlockend hin-und herschaukeln und somit ihren BH vor eine schier unlösbare Aufgabe stellen. Ihr ohnehin schon schmutziges T-Shirt, unter dem noch ein Unterhemd und besagter BH zu sehen ist, klebt nun klitschnass an ihren Kurven. Ihr Haar wird währenddessen über einen kitschigen kleinen Kronleuchter geworfen, von dem aus es nun wirr zu Boden fällt. In einem sachlichen Moment, für den ich wieder einmal keine Erklärung habe, überschlage ich die Länge ihrer Haare in meinem Kopf und errechne einen Wert von über drei Metern, vermutlich eher vier. Brauche ich noch weitere Beweise dafür, dass ich dabei bin verrückt zu werden?
Ich kann BH-Größen nicht schätzen, aber ihrer ist – wenn es das noch gibt - vermutlich ein L oder mehr. Ich bin mir außerdem sicher, dass dies vor wenigen Minuten noch nicht der Fall war. Keine Schürze der Welt hätte diese Kurven vor mir verbergen können. Mein ganzer Körper ist verkrampft und ich merke endlich, dass ich mit mir selbst kämpfe. Ich kann meinen Blick nicht von ihr und ihrem verzweifelten Kampf abwenden und weiß doch, dass ich ihr endlich helfen muss. Gebannt starre ich auf die riesigen Männerhände, die so gut zu ihren Brüsten passen, und die jetzt ein weiteres Seil entrollen. Ich höre ihr T-Shirt reißen und sehe im nächsten Augenblick die tiefe Spalte zwischen ihren nassen Brüsten, an denen immer noch ein Unterhemd und ein BH kleben. Einige feine Strähnen bleiben an ihrem nassen Körper kleben und zeigen damit mehr als sie verdecken. Ein Finger schiebt genüsslich langsam die dünnen Träger ihrer verbleibenden Oberbekleidung von ihren schmalen Schultern, wozu sein Besitzer eklige Geräusche macht.
Ich sehe, wie das Seil sich um ihre Rundungen wickelt und der große Kerl es langsam strammzieht, sehe den aufmunternden Blick des Zweiten, der sich immer noch an ihrem gebündelten Haar festhält, als wäre dies ein Seil, sehe, wie das Seil ihre perfekten Rundungen deformiert, fühle endlich etwas Hartes, Kaltes in meiner Hand. Kurz reiße ich mich von ihrem Anblick los und stelle fest, dass ich mit weißen Knöcheln einen großen Glasaschenbecher umklammere. Am Nebentisch steht ein weiteres Exemplar. Etwas in mir greift zu, hebt den Arm und wirft. Ich weiß, dass ich sie treffen könnte, aber mein größter Wunsch ist es, ihr zu helfen. Ich vertraue auf meine Kraft des Wünschens. Beide Geschosse verlassen wie in Zeitlupe meine Hände. Beide Geschosse erreichen ihr Ziel. Mit einem widerlichen Geräusch gehen beide Männer fast zeitgleich zu Boden, als hätte ich sie soeben erschossen. Ich betrachte meine Hände, als würde ich sie zum ersten Mal sehen.

Erst danach meldet mein Ohr, dass immer noch gejammert wird und ich derjenige bin, der dies ändern muss. Durch den schwarzen Vorhang trifft mich ihr flehender Blick. Vielleicht ist sogar etwas Dankbarkeit darin. Tatsächlich kann ich kaum etwas von ihren Augen sehen. Ihre gefesselten Hände tasten seitlich an ihrem Körper vorbei und versuchen, die Reste ihres T-Shirts wieder über ihre halb entblößten Brüste zu schieben, was ihnen aber nicht gelingt. Sie schüttelt den Kopf, um ihr Haar von dem Kronleuchter zu befreien, erreicht aber nur, dass alles an ihr auf verlockende Weise in Bewegung gerät. Endlich laufe ich auf sie zu, stocke dann, als ich über den ersten massigen Körper steigen muss, werde unsicher und zögerlich. Sind die beiden Männer tot oder bewusstlos? Springen sie gleich auf und machen meinen Plan zunichte? Die Geräusche der märchenhaften Frau treiben mich zur Eile an, aber ich weiß nicht wo ich anfangen soll. Meine Hände zittern furchtbar. Ich will die beiden Kampfhunde nicht anfassen, will ihnen nicht den Rücken zudrehen, sie nicht aus den Augen lassen. Ich drehe mich einmal um mich selbst und stoße mit dem Ellenbogen gegen ihre Brüste. Fast verliert sie ihr Gleichgewicht. Ich stammle eine Entschuldigung und komme mir blöd und ungeschickt vor. Sollte ich nicht ein Held sein? Ich sehe an mir herab und stelle fest, dass ich auf ihren Haaren stehe, die überall um sie herumliegen. Zwinge mich ruhig zu atmen und endlich das Zittern meiner Hände in den Griff zu bekommen. Ich könnte zuerst ihren Knebel lösen, habe aber Angst vor ihren ersten Worten. Wenn ich zuerst ihre Brüste befreie, muss ich diese auch berühren. Fummel also an den Stricken herum, die an ihren Handgelenken und Ellenbogen verknotet sind. Diese sind unmenschlich fest. Meine Hand rutscht immer wieder ab, meine Finger fühlen sich taub und kalt an. Damit kann ich sie nicht berühren. Sie jammert ungeduldig, tippelt nervös von einem Fuß auf den anderen, landet schließlich mit einem ihrer mindestens zwölf Zentimeter hohen Absätze in einer Suppenkelle und droht erneut das Gleichgewicht zu verlieren. Ich fange sie unbeholfen auf, wobei sich jetzt doch ihre nassen Brüste an mich pressen, was mir plötzlich peinlich ist. Zur Seite blickend nuschle ich eine Entschuldigung, obwohl ich nicht weiß, wofür ich mich hier zuerst entschuldigen soll. Ich bin mir sicher, dass sie kein Wort verstanden hat, aber sie kann nicht nachfragen – sie ist immer noch geknebelt. Nachdem ich sie wieder auf ihre hohen Hacken gestellt habe (da der Boden mit Glassplittern übersäht ist, ist es nicht ratsam die Schuhe auszuziehen), wende ich mich erneut den Stricken zu. Mein Blick irrt durch den chaotisch zugerichteten Raum. Eigentlich bin ich auf der Suche nach einer Schere, finde aber nur große Messer, die alle auf den ersten Blick zum Töten eines Menschen geeignet wären.

Ich habe panische Angst sie zu verletzten, stehe außerdem immer noch auf ihren Haaren und frage mich plötzlich, ob ich diese nicht abschneiden sollte. Der Gedanke ist für mich so widersinnig wie einleuchtend. Sehr wahrscheinlich ist dies alles mein Werk und ich sollte alles unternehmen, um es ungeschehen zu machen. Aber wieder stehe ich regungslos in der Gegend herum, während sie sich neben mir gegen ihre Stricke stemmt. Habe mittlerweile eines der langen Messer in der Hand und stehe direkt vor ihr. Die Angst in ihrem nur teilweise vom Haar bedeckten Auge kann ich mir zunächst nicht erklären. Kontrolliere noch einmal, ob sich die beiden Gestalten auf dem Boden bewegt haben, stelle aber zufrieden fest, dass dem nicht so ist. Stattdessen breitet sich eine rote Flüssigkeit aus, die sich auf dem ohnehin klebrig feuchten Boden schnell verteilt. Ich muss die beiden Typen wohl doch ordentlich erwischt haben. Nachdem ich mir nachträglich für diese eine gelungene Aktion innerlich auf die Schulter geklopft habe, stelle ich fest, dass meine Hand immer noch das Mordwerkzeug in die Höhe hält, was von meiner hilflosen neuen Freundin mit unverständlichem Gejammer kommentiert wird.
Erst als sie ihren Kopf wild hin und her schüttelt, begreife ich, dass sie Angst vor dem Messer hat und vor den Dingen, die ich damit anstellen könnte. Ich lasse das Ding also auf den Boden fallen, wo es weich in ihren Haaren landet, und weiß wieder nicht weiter. Versuche es noch einmal mit den Knoten und überlege gleichzeitig, ob ich ihr die Träger ihres Unterhemdes und BHs wieder auf die Schultern schieben soll, weiß aber auch, dass der Stoff nur dann über die schweren Brüste rutschen wird, wenn jemand kräftig daran zöge, oder sie jetzt sofort eine Runde Seilspringen würde. Da ich beide Möglichkeiten für sehr unwahrscheinlich halte (ich werde nicht an dem Stoff ziehen und vermutlich gibt es auf der ganzen Welt keine Frau, der weniger nach Seilspringen zumute ist als ihr) lasse ich die Finger von den Trägern.

Endlich komme ich zu dem Schluss, dass ich ihr den Knebel abnehmen sollte, damit sie mir sagt, was ich tun soll. Fummel also erneut an einem der sehr festen Knoten herum, wobei ich auch ihr Haar berühre, welches sich, trotz all der Dinge, die ihm widerfahren sind, unglaublich weich und schön anfühlt. Endlich lockert sich das Tuch und ich nehme es ihr aus dem Mund, wobei ich ihr mit der zweiten Hand sehr vorsichtig das Haar aus dem Gesicht streiche.
„Was ist hier los?“, höre ich sie stammeln und ich weiß, dass das die zentrale Frage ist, die ich mir selbst schon die ganze Zeit gestellt habe.
Ich weiß aber auch, dass ich keine Antwort für sie parat habe. Falsch – ich hätte eine Antwort, aber diese könnte mein hilfloses Fräulein in Nöten möglicherweise dazu bringen, in Sekundenschnelle zu einem Killer zu mutieren und mich mit ihrem Messer in einen mundgerechten Imbisssnack zu zerlegen. Verstehen könnte ich es. Jetzt braucht es eine diplomatische Antwort mit Lösungsansetzen.
„Ich weiß es nicht, aber ich glaube, dass dies alles meine Schuld ist“, sage ich also, weil ich denke, dass dies die Wahrheit ist.
Sie scheint wenig überrascht.
„Wenn du so etwas wie ein Zauberer bist, dann könntest du mich jetzt vielleicht endgültig befreien“, zischt sie mich an, wobei sie mir ihre immer noch gefesselten Hände und Ellenbogen entgegenstreckt.
Ich konzentriere mich erneut auf die Knoten, wünsche mir, diese lösen zu können und dieses Mal klappt es tatsächlich. Unglaublich langsam fallen die Stricke nach und nach zu Boden. Sie reibt sich ihre Handgelenke, auf denen rote Striemen zu sehen sind, und lässt ihren Blick dabei durch ihren chaotisch zugerichteten Imbiss schweifen. Geistesabwesend richtet sie ihre Kleidung ein wenig zurecht. Das aufgerissenen T-Shirt zeigt mehr als es verdeckt, aber BH und Unterhemd erfüllen noch ihre Dienste. Schließlich schließt sie den Knopf ihres Schürzenlatzes wieder, wobei ich ihr stumm – nein sprachlos – zusehe. Erst dann widmet sie sich ihren Haaren, greift in die von der Decke hängenden Strähnen und lässt diese prüfend durch ihre Finger gleiten.
„Ich kann sie dir schneiden“, biete ich halbherzig an. Insgeheim bin ich froh darüber, dass sie nicht sofort Ja brüllt, sondern meine Bemerkung scheinbar überhört.
„Kneifen brauchst du mich wirklich nicht mehr.“ Ich sehe noch die Abdrücke von schmutzigen Fingern auf den Rundungen ihrer Brüste und weiß, wie diese entstanden sind. Ich brauche sie wirklich nicht mehr kneifen. „Ich weiß, dass dies kein Traum ist. Und doch…“ Sie lässt den Satz unvollendet und fährt weiter mit den Händen durch ihre Haare, ohne mit ihrer Bewegung ihren Zustand zu verbessern. Ich überlege, ob ich ihr helfen soll, die enorme Länge und Menge zu bändigen, ob ich ihr Haar anfassen darf. Gleichzeitig weiß ich, dass es notwendig ist, dass sie diese Haarmassen nicht alleine bewältigen kann. Ich sehe, wie sie sich zur Lampe streckt, ohne diese zu erreichen, stelle außerdem fest, dass ich immer noch auf ihren Haaren stehe. Ich bin wahrlich keine große Hilfe. Ungeschickt bewege ich mich rückwärts, bücke mich nach ihren Haaren, schüttle Glassplitter und anderes Zeug heraus. Ihr Blick bleibt kurz auf den beiden leblosen Gestalten hängen und sie betrachtet sie mit angehaltenem Atem und einer Portion Ekel. Mein Blick hingegen fährt aus dem Augenwinkel noch einmal über ihren Körper. Natürlich ist dies ein Traum mit einer Traumfrau. Und doch schneide ich mich an einer Glasscherbe und fühle den Schmerz, wie ich ihn immer gefühlt habe – real.
„Schneiden kannst du dich selbst“, sagt sie nun etwas zu selbstsicher mit Blick auf meinen blutenden Finger und mir wird plötzlich klar, dass sie meine letzte Frage hiermit aufgreift, und dass sie diese nun indirekt verneint hat. Warum will sie diese märchenhafte Länge nicht wieder loswerden? Ich verstehe sie nicht, verstehe überhaupt nichts von allem, was hier passiert ist.
„Du willst diese Haare behalten?“, frage ich zaghaft nach, auch wenn ich weiß, dass mir die Antwort vielleicht nicht passen wird.
„Als kleines Mädchen wollte ich immer sehr lange Haare haben, durfte aber nicht.“ Sie betrachtet die dichte Pracht mittlerweile mit einem warmen Lächeln.
„Vorerst lassen wir es so. Du musst mir aber versprechen, dass du dich als mein Beschützer etwas mehr ins Zeug legst.“
Ich kann ihr den vorwurfsvollen Tonfall nicht verdenken.
„Ich glaube, dass ich verantwortlich für all das bin…“, beginne ich einen Satz, der unvollendet bleibt, wozu ich mit meinen ausgebreiteten Armen eine Geste vollführe, die einem Zirkusdirektor zur Ehre gereicht hätte. Ein Zirkusdirektor, der einen unglaublichen Zaubertrick ankündigt. Aber was macht dieser Mann, wenn die Frau, die dort jeden Abend zersägt wird, plötzlich blutet und stirbt? Ich tröste mich damit, dass weder das eine noch das andere Unglück in unserem Fall passiert ist. Meine Hände arbeiten mittlerweile wie von selbst und das ist gut, denn so lenken sie meinen Kopf ein wenig von all den Fragen ab, für die ich keine Antworten habe, erwecken den Anschein, als hätte ich einen Plan. Es ist immer noch totenstill in ihrem Imbiss. Niemand hat versucht, den Raum zu betreten, niemand ist am Fenster vorbeigelaufen. Wie unwahrscheinlich dies ist, wird mir sofort klar. Wir befinden uns zur Hauptverkehrszeit im Herzen einer Großstadt – es müsste hier von Menschen wimmeln.
Ihre Hände fahren weiter erstaunlich geduldig durch ihre lange Pracht und sie gibt mir durch einen auffordernden Blick zu verstehen, dass ich meinen Satz beenden soll.
„Ich hatte einen Film in meinem Kopf…“, wieder weiß ich nicht, wie ich ihr das alles erklären soll, räuspre mich umständlich, fühle mich wie der kleinen Junge, der von seiner Mutter beim Onanieren erwischt wurde und ihr jetzt gestehen soll, welche schmutzigen Gedanken da in seinem Kopf wohnen. „ich habe das alles schon gesehen, bevor es passiert ist und es hat mir Spaß gemacht, mich erregt“, schleudere ich die Worte jetzt heraus, um es endlich hinter mich zu bringen.
Meine asiatische Rapunzel schenkt mir ein scheues Lächeln, errötet etwas, statt mich hier und jetzt mit ihren Messern zu spicken.
„Und wie geht dein Traum weiter?“ Aufmunternd blickt sie mich aus ihren großen Augen offen an. Ich habe ihr eben gestanden, dass sie meinetwegen fast vergewaltigt worden wäre, und sie will wirklich wissen, wie es weitergeht. Vielleicht sollte ich mit den beruhigenden Neuigkeiten beginnen. „Es kommt nie zu einer Vergewaltigung.“ Wir atmen gemeinsam tief durch, sind beide erleichtert über diese Aussicht. Ich sehe aus dem Fenster, um ihr etwas Zeit für sich zu geben. Draußen ist immer noch alles still, aber die Bäume an der Straße wirken dichter und grüner, was mich kaum überrascht. Ich weiß ja, was in meinem Film passiert. Obwohl dies nur die halbe Wahrheit ist.
„Ich weiß nicht, wie das alles endet“, flüstere ich, weil es stimmt, aber ich mich kaum traue, ihr dies zu beichten.
Der Geruch des Bratenfetts passt mittlerweile gar nicht mehr zur Aussicht aus ihrem Imbiss. Die Straße bleibt leerer und grüner, als sie je war. Ich höre, wie sie das Blut und Wasser Gemisch aus ihren Haaren wringt, wobei ihr die Träger ihrer Unterwäsche immer wieder von den Schultern rutschen. Ich brauche mich nicht umsehen. Ich kenne das Bild. Eine Gänsehaut kriecht über meinen Körper.
Dann kommt von links eine Frau mit einem bodenlangen Umhang und einem strengen Kopftuch ins Bild. Ich beiße mir auf die Unterlippe und weiß, dass es nichts bringt, jetzt die Augen zu schließen. Und wer würde schon in einen Film gehen, den ein blinder Regisseur gedreht hat? Hinter mir hat das Tropfen auf den Boden aufgehört. Ich höre, wie sie „Oh, nein“ haucht, weiß ihren Blick über meiner Schulter. Das nächste Geräusch verursacht ihr feuchtes Haar, dass von der Arbeitsplatte rutscht und erneut auf den Boden fällt. Dann fängt es wieder an.
 



 
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