Die Tür

Morfy

Mitglied
Unterdessen betrachtete ich die um einen winzigen Spalt offene Tür. Sie war unbeschriftet und der Spalt zu klein, um etwas zu erkennen. Oft hatte ich hier gestanden, aber noch nie jemanden gesehen, der hinein oder hinaus gegangen war. Nach kurzem Zögern, klopfte ich an: keine Antwort. Ungefragt hineinzugehen, erschien mir zu riskant zu sein; ich wollte niemandes Ruhe stören. Wobei sich meine Ruhe zur Folter verwandelt hatte und es schon nett gewesen wäre, wenn man mir zumindest hätte antworten können. Ein kurzes: »Hallo, geehrter Freund, schön dich zu sehen, wie geht es dir? Wie dem auch sei, aktuell habe ich keine Zeit, aber wir können uns gern zum Mittag verabreden«, dies wäre doch vollkommen ausreichend gewesen, aber nein, stattdessen schwieg man mich an und durchstach mein Herz mit absolutem Nichts! Andererseits, vielleicht war gerade keiner da.
 

lietzensee

Mitglied
Hallo Morfy,
der Text gefällt mir gut und die Pointe sitzt. Auch wenn der Vergleich mehr als abgelutscht ist, aber mich erinnert die Situation sehr an Kafka.

Hier ein paar Anmerkungen, die sicher alle Geschmackssache sind:

Unterdessen betrachtete ich die um einen winzigen Spalt offene Tür. Sie war unbeschriftet und der Spalt zu klein,
Die zwei mal "Spalt " sind mir zu nah beieinander. Vielleicht könnte man den ersten Satz umformulieren, dass die Tür angelehnt war.

der Spalt zu klein
für einen Türspalt ist "schmal" eine passendere Beschreibung als klein.

"Nett" ist mir hier zu schwach. Wenn er sich von der Ruhe gefoltert fühlt, wäre eine Antwort sicher mehr als nur "nett".

Nach kurzem Zögern
Die Stelle würde ich überdenken. Offensichtlich hatte er die Tür schon oft betrachtet. Da halte ich es für erklärungswürdig, warum er gerade jetzt anklopft. Vielleicht mit sowas wie "kurzentschlossen", "spontanem Entschluss folgend" oä. Oder ist der Widerspruch so gewollt?

Andererseits, vielleicht war gerade keiner da.
Vorschlag: das abschwächende "gerade" weg lassen. Ich glaube, größere Unsicherheit würde die Wucht der Pointe vergrößern. Vielleicht ist nicht nur gerade niemand da, sondern der Raum nur eine Abstellkammer?

Viele Grüße
lietzensee
 

Bo-ehd

Mitglied
Hallo Morphy,
die Geschmäcker sind sehr verschieden: Lietzensee findet den Text gut, ich hingegen kann mit ihm nichts anfangen. Ich räume ein, dass es an meiner Interpretationsfähigkeit liegen mag; bei Folgendem komme ich nicht weiter:

Unterdessen (da geht oder ging etwas voran. Ja was? Warum verschweigst du das?) betrachtete ich die um einen winzigen Spalt offene Tür. Sie war unbeschriftet und der Spalt zu klein, um etwas zu erkennen. Oft hatte ich hier gestanden, aber noch nie jemanden gesehen, der hinein oder hinaus gegangen war. Nach kurzem Zögern, klopfte ich an: keine Antwort. Ungefragt hineinzugehen, erschien mir zu riskant (wieso riskant? Welches Risiko siehst du da?) zu sein; ich wollte niemandes Ruhe stören. Wobei (diesen Übergang kapiere ich nicht) sich meine Ruhe zur Folter verwandelt hatte (ist das die richtige Zeit?) und es schon nett gewesen wäre, wenn man mir zumindest hätte antworten können. Ein kurzes: »Hallo, geehrter Freund, schön dich zu sehen, wie geht es dir? Wie dem auch sei (ja was?) , aktuell habe ich keine Zeit, aber wir können uns gern zum Mittag verabreden«, (eine solche Einladung erwartet man in dieser Situation nicht. -Das ist völlig realitätsfern) dies wäre doch vollkommen ausreichend gewesen, aber nein, stattdessen schwieg man (wer ist man? War da doch jemand hinter der Tür?) mich an und durchstach mein Herz mit absolutem Nichts! (Dafür, dass keiner da war, ist das sehr theatralisch formuliert) Andererseits, vielleicht war gerade keiner da.

Bei solch kurzen Texten muss man zusehen, dass jedes Wort passt, sonst kommt es zu diesen sehr auffälligen Ungenauigkeiten, die ich angemerkt habe. Nichts für ungut, bleib dran.
Gruß Bo-ehd
 



 
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