(Regen)Tropfen

Akaras

Mitglied
Hier ist ein kurzer Textauszug aus meinem größeren Projekt.
Bin gespannt auf eure Antworten.

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Ein Sturm mit solch unberechenbarer Kraft kam auf, dass das Gras sich nur noch so schüttelte und selbst die Bäume in den ungleichmäßigen Tanz mit einstimmten. Passend zu der hektisch, melodischen Darbietung, die sich die Natur leistete, begannen auch leise, kleine Trommeln den schnellen Takt vorzugeben – der Regen. Die ansonsten so lebhaften, gefiederten Zuschauer verstummten und suchten hektisch Schutz vor den eisigen Instrumenten, die mit mörderischer Geschwindigkeit vom Himmel herabfielen. Die kleinen Beobachter verschwanden in ihren Löchern, die größeren suchten sich einen gigantischen Schirm, bestehend aus grünen Blättern und brauner Rinde als Griff, unter dem sie sich unterstellten konnten, um sich so vor den wildem Tanz zu verstecken.
Erschöpft und verzweifelt kroch Farnel den matschigen Weg entlang. Dicker Schlamm rann aus seinen abgefetzten Ärmeln. Völlig kraftlos unternahm er noch einen letzten Versuch sich hochzustemmen, doch das Gewicht des Schlamms lastete auf ihm, wie das Gewicht der vom Regen vollgesogenen Kleider. Ein jämmerlicher Anblick, dachte Serek verächtlich, jemand mit Königsblut in den Adern, kriecht wie ein stinkender Hund auf allen Vieren.
Obwohl es schon Frühling war und sich die ersten Vögel in dem grünen Blätterkleid der Bäume versteckten, ließ sich die eisige Kälte vom unbarmherzigen Winter nicht vertreiben. Zwar gab es keinen Schnee, dafür aber verbreitete der Regen die restliche Kälte unter den pelzigen Tieren, die den tiefen Temperaturen zu trotzen vermochten.
Serek schritt angewidert auf den um Erbarmung flehenden Arvanar zu. Einer der wenigen Verbleibenden. Und wahrscheinlich auch der armseligste, dachte Serek. Tatsächlich hatte er selten so etwas Bedauerliches wie das hier gesehen. Und so einer sollte einmal über ganze Länder regiert haben? Serek wurde es schlecht von dem Gedanken, von solch einem Wesen ein Leben lang Befehle entgegen nehmen zu müssen. Er fragte sich schon, wie er es nur geschafft hatte, es für diese kurze Zeit zu tun. Er schüttelte sich mechanisch, als er an all die Demütigung dachte, die er unwillkürlich nach jedem erfüllten Auftrag dieser Kreatur entgegen nahm. Er würde ihm mit Freude entgegenfiebern: dem kümmerliche Ende, eines kümmerlichen Menschen.
„Wieso, Lentrack? Wieso ich?“
Lentrack. Schon als er bei Farnel angefangen hatte, konnte Serek diesen erdachten Namen, den er sich geben musste, um nicht so viel Misstrauen zu erregen, nicht leiden. Wenigstens hatte das schon bald ein Ende.
„Weil du der miseste, dreckigste und niederträchtigste Auftrag bist, den ich je erfüllen musste.“ Und er hatte schon viele erfüllen müssen. Mit einem energischen Kopfschütteln versuchte er all die merkwürdigen Erinnerungen zu verbannen, die ihm plötzlich wie eine schier endlose Bilderflut entgegen schmetterte und zwang sich wieder den Arvaner anzustarren. Es gelang ihm. Die Wellen wurden kleiner.
Bebend und wimmernd zog Farnel, begleitet mit einem widerlichen Geräusch, sämtlichen Naseninhalt hoch. Einfach nur jämmerlich. Jetzt, da er noch einmal darüber nachdachte, waren seine Beschimpfungen eigentlich nichts weiter als schöne Komplimente für diese elende Kreatur.
Langsam zog Serek etwas Funkelndes aus dem Umhang. Sein bevorzugtes und von ihm über alle Maßen gelobtes Werkzeug für seine Arbeit. Ein Fleischermesser.
Er bemerkte, wie sich immer mehr Regen auf der Klinge sammelte, wohl wissend, dass es nicht die einzigen Tropfen sein würden, an denen sich das Messer in dieser Nacht noch ergötzen könnte.
„Nein! Ich flehe dich an!“
Nicht nur die eines dreckigen Köters, nun nahm er sogar auch noch Charaktereigenschaften eines verwahrlosten Schweins an: quieken und grunzen.
Serek verzog vor Ekel das Gesicht. Er wollte es nur noch so schnell wie möglich hinter sich bringen. Hastig machte er einen Schritt auf die am matschigen Waldboden gekrümmte Gestalt zu.
„Bitte! Serek! All die Jahre… ich habe dir vertraut!“
Trotz allen Abscheus konnte er sich ein hämisches Lächeln nicht verkneifen. „Das haben die anderen auch.“
Wie ein Metzger schritt er unausweichlich dem bebenden Tier entgegen, dessen letzte Stunde schon lange geschlagen hatte.
 

Kyousuke

Mitglied
Hallo Akaras,

Ich muss sagen, dieser Textauszug hat mir ausgesprochen gut gefallen. Nette Bilder, nette Metaphern, netter Schreibfluss. Ich hätte mir vielleicht noch eine etwas längere Auseinandersetzung zwischen Opfer und Jäger (so etwas wie eine Jagd vielleicht) gewünscht. Das kann aber auch daran liegen, dass der Text so spannend war und ich deswegen unbedingt mehr davon haben wollte. ;)
Anfangs macht sich mit dem Sturm und dem Regen eine Atmosphäre breit, die ich beinahe als schön beschreiben würde, gegen den Schluss verändert sie sich dann und wird eher etwas düster. Finde ich aber gut. Mit dem Schlusssatz hast du dann diesen düsteren Abschnitt, wie ich finde, sehr gut abgeschlossen.
Und falls es dich interessieren sollte: Ja, es besteht Lust auf mehr. Weiter so!


Gruß,
Kyousuke
 

Akaras

Mitglied
Hallo Kyousuke,

Danke für das Lesen. freut mich wirklich sehr, dass dir mein Text gefallen hat. =)
Ich denke aber, dass ich es ein bisschen zu kurz gehalten habe. Vielleicht werde ich die Jagd noch etwas verlängern.
Lust auf mehr, schön zu hören. :)
Da es aber nur ein Ausschnitt aus einem größeren Projekt ist und ich da noch nicht all zu weit bin, musst du dich leider noch ein wenig gedulden müssen. ;)


Freundliche Grüße,
Akaras
 



 
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