0401

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zeitsucht

Mitglied
04:01



Der Platz war dunkel.

Die wenigen Werbeschriften, die normalerweise für das Grelle an diesem Ort sorgten, waren defekt.



Hier saß niemand, hier wollte niemand sein.

Müll lag herum. Überall.

Ein Hund rannte vorbei, blieb stehen, schnupperte.

Dann verschwand er wieder.



Cut. Aus. Da war Nichts los.

Es war zu spät. Es war wohl zu lange her.



In der Erinnerung war das anders.

Da war es voll und blühend und extrem.



Jede Sekunde war zu spüren.

Jede Minute verging.

Jede Stunde war länger.





8:35



Es ging schon.

Es galt, sich darauf zu konzentrieren.



Wasser schmeckte hier nicht wie Wasser.

Schuhe liefen sich hier nicht wie Schuhe.

Uhren gingen nicht wie Uhren.



Sie schmerzten wie ein Hirnschlag.

Sie warteten wie ein Geduldiger

und machten trotzdem Druck.

Sie lachten und spotteten.





10:13



Die Leere verschwand.

Es kam das Ganze und brachte Alles mit.



Es pochte, es wirbelte. Es tat weh.

Und dennoch nicht wegrennen, dennoch hier sitzen.

Zusehen, eintauchen – vielleicht.

12:49



Woanders. Längst gegangen.

Einsteiger drängelten, guckten umher.

Sie fuhr, sitzen ging nicht mehr.

Es roch nach Schweiß, das Gesicht wurde zwischen die Achseln Fremder gepresst - Zu eng hier.

Kinder standen unten.

Sie hatten andere Ansichten. Viel tiefer.

Sie starrten auf Hosen und ihre Augen fixierten die Oberen. Warum seid ihr so groß?

Damit wir nach Luft schnappen können.

Sie japsten und schimpften.

Es war eindeutig zu voll und das Alles nervte.

Es nervte total.

Bleibt nur das Aussteigen.

Bitte Vorsicht.





14:37



Wenn es blüht, wenn es warm ist, dann haben Menschen häufig die Angewohnheit auf Wiesen zu liegen.

Oft bringen sie Freunde mit.

Die liegen dann daneben.



Hier lag niemand.

Es war wohl zu kalt, aber auch bei Kälte lässt es sich prima auf Grashalmen liegen.



Ein alter Mann sammelte Flaschen aus Mülleimern.

Die sind leer. Er nickte.

Du kannst mich mal.







15:57

Ein Dreieck baute sich auf.

Es hatte drei Ecken.

An jeder Ecke befand sich eine Gruppe.

Die Gruppen hatten die Aufgabe zu wandern.

Wandern Sie von A nach B und dann von B nach C.

Wer zuerst wieder an seinem Startpunkt angekommen ist, der hat gewonnen.

Wandert gefälligst gleichschenklig.



Wer nicht wanderte, der saß halt in der Mitte und sah zu. Es war amüsant, es war eine willkommene Abwechslung, ja – es machte Spaß und da konnten die Miesmacher noch so viel reden – hier wurde gewandert.





16:24



Die Straßen waren verstopft, es stank nach Großstadt.

Die Leute hier hatten es eilig, sie stürmten in ihre Richtungen, sahen das Ziel schon vor sich.

Da wollten sie unbedingt hin.

Die Zeit drängte.

Wie spät war es denn?

Wie lange darf man auf dem Gehweg sitzen?

Nein, kein Geld, bitte nicht.

Keiner hörte, denn der Puls des Tages war viel zu laut. Ohrenbetäubendes Allerlei, gepaart mit dem Geschrei der einzelnen Bestandteile.

Aber es war ja schön. Darauf wartet man ja.

Endlich lebte der Ort und er wurde immer zappliger.

So in etwa hatte das ausgesehen.

Viel Zeit war seitdem vergangen.





17:07



Die Menschen waren es hier gewöhnt, mobil zu sein.

Das war ja auch äußerst hilfreich, sie waren mal hier, mal dort und kaum Zeit verstrich.



Es ist die menschliche Freiheit, das Auto!

Menschlich Freiheit ist die Fähigkeit zu laufen!

Es ist unsere demokratische Freiheit, die Öffentlichen benutzen zu können, zu dürfen!



Es ist eure Freiheit, entscheiden zu können, wo ihr hinwollt!

Achso.

Was bildest du dir denn ein?





18:59



Zog man den Stecker aus der Dose, so war man plötzlich nicht mehr drin.

Hey! Wir sind draußen! Pass doch auf!

Es war sehr wacklig, die ganze Angelegenheit war wacklig, instabil.

Ihr verlasst euch auf die Stecker?

Was bleibt uns denn sonst übrig?

Sie hatten Recht.



Eine Menge Daten waren zu verstauen.

Wenn der Platz nicht reiche, dann habe man ein Problem. Ein großes Problem, denn man habe ja nicht ewig Zeit und im Hintergrund wurden schon fleißig Däumchen gedreht.



Wie wäre es mit einer Erweiterung?

Oder einer Verlängerung?



Bist du verrückt?





20:21



Köche sind Kreateure.

Sie sind auch kreativ, ja – aber vor allem sind sie Schöpfer.

Sie bauen sich ihre eigene Welt auf.

Sie haben den Plan und richten die Karte ein.

Wie ein großer Komponist, aber eben viel elementarer.

Sie entscheiden, was geboren, sprich: in die Pfanne, kommt und was am heutigen Tage aufgetischt wird.



Sie sind Götter?



Bleiben wir mal auf dem Teppich, aber sie sind durchaus kleine Herrscher über ihr Universum.



Du musst auch aufpassen:

Gehst du in ein Restaurant, so willst du Nichts vom Koch. Nein, er will was von dir.

Okay, natürlich auch dein Geld.

Aber du bist nicht da, um von ihm bekocht zu werden.

Du bist da, um seine Werke zu testen, um die Ehre zu haben, ein Stück von seiner Schöpfung in deinen Magen zu bekommen.

Er regiert, es herrscht der Absolutismus.

Jedenfalls: du bist nicht der Zu-Bedienstleistende, du bist vielmehr nur ein ganz kleines Teilchen seines Reichs – du glaubst du kommst freiwillig hier rein, aber da kann man sich nicht so sicher sein.

Und außerdem: wenn er keine Lust mehr auf dich hat, dann könnte er dich einfach eliminieren.

Ein bisschen davon in den Topf, dann noch das.

Und du bist seinen Launen ausgesetzt.

Seelenruhig nimmst du dein Besteck und löffelst seine Suppe aus. Also; jetzt nicht übertragen gemeint.



Alles hier schwitze.

Menschen, die beim Essen schwitzen. Es war widerlich.

Aber es schmeckte.



Was passiert eigentlich, wenn man nach dem ersten Probierschluck die Flasche Wein gnadenlos ablehnt?

Ekelhaft das Zeug!

Sie holte was Neues.



Was hast du da gerade für einen Schwachsinn geredet?

Mit dem Koch?



Totaler Blödsinn.





22:36



Sind Menschen, die sich nicht mehr kontrollieren können die ehrlicheren Menschen?



Du Arschloch.

Ich hasse diese Stadt.



Hör auf, reiß dich zusammen.

Oder man macht eben weiter.

Im Endeffekt spielt es keine Rolle.



Die Straßen waren leerer, aber irgendwie lebendiger.

Waren es einfach nur die richtigen Leute?

Die perfekten Leute?

Total happy und so.



Wie dem auch sei, man trank halt.



Kennst du die da?





0:01



Sie erzählte gerne Geschichten und hörte gerne Gedichte.

Geschichten waren langweilig, Gedichte waren blöd.



Sonst war die Frau in Ordnung.

Wer sagt das? So verachtend?



Es war eine Zeit, zu der Alles nicht weniger, sondern immer mehr wurde – das konnte man gut finden, das konnte einem auch auf den Geist gehen.



Jetzt einfach in den Wald gehen?

In den Wald?

Häuser zu Bäumen machen.

Das klang verdammt nach Naturtrip und würde nur in einer Naturaggression und einem Tritt gegen einen Baum enden. Lässt man bleiben.



Es gab hier aber jetzt auch Stellen, die waren absolut verlassen – da war es nur dunkel, ohne Beleuchtung eben und da schlief man auch.

Die Stadt hatte sich in zwei Hälften geteilt.

Schlafende gegen Wache.

Vernunft gegen Weitermachen.



Bist du müde?











1:38



Die Leute konnten den Fahrplan noch so oft anstarren, die Zeiten standen fest. Da ging Nichts mehr.



Sollen wir laufen?





1:56



Müdigkeit.



Wenn man die Augen krampfhaft offen halten muss, wenn man nicht mehr spürt, dass man seine Beine bewegt, dann sollte man sich hinlegen.

Sollte man, muss man aber nicht.



Willst du dich hinlegen?





2:13



Einer kehrte die Straße.



Schaufenster waren ja immer sichtbar.

So hatte jeder zu jeder Zeit die Möglichkeit, Waren zu betrachten.

Oder eben starre Puppen anzugucken, die Waren präsentierten.

Oft hatten sich irgendwelche Leute etwas ausgedacht; eine Idee wurde umgesetzt. Ein bestimmtes Thema wurde durch dazu passende Dekoration dargestellt.

Jeder konnte sich seinen Teil dazu denken.



Zwei Bräute. Die eine hebt ihren rechten Arm, beide schauen nicht sehr fröhlich.

Neben ihnen steht ein Bräutigam.

Ein hübscher schwarzer Anzug.

Zwei bombastische weiße Kleider.

Muss er sich entscheiden, oder was?

Es war ziemlich hell bei denen – da drinnen.



Die Augen tränten hier schnell.

Sie waren zu trocken.







3:26



Überall sah es fast gleich aus.

Es ist nicht immer leicht, den Weg zu finden.

Zumal es ja verdammt spät war.



Die Menschen, die jetzt noch unterwegs waren, die gingen entweder nach Hause oder sie waren gerade von zu Hause aufgebrochen.



Der Lieferant holte ein großes Paket aus seinem Laster, packte es auf eine Sackkarre.

Er hatte den Schlüssel zu dem belieferten Laden.

Wieso?

Hatte er die Schlüssel zu allen seinen Kunden?

Da lief er dann herum. Zwischen Regalen und Kassen.

Nahm er sich manchmal eine kleine Erfrischung?

Nur so, ganz unauffällig.



Ein Hupen.

Straßen sollten immer beachtet werden, auch wenn kein Auto erwartet wird.



Kannst du nicht aufpassen?





4:00



Der Platz war hell.

Viele Werbeschriften stachen ins Auge.

Für wen wurden sie beleuchtet, hier war niemand.



Es war ein Ausgangspunkt, ein Ankunftsort, ein Sammelpunkt, eine Wiederkehr.



Es war merkwürdig heiß.

Bellen war von Weitem zu hören.



Die Füße taten weh, die Kehle war trocken.



Verdammt nochmal.



Wie spät ist es?
 

mara

Mitglied
Hallo, Zeitsucht! :)

Im allgemeinen gefällt mir Dein Text gut. Schöne Gedankengänge. Ich glaube allerdings, er würde sich flüssiger lesen, wenn Du nicht ständig auf die Reset-Taste gedrückt hättest. ;) An einer Stelle ein von Dir sicherlich nicht beabsichtigter Lacher: "Ein Dreieck baute sich auf. Es hatte drei Ecken." *g*
 

Zefira

Mitglied
Am besten gefiel mir der Absatz "Zog man den Stecker aus der Dose..."
Ja, wirklich, es hat was. Die richtige Formatierung für diesen Text wäre: ihn auf einen langen Papierstreifen drucken und die Enden zusammenkleben. Meine ich jetzt ganz im Ernst. Gute Idee!

lG, Zefira
 

zeitsucht

Mitglied
danke euch beiden, durchaus spannende überlegungen dabei ;)

ja, durchaus ist hier ausgeprägter "resetismus" vorhanden, weniger beabsichtigt, als dumm entstanden.

wer die ursprüngliche, sinngerechte formatierung sehen will, der guckt einfach bei

http://www.zeitsucht.org/0401.htm

vorbei


achja: die dreiecks-stelle ist bewusst zum potentiellen "lacher" geworden, in der tat!
 



 
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