40.000.000 deutsche Fernsehstunden auf einem Haufen

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40.000.000 deutsche Fernsehstunden auf einem Haufen


Ich lese manchmal im Internet Nachrichten über neue Erfindungen.

Das baut mich auf. Ich stelle mir dann vor, was es alles gibt, wenn ich mal alt bin, was es heute nicht gibt. Erfindungen finde ich gut.

Mich stört zum Beispiel unheimlich, dass wir zwar das Auto erfunden haben, aber dass das Benzin heute so teuer ist, dass mir das Autofahren nicht mehr soviel Spaß macht wie früher.

Ich denke, das ist wie mit den Eskimos und ihren Iglus. Stelle dir einmal vor, die Eskimos erfinden die Iglus, aber bauen diese aus Balsaholz. Und das Holz müssen sie nun jeden Tag aus Afrika herbei schaffen.

Und so ist das mit dem Auto und dem Benzin. Also nee.

Jetzt lese ich also, dass in Amerika eine neue Batterie erfunden wird, die Autos antreiben kann. Mit den heutigen Batterien geht das wohl noch nicht so gut.

Wenn wir in D so eine Batterie erfinden würden, dann brauchte ich nicht mehr soviel fürs Tanken ausgeben. Ich hätte im Nu eine Menge mehr Geld zur Verfügung. Und die anderen auch. Und dann könnten wir wieder mehr andere Sachen kaufen, und die Wirtschaft im Deutschland würde florieren undundund.

Jetzt rechne ich mal:
ein Forscher arbeitet 8 Stunden am Tag an 220 Arbeitstagen.
8*220 = ca. 1.800 Arbeitsstunden im Jahr.
Jetzt braucht er, sagen wir mal 5 Jahre für die Forschung für diese Sache. Macht:
8*220*5 = ca. 9.000 Arbeitsstunden in 5 Jahren.

Der gute Mann forscht nicht allein, sondern mit 4 Kollegen, macht 5 Mann. Das heißt:
8*220*5*5 = hochgerechnet 50.000 Forscherstunden für eine anständige Batterie.

Am Samstag sehen ungefähr 20 Millionen Deutsche 2 Stunden lang abends fern.
Da fährt dann ein Bagger rückwärts über einen Sack mit leeren Bierflaschen und zwischendurch singt einer.

Unterhaltung muss sein, zur Entspannung, aber da kommt eben keine Batterie raus.

Wenn die 20 Mio Leute also am Samstag 2 Stunden lang gemeinsam am TV forschen würden, dann macht das 40 Mio Forscherstunden. Ruckzuck, ist die Batterie fertig.

Klar, die Zuschauer kennen sich nicht alle mit Batterien aus. Aber ein Jeder von uns weiß etwas auf seinem Gebiet und trägt seinen Teil bei.

Und über Internet und geeignete Datenbanken kann man das Wissen geschickt vernetzen und dann in einer Show, spannend aufbereitet, gesammelt zeigen.

Und zwischendurch kann ja auch einer mit seinem Bagger fahren.

Und klar, die Batterie wird nicht an einem Samstagabend erfunden. Wir brauchen bestimmt ein Jahr dafür.

Aber dann wird es noch besser. Wenn wir an ca. 50 Wochenenden (ohne Urlaub) im Jahr samstags einigeinigeinig forschen würden, dann macht das im Jahr 50x40 Mio Denkerstunden. Das ist eine ganze Menge Holz.

Also, wenn das Fernsehen das Prinzip einmal kapieren würde, dann kämen Erfindungen am laufenden Band heraus, auf allen Gebieten. Und zwischen den Marssiedlungen fahren die Autos in Zukunft mit dem Antrieb made in Germany.

Ich würde die erste Marssiedlung dann Neulandz nennen. Zu Ehren von einem legendären deutschen Showmaster.
 
D

Dominik Klama

Gast
Ähm, rein theoretisch ist es so (die Feinheiten weiß ich nicht so genau, weil ich kein Volkswirtschaftler bin), dass es egal ist, ob die Deutschen ihr Geld für Benzin oder für Smarties, Tanktops und Biogemüse ausgeben. Denn es wandert da ja nur Geld von einem zum anderen. Geld ist ein Schein, auf dem drauf steht, dass man Leistungen von jemand kriegen kann, wenn man ihm dafür diesen Schein weiterreicht. Geld als solches ist aber wertlos, weil man es nicht essen, sich nicht damit anziehen und keine unterhaltsamen Lektürestunden damit verbringen kann.

Darum haben die Leute, die viel Geld besitzen, im Keller auch keine Swimmingpools, die mit 500-€-Noten gefüllt sind. Sondern sie kaufen sich vielleicht schicke Badezimmereinrichtungen, Pelzmäntel und Privatflugzeuge davon. Was dann dazu führt, dass einige Handwerker, Pelznäherinnen und Flugzeugschlosser ihr Gehalt kriegen und sich davon schicke Flachbildschirmfernseher kaufen können. Und so weiter. Oder die Leute, die viel Geld haben, tragen es zur Bank und kaufen schicke Wertpapiere davon mit einer vielfach höheren Rendite als übliche Sparkonten. Aber auch die Bankan lagern dann das Geld nicht im Keller ein, sondern schütten Millionenboni an ihre Manager aus und stecken den Rest über gut getarnte Investmentfirmen in den USA in Wertpapiere mit noch mal einer höheren Rendite. So wandert, verteilt und fließt das Geld bald überall herum, auch das Geld von den Tankstellenpächtern und Mineralölfirmen. Teile davon müssten irgendwann auch bei uns durchfließen und uns erlauben, modernste Batterien zu kaufen.

Der Streit geht nur ein wenig darum, ob man es durch Beschlüsse von Politikern und entsprechende Gesetzesänderungen hinbringen sollte, dass möglichst viel Geld zu denen fließt, die schon einiges haben, damit diese auf die Idee kommen, zum Erwerb weiteren Geldes neue Firmen, beispielsweise für die Batterienfertigung, zu bauen, welche dann auch wieder neue Arbeitsplätze mit sich bringen, wo etliche Leute dann wieder was verdienen, was sie für Smarties ausgeben können, oder ob man den Geldfluss eher so steuern soll, dass es breiter verteilt wird, mehr von den sogenannten "kleinen Leuten" erreicht und diese dann fleißiger konsumieren können, als sie es die letzten 20 Jahre konnten. Was nämlich für die, welche die Mittel haben, Fabriken zu bauen, dann ein Anzeichen wäre, dass man mit solchen Fabriken jetzt wieder mehr Profit machen kann. Und dann würden sie wieder mehr bauen.

Das erste Verfahren geht beispielsweise so, dass man die Unternehmersteuern senkt, die Erbschaftssteuern, die Börsenumsatzsteuer abschafft, den Spitzensteuersatz senkt. Wie uns allen sogleich ins Auge springen wird, ist dies genau, was die sozialdemokratische Regierung unter dem Bundeskanzler Schröder getan hat. Nun ist es aber schon so, dass dies ja bedeutet, dass der Staat automatisch weniger Geld einnimmt. Er selbst kann somit auch weniger ausgeben und nicht mehr den allgemeinen Wertschöpfungsprozess aus seinen eigenen Mitteln so anregen wie vorher. Oder aber, er macht Schulden und immer mehr Schulden. Was dann irgendwann einmal dazu führen könnte, dass das Vertrauen in seine Währung zerbricht und möglicherweise die gesamte Volkswirtschaft einen Kollaps erleidet.

Oder aber, man gleicht das, was man auf der einen Seite staatlicherseits weniger reinbekommt aus, indem man auf der anderen Seite weniger ausgibt. Das geht beispielsweise so, dass man die inflationsbereinigte, aber alles Versteckte mit eingerechnete Einnahmenquote des sogenannten einfachen Mannes laufend absenkt, indem man den staatlich verordneten Abgabenanteil allmählich erhöht. Da haben wir zum Beispiel eine Bundeskanzlerin Merkel in Erinnerung, die gleich nach ihrem Amtsantritt eine drastische Mehrwehrsteuererhöhung beschlossen hatte. Oder man kann die Transferleistungen an die Armen der Gesellschaft einfrieren und sogar effektiv allmählich absenken, wie wir das wiederum von unserem Kanzler Schröder und seinem genialen Rezept Hartz IV kennen.

Dieses alles heißt, dass die breite Masse der Bevölkerung nicht mehr ganz so viel auszugeben hat wie früher. Und dies daher auch nicht tut. Der Konsum geht also zurück, somit geht auch die Wirtschaftsleistung zurück. Aber eben deswegen haben wir ja den Reichen und Superreichen dieses ganze Geld zugeschoben, dass sie es, obwohl sie im Markt mittlerweile nicht mehr so viel Profit machen wie früher, dennoch haben und dann wieder neue Fabriken bauen können, wo wir wieder gutes Geld verdienen und somit noch mehr Smarties kaufen können.

Allerdings ist halt inzwischen so, dass man diese Renditen, wie man sie am Kapitalmarkt erzielen kann, mit keiner Batteriefabrik mehr erzielt (oder was man sonst an neuen schönen Patenten hat, die man aufgekauft hat). Darum stecken dann also diese Reichen wie die Mineralölfirmen und die ganzen Leute, denen Herr Schröder und Frau Merkel ihre Steuergeschenke gemacht haben, das Geld inzwischen gerne in solche "Papiere". Die aber nicht mehr darauf fußen, dass irgendwer irgendwo eine neue Fabrik baut und dafür von der Bank was geliehen kriegt und also Schulden bei dieser Bank gemacht hat, sondern darauf beruhen, dass irgendwo jemand die Schulden von irgendwem aufgekauft und weiterverkauft hat und so was jetzt als Werte handelt.

Wenn man dann am Ende mal genauer hinsieht, stellt sich leider hin und wieder raus, dass die Schulden, die da irgendwann anfänglich mal gemacht wurden, ganz abstrus sind. Da haben sich Arbeitslose in Florida Häuser auf Pump gekauft. Da haben sich zahlungsunfähige Staaten wie Griechenland frische Kredite besorgt. Darum platzt das am Ende. Die auf der einen Seite, die diese Schulden gemacht haben, stehen ohne alles da - und die auf der anderen Seite, unsere deutschen Geldbesitzer, die in um tausend Ecken gehandelte Schuldpapiere investiert haben, stehen auch ohne alles da. Vor allem stehen natürlich unsere Banken in dem Moment ohne Geld da, wenn diese Papiere, in die sie investiert haben, als Schwindel platzen. Dann sagt der Staat aber, die Banken sind systemrelevant. Die kann kein Staat mehr pleite gehen lassen, sonst kippt die ganze Wirtschaft um. Darum kauft der Staat dann die wertlos gewordenen Wertpapiere dieser Banken und zum Teil auch die Banken selbst auf. Dafür gibt der Staat jetzt allerdings natürlich wieder Geld aus. Und das muss er woanders wegnehmen. Da er es aber ja nicht den Reichen nehmen will, nimmt er es eben allen anderen, also uns. Also haben wir nicht mehr so viel Geld in der Tasche und können schon wieder nicht mehr so viele Smarties kaufen, wie wir gerne würden.

Irgendwo muss das Geld aber ja dennoch immer noch stecken. Das pflegt dann oft bei irgendwelchen Investmentbankern zu sein, die den Papierzwischenhandel besorgt haben. Die haben nämlich Millionen dafür gekriegt, dass ihre Firmen so riesige Umsätze gemacht haben.

Nun müssen wir halt unsere Hoffnung darin setzen, dass schließlich diese Boni-gestopften Banker, denen der Swimmingpool mit den Banknoten ja auch nicht viel nützt, beschließen, dass sie ab jetzt ins Batteriefabrikgeschäft investieren, obwohl die Rendite im Papierhandel eigentlich besser wäre.
 
U

USch

Gast
Hallo Dominik,
das Wesen des Geldes hast du als Nichtökonom ganz gut beschrieben. Inzwischen ist es so, dass mehr als zehnmal soviel Geld in der Welt (Die Zentralbanken drucken halt immer neues)vagabundiert wie an Welt-Bruttozozialprodukt (Wert aller Waren und Dienstleistungen) dem gegenübersteht. Deshalb dieser Irrsinn mit den Finanzprodukten. Wo sollen die Reichen mit ihrem Geld hin? Sie geben es Finanzjongleuren, die es vermehren sollen. Irgendwann kommt es zum ganz großen Knall und zu Währungsreformen, denn es stehen dem ja keine echten Werte gegenüber. Bestenfalls wird es über zunehmende Inflation gelöst. Aber der sog. kleine Mann wird immer der Dumme bleiben, denn sein Einkommen verliert immer mehr an Wert oder er wird arbeitslos.
Trotzdem setzen sich immer mal wieder Erfindungen durch.
LG USch
 
U

USch

Gast
Hallo Rhondaly DaCosta,
ein nett geschriebener Text - wohl eine Totalsatire. Es gäbe da wohl erhebliche Koordinationsprobleme bei so vielen Erfindern und das Ergebnis ist dann immer die Diktatur der Mittelmäßigkeit und wohl kaum das geniale Produkt.
mit satirischen Grüßen
USch
 
D

Dominik Klama

Gast
An beide:
Die Leute gucken ja jeden Tag zwei Stunden fern. Erst neulich wieder eine Statistik gehört. Der durchschnittliche Deutsche guckt irgendwas zwischen zwei und drei Stunden Fernsehen jeden Tag. Jeden Tag! Der Durchschnitt! Ich gucke zum Beispiel nie, weil ich keinen habe. Also guckt jemand anders entsprechend mehr, damit dieser Durchschnitt entstehen kann. Irgenwelche Jugendlichen gucken auch nie, weil sie immer Party, Internet, 3-D-Kino und Handy machen. Da guckt dann auch jemand anderes für die.
Also: Dann wissen die Leute ja Bescheid über das mit dem viel zu vielen Geld, was irgendwann zu nichts anderem als einer totalen Weltwirtschaftskrise führen kann. Das sagt ihnen das Fernsehen doch.

Und von wegen, wir schmeißen mal alle unsere jeweiligen Fähigkeiten zusammen, dann kommt ganz, ganz viel dabei raus. Das ist genau, wie wenn man Leselupe liest statt Franz Kafka oder Heinrich Kleist. Im Einzelnen taugt es nicht ganz so viel, aber in der Vielfalt und Üppigkeit ist es natürlich viel gigantischer.
 



 
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