Als es keine Geister mehr gab.

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pleistoneun

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"Er atmet immer noch!", dachte Isidor und drückte noch fester zu. Schweiß stand ihm auf der Stirn und die Anstrengung des Zudrückens konnte man auch an seiner Halsschlagader ablesen, die sich inzwischen zu einem dicken Schlauch aufgeblasen hatte. "Verdammt, das gibt´s doch nicht, ich spüre noch immer seinen Atem!". Mit seinen kräftigen Händen umfasste er den schlanken Hals und drückte zu. Isidors Augen begannen sich zu röten und verengten sich zu wutgeladenen Sicheln, die dem Unterfangen zusätzliche Schärfe verleihen und ein schnelles Ende bereiten sollten. Plötzlich war nichts mehr zu hören. Das Atmen hatte aufgehört. Isidor hatte es geschafft. Er hatte den Plastikkorken weit genug in die Flasche gedrückt, sodass der Wein nun keine Luft mehr zum Atmen hatte. Geschafft! Isidor wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und lehnte sich auf dem Küchensessel zurück, um das Ergebnis zu beschauen.

Nach vier Stunden festem Schlaf erwachte Idisor aus seinem Vollrausch und fand sich am Küchentisch wieder. Er blickte langsam auf und mit seinen restalkoholisierten, müden Augen wollte er die Uhrzeit von einer fremden Hand ablesen, die da jemand halb ins Gesicht streckte. Erschrocken fuhr er hoch und sah ihn da vor sich auf dem Tisch liegen. Tot, wie es aussah. "Oh, nein. Nein. Alles umsonst! Wie konnte das nur wieder passieren?", lamentierte Isidor. Er hob den auf dem Tisch liegenden Weingeist und begrub ihn im Garten, dort, wo die anderen lagen.

Die Handhabung eines geöffneten Weines war nicht Isidors Stärke, denn ihm war nicht klar, dass der Geist des Weines erstickte, wenn man ihm gänzlich die Luft zum Atmen nimmt. Isidor beendete die Gartenarbeit, legte die Schaufel beiseite und schlapfte zurück ins Haus, wo er sich im Kühlschrank eines kühlen Biers bediente. Mit unsicher-nüchternen Handgriffen öffnete er die Dose: "Ich werd dich jetzt trinken, Bier! Und dich, lieber Biergeist, dich trinke ich aus Rücksicht gleich mit!"
 



 
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