Ameisenkrieg - Püttmann ... Folge 9

Ameisenkrieg

Skatbruder Kalle hatte für seine Feriengäste son schwattet Brett im Flur angebracht. Da standen Telefonnummern vonne Ärzte, dem Hausverwalter-Blockwart und vonne LTU drauf.

Da hing auch en Zettel mit som komischen Hinweis dran: „Ameisen besitzen einen feinen Geruchssinn. Krümel, Zucker und Speisereste locken Ameisen unverzüglich in die Wohnung“.

Ich dachte: Son Blödsinn! Typisch Kalle! Leider kapierten wir die Warnung erst viel später.

Mein Bertaken bereitete mir jeden Morgen dat Frühstück, claro, immer schön aufe Terrasse. Ich freute mich schon auf mein Kaffee con leche, Spiegeleier mit Speck und mein Spezialgetränk aus frisch gepresste Appelsinen, en Schuss Rotwein und en geschlagenet Eigelb. Son spanischer Potenz-Schubgeber war dat angeblich. Leider merkte ich als Deutscher nix davon.

Der Lorenz knallte vom Himmel, allet deutete wieder auf en prächtigen Strandtag hin.
Plötzlich hörte ich en furchtbaren Schrei: „Iiiiih ... Williiiii!"
Ich raste inne Küche und sah Berta kreidebleich vorm Wandschrank stehn. Sie wirkte total entgeistert und starrte ungläubig auf ne schwatte, marschierende Masse. Ameisen!
Ich sah mir die Bescherung näher an. Widerlich!
Im Zuckerpott wimmelte et nur so von Ameisen! Im Brotkorb tummelten sich Heerscharen von den Viechern, richtig ekelhaft sah dat aus! Ich verfolgte ihre Marschroute:

Eine drei Zentimeter breite Ameisenstraße zog sich vonne Terrasse herauf in dat Wohnzimmer rein, krabbelte weiter inne Küche, dann die Wände hoch und ab inne Schränke rein. Dann gingen diese ungebetenen Gäste ran anne Buletten!

„Tu wat, Willi, steh da nich rum und glotz die Ameisen an!", kommandierte Berta verzweifelt.

Jetzt galt et erst ma Ruhe inne Truppe zu bringen!
„Berta", sachte ich beruhigend, „sei nich hysterisch, von Ameisen stirbt man nich. Dat sind keine Kannibalen, auch keine Spinnen oder Giftschlangen. Kapiersse dat? Und jetz lauf schnell in den Abstellraum, da steht über der Waschmaschine dat Ameisenspray!“
Als Berta die Tür zum Abstellraum öffnete, schrie sie wieder dieses furchtbare „Iiiiiih“, nur noch etwat lauter.

Et lief mir kalt den Rücken runter. Die Schmutzwäsche vor der Waschmaschine war ebenfalls schwatt von den Ungeheuern!
Ich muss zugeben, et war auch für mich im Moment schwer, nich die Beherrschung zu verliern.
Ich versuchte mein Bertaken ein zweitet Mal sehr behutsam zu beruhigen: „Ruhe jetz, verdorri noch ma, lass dat widerliche, hysterische Kreischen, dat sind nur Ameisen!“

Berta drehte sich um, knallte die Tür zu und schrie von draußen: „Hier bleib ich keine Minute länger! Saustall!" Weg war se.

Willi, sachte ich für mich, jetz musse nen kühlen Kopp bewahren, wie damals beim großen Hochhausrohrbruch in Herne-Baukau. Also, schön ruhig bleiben, nich ausrasten, beherzt handeln.
Ich schnappte mir dat Ameisenspray, verschaffte mir Übersicht, und dann musste ich strategisch klug heran an den krabbelnden Feind! Nur so konnte dat laufen! Also, auf in den Kampf, Torero!
Zuerst bekämpfte ich die breite Straße anne Hauswand, somit schnitt ich schon ma die Nachschubwege ab. Dann arbeitete ich mich langsam zur Terrasse, zum Wohnzimmer, zur Küche und dann zum Abstellraum vor.

Zucker, Brot und andere belagerte Esswaren kloppte ich inne Müllbeutels, und ab damit inne große Außenmülltonne. Die Wäsche schmiss ich flott inne Badewanne, schleuderte die kräftig hin und her, duschte se ab und jagte die schwimmende Plage in den Abfluss.
Dann wurde der Staubsauger aktiviert. Die Straße mit der organisierten Ameisenbande wurde mit 2000 Watt Saugleistung in den Staubsaugersack befördert.
Nach fünfzig Minuten hatte ich den Sieg inne Tasche drin. Der Spuk war vorbei.
Ich schob noch zwei Stunden mit en paar Flaschen Bier Wache, um eventuell auftauchende feindliche Spähtrupps, nachrückende Logistik- und Nachschubbataillone aufzuspüren.
Glück gehabt! Es gab nicht ma en einzigen Reservisten, der et wagte, seinen Kopp rauszustrecken.
Stolz blies ich innerlich Entwarnung. Dat war dat gedankliche Signal, mir nach diesem aufopferungsvollen Kampf noch ma kräftig einen zu genehmigen!

Aber wat war mit meiner Berta? Wo konnte die Frau nur stecken?
Ich musste als Nächstes ausrücken und mein Bertaken einfangen. Stolz wollte ich ihr verkünden, dat ich als Sieger aus der Ameisen-Schlacht hervorgegangen war und ihrer Heimkehr nix mehr im Wege stand.
Wo war se nur? Hoffentlich hatte se nich schon irgendwo en Hotelzimmer genommen und ließ mich hier schmorn.
Vielleicht war se sogar mit nem Taxi zum Flughafen gefahrn, um mit der erstbesten Maschine nach Hause zu düsen. Dat brachte die Frau fertig!
Sie hatte doch hoffentlich vor lauter Ameisenekel keinen Schock bekommen und irrte jetz irgendwo verwirrt herum?
Fragen über Fragen! Hoffentlich war ihr nich noch wat Schlimmeret passiert. Nee, daran durfte ich gar nich denken! Mein liebet, kleinet Bertaken, tu mir dat bitte nich an!

Verzweifelt suchte ich mehrere Strände ab, rannte wie bekloppt inne näheren Umgebung rum und fragte alle Leute, ob se nich meine Berta irgendwo gesehn oder eventuell am Strand ne Leiche gefunden hätten. Alle Kneipen hab ich abklabastert. Nix war von ihr zu sehen oder zu hören!
Bei all meinem großen Kummer vergaß ich allerdings nich, mich zwischendurch mit en paar Pilskes zu erfrischen. Natürlich schöpfte ich damit für die weitere Suche nach meinem lieben Bertaken neue Kräfte. Ich suchte und suchte. Nix! Berta war spurlos verschwunden.
Restlos kaputt und geknickt kam ich ohne meine liebe Berta heim!

Ich wandelte, versunken in bösen Ahnungen, auf die Liegewiese. Ich traute meinen Augen nich!
Da rekelte sich dat Berta hinter unserem Apartheidsblock im Liegestuhl am Pool. Ich erwischte se gerade in sonne aufreizende Anmachposementur. Sie hielt en Glas Schampus inne Hand und schwadronierte mit som jungen spanischen Stenz.

Mit Sicherheit hatten die beiden dat Thema „Ameisen“ drauf.
 



 
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