Anna

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gareth

Mitglied
Ein kleines Kreuz aus Holz steht an dem Ort,
an den man Dich zur letzten Ruhe brachte,
und um es her da weht ein Wind ganz sachte
die Blätter, wenn sie fallen, leise fort

Er weht sie von den Kreuzen und den Steinen,
die hier für viele and´re Kinder stehen,
dass wir, die leben, ihre Namen sehen
und Sonne, Mond und Sterne sie bescheinen

Und manch ein Spielzeug kündet noch vom Lachen,
von zarten Händen, die es einst gehalten,
von Liebe, Hoffnung und des Todes Walten,
von der Vergeblichkeit der Pläne, die wir machen

Auf Deinem Grab steht bunt und ganz alleine
ein Bär aus Ton mit fröhlich rotem Hut.
Still wacht er über jene, die da ruht
und sieht in uns´re Welt, wie auch in Deine

Matt glänzt dies schlichte Kreuz, das Deinen Namen
uns Menschen zeigt, nur 'Anna' und sonst nichts,
es harrt mit dir der Wiederkunft des Lichts,
das Dich und uns erlösen möge. Amen.
 
K

Klopfstock

Gast
Lieber Gareth,
zuerst habe ich es nur bewertet, aber dieses Gedicht
ist so zart, so liebevoll und so voller Trauer und Melancholie, daß es mich drängt, dieses wenigstens zu schreiben. Es geht mir sehr nahe, auch wenn ich nicht weiß, ob Du ein Betroffener bist, oder nur ein Friedhofsspaziergänger, der sich seine Gedanken zum Thema "früher Tod" macht.
Was mir besonders gefällt ist, daß dieses Gedicht nie
ins Gejammer abrutscht - irgendwie schaffst Du die Kurve,
daß richtige Maß zu erwischen.
Trotz aller Traurigkeit, hast Du es geschafft auch Hoffnung
einzubauen - und all dieses mit solch einer leichten
Selbstverständlichkeit geschrieben, daß ich begeistert bin
von diesem Gedicht. Und selbst die Reime gehören, wie selbstverständlich dazu - obwohl Reime bei zu ernsten
Sachen auch ins Peinliche abrutschen können, ist hier das Gegenteil der Fall.
Alles in allem ein äußerst gelungenes Werk!!!!

LG Klopfstock:)
 

gareth

Mitglied
Liebe Klopfstock,

deine Worte haben mich sehr gefreut.
Es sind ja genau die formalen Probleme, die du ansprichst, die es so schwierig machen, über bewegende Dinge zu schreiben.
Ich bin ein Spaziergänger in dem Sinne, dass ich oft an einer kleinen Abteilung mit Kindergräbern vorbei komme, wenn ich das Grab meines Vaters besuche. Eines davon ist das, über das ich stellvertretend für alle geschrieben habe.

Liebe Grüße
gareth
 
L

Lotte Werther

Gast
An gareth

Leben und Tod, Gottlosigkeit oder Anklage an den gnadenlosen ungerührten Schöpfer, der Mensch in seinen Grenzen und seiner Hilflosigkeit - das sind die Themen, gareth, die du immer wieder aufgreifst.

Und immer tust du es in einer leisen, unsentimentalen und doch berührenden Sprache.

In diesem Gedicht hat mich die letzte Strophe, die es zum Gebet werden lässt, am meisten beeindruckt.

Lotte Werther
 

Sanddorn

Mitglied
Lieber gareth!
Ich muss sagen: Mir gefällt dein Gedicht auch sehr gut. Es erinnert mich an ein Buch, das ich vor ungefähr 3 Jahren las: "Hallo Mister Gott, hier spricht Anna" von einem Autor, der sich Fynn nennt.

''Der Unterschied von einem Mensch und einem Engel ist leicht. Das meiste von einem Engel ist innen, und das meiste von einem Menschen ist außen''
Anna war secht Jahre alt. Manchmal hieß sie Fratz. Mit fünf Jahren kannte sie den Sinn des Lebens und wußte, was Liebe ist. Dazu war sie eine persönliche Freundin und auch Beraterin von Gott. Mister Gott eigentlich. Da die Engel selbstverständlich englisch sprechen, war anzunehmen, daß ihr oberster Herr das auch tat. Mister Gott also.
Anna war sehr gebildet. Theologie, Mathematik, Philosophie, Dichtkunst und Gärtnerei - nichts war ihr fremd. Fragte man sie etwas, bekam man unter allen Umständen eine Antwort. Manchmal verzögerte sich die Antwort, aber nach ein paar Wochen oder gar Monaten kriegte man sie - manche Dinge brauchen ihre Zeit.
Sie feierte ihren achten Geburtstag nicht hier; sie starb vorher bei einem Unfall. Sie starb mit einem Lächeln auf ihrem Gesicht. Ihr letzter Satz war: ''Wetten, daß mich Mister Gott dafür in sein Himmel reinläßt.'' Und ich wette nicht dagegen. Er tat es sicher.

Ein sehr bewegendes Buch und zur Vollständigkeit müsste dein Gedicht noch hinzugefügt werden.
Wirklich sehr gut.

Wünsche dir noch einen schönen Abend,
Sanddorn
 

gareth

Mitglied
Liebe Sanddorn,

gerade bin ich wieder einmal hier vorbei gekommen und habe gesehen, dass ich Dir nicht auf Deinen Kommentar geantwortet habe. Dabei hat mich Deine Zustimmung besonders gefreut. Ich habe Dein Profil und Dein Alter angesehen und bin mir darüber klar geworden, dass ich ohne meine Kinder dieses Gedicht niemals geschrieben hätte.

Das Buch über Anna und Mr. Gott habe ich gelesen bevor meine Kinder auf der Welt waren. Ich sollte es heute noch einmal lesen, denke ich. Es muss noch irgendwo sein :eek:)

Liebe Grüße
gareth
 



 
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