Beim Bücherantiquariat

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cornelisven

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Beim Buchhändler.

Wenn ich Eosandra, die fast dreijährige Tochter meiner Freundin vom dem Kindergarten abholen soll, bin ich immer zu früh. Ich plane es zwar so, rechtzeitig da zu sein , aber wenn ich komme, müssen die Kinder immer noch Nachspeise essen oder Zähne putzen. Halbzwei ist eindeutig zu früh.
Ich kenne die Ringstrasse inzwischen sehr gut. Es gibt keine freien Parkplätze. Ich parke mein Auto geschickt vor einem Baum. Vorn und hinten kann man bequem ausparken Diesmal habe ich auf dem Behindertenplatz geparkt, wo sich bis jetzt noch kein Behinderter hingestellt hatte. Aber es musste mal kommen. Gehupe, ich bin noch in der Nähe. Ein metallicfarbener Bolide hält vor dem reservierten Platz. Um Schlimmerem vorzubeugen renne ich zu meinem Auto, entschuldige mich im Vorbeigehen und mache den Platz frei. Ich sehe den Mann aussteigen und geschmeidig zum Tor seiner Wohnung laufen. Nicht schlecht für einen Behinderten.
Ich habe noch mehr als zehn Minuten zu warten bis die Nachspeise, der Arme Ritter, verspeist ist und alle Zähne geputzt sind. Ich entscheide mich heute mal das Antiquariat gegenüber den Kindergarten zu besuchen, obwohl mir vor solchen Läden immer etwas unheimisch ist. Sind sie echt oder sehen sie nur so aus?
Nach dem Schaufensterinhalt kann man sich nicht richten. Handbuch der Theologie , fünf Bände nach den Sternchen zu urteilen , aber es fehlt Band ****.
Soldat Schwejk mit Jugendstil - Umschlag. Sonstiges. Man bekommt den Eindruck, eine Sammlung Unrat aus Bücherschränken von sehr, sehr alten, wahrscheinlich bereits gestorbenen Intellektuellen zu sehen.
Aber was drinnen ist, weiß man ja nicht. Die Tür steht halb offen. Ich schiebe sie weiter auf, sehe herum und entdecke den Inhaber, ein Mann anfang dreißig, dunkelrotes Hemd mit weißbetonter Krawatte und braune Hose. Die Schuhe sind im herrschenden Dunkel nicht zu beurteilen.
-- Dürfte ich mal herumschauen – frage ich schüchtern.
-- Aber bitte, keine Ursache.--
Ich schleiche zwischen den Regalen herum, um mir einen Einblick zu verschaffen, was so alles herum steht und ob es vielleicht ein System gibt.
-- Suchen Sie etwas Besonderes, -- fragt der Chef. Er kennt seine Leutchen, und wenn sie nur zum Gucken kommen, kann er darauf verzichten.
Ich spüre das.
-- Ich versuche mich erst mal zu orientieren- sage ich vorsichtig ,-- ich weiß noch nicht.--
-- Hier ist Literatur, hier Handbücher, Geschichte, Philosofie...---.
Bei jeder Sparte zeigt er grosszügig mit seinem Arm in eine Richtung.

Jetzt hänge ich, denk ich, jetzt muss ich Farbe bekennen. Ich bewege mich so selbstsicher wie möglich zu den Regalen „Wissenschaft“ und „Philosophie“. Ich nehme ein Buch von den dunkelbraungefärbten Spanplattenregalen. Stereometrie. Interessant.
-- Ich meine, einen Dänischen Akzent gehört zu haben, -- sagte der Patron.
-- Nicht unmöglich, -- antworte ich, um den Palaver über meinem Niederländersein zu entgehen.
Ich fühlte mich schon schuldig. Ich hatte ja schließlich nicht vor, etwas zu kaufen. Und jetzt das, mit dem dänischen Akzent, den er gemeint hat, gehört zu haben...

Es kam ein älterer Mann herein. Sie kannten sich. Das merkte man. Der joviale Ton, die Blicke. Der Mann sah aus, wie die Leute ausgesehen haben müssen, von denen die Büchereien nach ihren Sterben bei diesem Antiquar zum Sterben nachgekommen sind .
Zeitlos, hochpensioniert. Die Wohnung müsste ein Kolorit haben von Alteichen Bücherregale, Couchgarniture , Prägetapete und dunkle Teppiche. Frau schon tot, Haushälterin oder älteste Tochter zur Versorgung da. - Und noch ganz gut im Kopf - ...sagte man immer
Er hatte ein Stapel Papiere in der Hand.
-- Es sind keine Medizinische Artikel --, hörte ich flüstern. Aha ein Doktor, dachte ich,..... -- Ich habe hier noch einige Texte......--
- Ah, jaja, Jawohl Herr Doktor Roemelin-Gölz, wir werden uns darum weiter kümmern .. --, und es entspann sich ein Gespräch zwischen den beiden. In Flüsterton geheimnisvoll, wir kennen uns..... Ich konnte das Gespräch leider nicht weiter ablauschen. Am Ende wechselte das Textbündel zu dem Buchhändler. Contrabande? Nee, unmöglich.
Der Mann verließ den Laden.
Ich fühlte mich als Zeuge eines Geschehens was mich nicht anging. Zurecht wahrscheinlich. Aber ich wollte mich ja nur umsehen.
Jetzt fiel mir der Geruch in dem Laden auf. Der Geruch von Büchern unverkennbar, alten Büchern. Von Altem Papier und wahrscheinlich riechen die Papiermilben oder papierfressende Silberfischchen so.
Der Buchhändler war verschwunden und ich machte weiter an meiner Entdeckungstour, um diese unauffällig beenden zu können und mit einer Haltung von „schade dass Sie das nicht haben“ zu verschwinden.

-- Hier habe ich etwas für Sie, -- hörte ich hinter mir, und gleichzeitig hörte ich wie ein Buch mit Wucht auf einem Tisch geworfenen wurde.
Ich drehte mich um. Ich stand neben ihm, dem Buchhändler. Und auf einem kleinen , dafür bestimmt nicht extra hingestelltem Tischchen lag ein Riesenbuch. Format Atlas oder Fotografienbuch. Schwarz-Weiß-Langeweile strahlte mir entgegen. Einen Augenblick stutzte ich, und dann las ich den Titel - Endviklingen danske Industriet i 19. Ärhundreten – oder so etwas Ähnliches.
-- Das wird Sie interessieren!! –
Er sagte es in einem Ton, dass es mich, wenigstens zu interessieren hätte.
-- Ja,-- sagte ich kleinlaut ,-- aber das hier interessiert mich nicht so besonderes, ja eigentlich gar nicht. --
-- Sie sind doch Däne.. –
-- Bin ich nicht. –
-- Aber Sie sagten doch eben dass Sie einen dänischen Akzent haben, oder wenigstens haben Sie, Sie...
-- Ich habe gesagt, als Sie äußerten ein dänischen Akzent gehört zu haben, dass das möglich ist, aber Däne bin ich nicht. --

Der Mann blickte verdattert von mir zum Buch und zurück. Er sagte nichts mehr, nahm sein Buch über die dänische industrielle Entwicklung und dreht sich um. Ich stand nicht so weit von der Tür und nahm die Möglichkeit wahr zu kneifen.
Ich hörte noch ein überhebliches Lachen hinter mir. Aber dann vor mir das klare Kindergelächter von meiner Sanne, die mich draußen entdeckt hatte.
 

knychen

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bitte nicht !!!

hallo cornelisven,
in deiner geschichte, die gewiß noch etwas überarbeitung bedarf, stört mich ganz konkret ein absatz. nämlich der mit dem schwejk und kurz danach dem unrat aus alten bücherschränken.
hast du den schwejk schon mal gelesen? richtig aufmerksam?
meines erachtens ist schwejk die umfangreichste sammlung an kurzgeschichten und anekdoten, die jemals in eine schlüssige rahmenhandlung gefasst wurde. zudem geprägt von einer zutiefst humanistischen grundeinstellung und geschrieben von einem mann, der neben einer eindrucksvollen vita auf genügend street-credibility verweisen kann.
absolut lesenswert und liebenswert. gruß knychen
 

cornelisven

Mitglied
Lieber Kny, da muss man doch höllisch aufpassen! Da ist ein Buch beleidigt, und das ohne Ahnung! Tja, nun kenne ich den Braven Soldat Schwejk nur vom Film mit Heinz Ruhmann. Aber ich weiß, man muss das Buch gelesen haben! Sonst, aha, und sage selbst: deutscher Gouda ist noch lange kein Holländergouda. Ich freue mich, dass Jaroslav Hasek
einen so zugewandten Fürsprecher gefunden hat. Das kann nie schaden, aber bei einem Kommentar zu meiner anekdotisch verfassten Geschichte, geht es mir zu weit. Es erinnert mich an meine Studentenzeit, wo es zu den gelungenen Witzen gehörte, ein Erstsemesterer zu erschrecken, durch eine ahnungslose Bemerkung in gespielter Rage aufzugreifen und den Armen so voll zu schimpfen, dass er sich für seine Ahnungslosigkeit entschuldigt („Meine Mutter war eine Wienerin....“. „Aber meine Mutter waaaar eine Wienerin , sie ist ja gestern gestorben, hu, hu und jetzt sagt du so etwas...“. ). Lachen natürlich hinterher und ein Bier auf Kosten des Frischlings.
Außerdem dürfte es keine Beleidigung, für welches Buch auch immer, sein oder wenigstens nur eine sehr relative , Unrat in einem Bücherschrank eines höchst Intellektuellen gefunden zu werden. Soldat Schwejk eben, oder das Leben des Heiligen Franziskus, ( von wegen, keine Vita, keine Street -credibility!!! ) , oder Moby Dick oder Frauen, Geld und Alkohol.
Liebe Kny, bleib ruhig, da, eigensinnig wie ich bin, werde ich diese Anekdote nicht mehr überarbeiten und Schwejk, the brave, vorerst nicht lesen.
 



 
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