Berliner Blau

malashon

Mitglied
I - Dichotomie

Ich habe die ganze Zeit gewartet:

Der Tod

Und dann schlendert Käthe Kollwitz durch

Berlin Charlottenburg
Merlin Karottenlurx

hat ihre Weber und Mütter unterm Arm

Lithographien
Schizophagien

und ich habe die ganze Zeit in einem Hauseingang gekauert

auf sie gewartet
und den Tod angeschrie'n

für sein lächerliches Blau.


Das Leben

Und dann lauert Käthe Kollwitz hinter der Neuen Wache und hat's mir nicht mal gesagt.


II - Und Adolph Wenzel?

Er ist immer kleiner geworden,
hat immer mehr in sich hineingemalt,
bis er an einem Adler hing
und sich an nichts mehr erinnern konnte:

Rembrandt.

Da waren schon längst
der Sturm über Berlin,
Abend in Sanssouci,
Titanensturz vor der Glut:

Rembrandt Harmenszoon.

Und er flog nicht nach Italien,
sie kamen zu ihm, gaben ihm ein Bild,
als hätte er - wie öftere Male -
seinen Fuß porträtiert, er pinkelte nicht:

Rembrandt Harmenszoon (van Rijn).

Aber sein ganzes Himmelblau!
Warum hat er sein ganzes Himmelblau
nur einer Skizze geschenkt,
einer Barockkirchenskizze -
unvollendetes Blau,
wenn er doch schon oben war:

Rembrandt Harmenszoon (van Rijn)
Leydensis?


III - Du!

[Du machst dafür lauter Photos
bis
Linden statt Stalinsprüchlein
den Weg zum kindersorgenden Soldaten säumen;
die Gedächtniskirche erinnert,
daß Heinrich von Kleist am Wannsee feststellte,
seine Schwester wäre doch sein Postdame;
der Brachiosaurus den Pergamonaltar schultert,
nach Milet zurückzubringen.

Brecht hat's schon immer gewußt
und dreht die Kugel vom Fernsehturm.

Dabei steht doch das Blaue Wunder in Dresden.
Dort fahren wir morgen hin.]
 
M

Melusine

Gast
Hallo malashon,
ich versteh's nicht, aber irgendwie finde ich es reizvoll, kann nicht recht sagen warum. Wie ein abstraktes Bild, vor dem man steht und nachdenkt, was es einem sagen will ...

LG Mel
 
D

druckfehler

Gast
Ich schließe mich Melusine an, ich verstehe nicht so recht worum es in deinem Gedicht geht.
Klingt wie eine wirre Zusammenstellung Berliner Sehenswürdigkeiten, wie von einem Touristen wahrgenommen, was Teil 3 vielleicht auch impliziert. Andererseits scheint das persönliche Schicksal des lyr. ichs eng mit der (Beschreibung der) Stadt verknüpft zu sein?
Aber damit werde ich wohl nur einen Bruchteil deiner Intentionen erfasst haben, wenn ich überhaupt richtig liegen sollte... Wonach sucht das lyrische ich?
Bitte um Erklärung, dein Gedicht weckt Neugier :)
 

malashon

Mitglied
Zuerst: Danke für das Interesse. Und leichte Erklärungsversuche:

1. Es sind drei eigenständige Gedichte, die aber formal und auch inhaltlich einander benötigen.

2. Sie hängen alle an der Malerei. Benutzte Bilder: Käthe Kollwitz' Werk; Rembrandt: Raub des Ganymed und ganz viel Menzel: z.B.: Das Balkonzimmer, Eisenwalzwerk, Flötenkonzert Friedrichs des Großen in Sanssouci. Außer dem letzten, das ist wirklich froheste Urlaubsphotographie, also doch eine Art neuere, andere Malerei.

3. Eine kleine Paraphrase: I: Tod und Leben; II: Leiden, III: Frohsein.
 



 
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