Beute

Isa

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Beute

Dünne Beine kämpfen sich durch das Gestrüpp. Sie sind zerkratzt und mit blauen Flecken übersäht, die von etlichen Stürzen zeugen. Sie bewegten sich schnell und stolpern jedoch immer wieder über aus dem Boden ragende Wurzeln.
Ein Rascheln lässt den Kopf des Mädchens umfahren, so dass sie erneut über eine Wurzel fällt und hart auf den Boden aufschlägt. Ihr Gesicht ist rot und Schweiß steht auf ihrer Stirn. Verzweifelt rappelt sie sich aus und leistet sich einige Sekunden, um zu verschnaufen. Sie wendet den Kopf einige Male hin und her. Das Rascheln von gerade eben ist verschwunden. Vielleicht schafft sie es doch noch rechtzeitig zum Dorf. Die dünnen Beine machen sich wieder auf den Weg und dann hört sie wieder ein Geräusch.
Sie fängt an zu rennen, sieht ihren Atem in einer weißen Wolke vor sich hertreiben. Ihre Lungen schmerzen und scheinen zerbersten zu wollen. Das Herz klopft ihr bis zum Hals und in wilder Panik läuft sie immer weiter ohne auf ihre Umgebung zu achten. Den Weg entlang, stolpert über Wurzeln, Zweige und Dornen peitschen ihr ins Gesicht und auf die nackten Beine. Diese werden immer schwerer. Verzweiflung überkommt sie. Sie kann nicht mehr, möchte einfach nur stehen bleiben und ausschnaufen.
Ihre Schritte werden langsamer. Ihr Atem geht stoßweise und sie jappst nach Luft. Ein Feuer lodert in ihren gequälten Lungen auf, steigt den Hals hinauf und lässt keine Zeit mehr um zu atmen. Die Beine werden weich und sie sinkt auf den feuchten Waldboden. In ihr ist immer noch die Angst, die Panik, die sie eigentlich vorantreiben sollte, doch sie ist am Ende ihrer Kräfte.
Langsam beruhigt sich ihre Atmung und sie beginnt wieder zu lauschen. Es ist nicht mehr in der Nähe. Der Wald ist totenstill und nicht einmal ein Wind regt die Blätter der Bäume. Mit neu gewonnener Hoffnung schafft sie es, sich wieder aufzurichten. Hätte sie doch nur auf ihre Eltern gehört. Deren Erzählungen nicht als dummes Geschwätz abgetan. Sie hatten sie gewarnt. Vor dem Wald. Vor der Bestie. Es würde jeden jagen und erst vor einigen Wochen ist ein Junge ihres Alters im Wald umgekommen. Das Mädchen hatte ihn gekannt. Oft hatte sie mit ihm über die Alten gelacht, natürlich nur heimlich, auf Grund der übertriebenen Geschichten, die diese erzählten. Von der Bestie hatten sie immer wieder erzählt. Der Junge und sie hatten gelacht. Nun lächelt sie wieder. Sie ist sich sicher, dass alles nur ihrer überspannten Fantasie zuzuschreiben war. Es gab keine Bestie. Ihre Eltern waren wirklich die Trottel, für die sie sie hielt.
Mit einem energischen Schwung wirft sie ihre Zöpfe zurück und beginnt weiterzugehen. Langsam, um auf den Laub bedeckten Boden vor sich achten zu können. Er kann tückisch sein, wenn die Blätter sich mit Wasser voll gesogen haben und somit einen glitschigen Untergrund bilden.
Nach einigen Schritten hört sie ein Atmen hinter sich. Ihr schießt das Blut durch die Adern und treibt den Adrenalinspiegel hoch. Ihre Schritte werden schneller, doch das Atmen hört nicht auf, entfernt sich nicht, kommt eher noch näher an sie heran. Sie beginnt wieder zu rennen. Sie stolpert nun öfter, als bei ihrer ersten Flucht. Sie hat keine Zeit mehr auf den glitschigen Untergrund zu achten.
Die Panik, die ihr zuvor noch Kräfte verliehen hat, zehrt nun an ihren letzten Reserven. Der Atem ist nun ganz nah, so dass sie ihn heiß in ihrem Nacken spüren konnte. Vor sich sieht sie ein Schild, es weist in die Richtung in die sie rennt. Sie hat es schon oft gesehen. Es beschreibt den Weg in ihr Dorf. Hoffnung keimt in ihr auf, wird dann aber durch einen Schlag auf ihren Hinterkopf zunichte gemacht. Um sie herum versinkt alles in Schwärze.
Als sie ihre Augen wieder aufschlägt, sieht sie die Bestie vor sich. Entsetzt schreit sie auf, als sie die Pranken und das riesige Maul sieht. Sie schreit, bis ihr die Stimme versagt. Dann beginnt sie zu wimmern und heiße Tränen fließen über ihr Gesicht. Die Bestie kommt näher, doch sie hat bereits aufgegeben.
Der faulige Atem der Bestie schlägt ihr ins Gesicht. Dann spürt sie ein entsetzliches Feuer, dass ihr den Hals hinauf schießt. Ihr letztes Bild ist die verschwommene, blutige Schnauze, die sich triumphierend über ihr erhebt. Nach einem letzten Wimmern, strömt die letzte Wärme aus ihrem Körper und alles um sie herum wird dunkel.
 



 
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