DER KULTIVIERTE MÖRDER oder LES FLEURS DU MAL

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Einen Menschen zu töten mag eine Ungehörigkeit sein.

Zwei Menschen grenzt an Vorsatz.

Drei ist bereits lästige Gewohnheit und vier eine einträgliche Profession.

Vor vielen Jahren lebte in unserer Stadt ein Mörder, der nicht nur ein hochlöbliches Mitglied im Kirchenchor, sondern auch ein angesehener Debatter in der örtlichen Dependance des „Politischen Reform-Clubs“ war. Besagter Herr wurde bezüglich seiner langjährigen beruflichen Erfahrung und der Diskretion, mit der er sein Handwerk betrieb, weit über die Landesgrenzen hinaus geschätzt. Seine Dienste nahmen hohe und höchste Würdenträger des Gemeinwesens in Anspruch, und niemals, nicht ein Mal, gab die Art und Weise in der er die ihm übertragenen Angelegenheiten zum Abschluss brachte, Anlass zur Kritik oder gar Besorgnis.
„Seht Kinder“, pflegten die Väter auf der Straße zu sagen, wenn er freundlich im Vorübergehen den Hut lüpfte, „dort ist der Mörder. Der versteht es. Nehmt euch ein Beispiel an ihm, lernt fleißig in der Schule, achtet auf Sittlichkeit und Anstand, dann werdet auch ihr im Leben vollste Zufriedenheit erlangen. So wie er, der ausgezeichnete Mann.“
Ich weiß nicht, ob Sie, verehrter Leser, bereits Gelegenheit fanden, einen Abgesandten dieser Gattung in Augenschein zu nehmen, doch darf ich sagen, dass der unsere dem allgemein verbreiteten Bilde in keinster Weise entsprechen mochte.
Weder war er unrasiert und dem Trunk ergeben, noch neigte er zu Jähzorn oder jener Art von charakteristischem Grimassieren, welches gemeinhin auf den Titelblättern der Groschenheftchen mit diesem Berufsstand in Verbindung gebracht wird.
Nein, nichts von alledem traf auf seine kultivierte Persönlichkeit zu. Monsieur K., so wollen wir ihn aus Gründen der Diskretion nennen, war ein zarter, fast durchscheinender Mann, dessen edel geschnittene Gesichtszüge ätherisches Feingefühl erkennen ließen. Er war ein Freund der Musik und Literatur, konnte seitenweise aus Baudelaires „Le Fleurs Du Mal“ zitieren und hatte eine Monographie über das Wirken Arthur Rimbauds verfasst, die bis in die Literaturzirkel der Hauptstadt hinein für einige Aufmerksamkeit gesorgt hatte. Er lebte unverheiratet in einem großen und sehr schönen Haus, dessen wunderbarer Garten nicht nur der ganze Stolz des Mannes, sondern auch ein Kunstwerk von dessen ureigener Hand war. Sein Auftreten in der Gesellschaft lässt sich mit einem Wort trefflich beschreiben: Tadellos! Höflich und gesittet gegenüber jedermann, stets wie aus dem Ei gepellt, gekleidet in feinste Stoffe von elegantestem Schnitt, war sein nie müßig wirkendes Flanieren auf den Boulevards unserer kleinen Stadt für all seine Mitbürger ein höchst erfreulicher Anblick.
„Bon jour, Monsieur K.“, riefen die Honoratioren.
„Salü, Monsieur K.“, die niederen Stände.
Und er, mit galanter Geste den sauber gebürsteten Hut schwenkend, lächelte, als habe ihm die Königin von Aquitanien einen Heiratsantrag gemacht.


Eines Tages, ich war noch ein Knabe in kurzen Hosen, wurde mein Vater, ein Kriegsprofiteur und Philanthrop von einigem Rang, in die Notwendigkeit versetzt, sich der Dienste des vortrefflichen Mannes bedienen zu müssen. Der Grund waren gewisse leichtsinnige Investitionen, die er auf den Rat eines Bekannten in griechische Staatsanleihen getätigt hatte. Wir, die wir die Wirtschaftsnachrichten jener Jahre verfolgt haben, wissen, dass griechische Staatsanleihen nur wenig später nicht mehr den Wert des Papieres besaßen, auf dem sie gedruckt waren. (Der „Bekannte“ erwies sich im Übrigen als Lump und Trunkenbold, der bald darauf eines widernatürlichen Todes verstarb.) Fatal waren insbesondere die persönlichen Konsequenzen: Maman und Papa, meine siebzehnjährige Schwester Aubergine und ich selbst, Jean-Luc, mussten uns gewärtigen, dass wir mit einem Schlage mittellos waren. Arm wie die Kirchenmäuse. Eine nicht eben beglückende Perspektive für eine Famille, die es gewohnt war, von einem Dutzend Dienstboten in schönster Weise auf Händen getragen zu werden. Allerdings erwies sich in dieser dunklen Stunde, dass der Tüchtige immer ein Schlupfloch findet – sofern er nur gewillt ist, an die ordnende Hand unseres gütigen und gerechten Herrn zu glauben: In Afrika nämlich hatte ein erfreulich unterentwickelter Staat die begehrlichen Blicke auf seine ebenso unterentwickelten, aber rohstoffreichen Nachbarn geworfen. Zu diesem Behufe benötigten die kriegerisch gesinnten Barbaren all jene Wunderwerke der Waffenmanufakturen, welche der technische Fortschritt dem Menschen des 19. Jahrhunderts in so reichem Maße geschenkt hat, und waren bereit, für die kleine Gefälligkeit in purem Golde zu bezahlen. Kurzum: ein Geschäft, wie man es nicht alle Tage sieht. Fatalerweise gab es einen skrupellosen Wettbewerber, der ebenfalls Wind von der Sache bekommen hatte. Dieser Mensch, Marokkaner von Geburt, ausgezeichnet durch den Mangel an Grundsätzen, der dem Maghrebiner traditionell zu Eigen ist, stand bereits kurz vor dem erfolgreichen Abschluss der Transaktion. Das jedoch unter Anwendung von Mitteln, sagen wir: flüssigen Mitteln, über deren nutzbringende Wirkung kein Zweifel bestehen konnte. Man nennt das „Bakschisch-Politik“. Da wir monetär nicht in der Lage waren, auf Augenhöhe zu fechten und weder gutes Zureden, noch anonyme Drohungen, perfide Erpressung oder geschickte Verleumdung die gewünschten Ergebnisse gezeitigt hatten, erschien es, nach kurzer Beratschlagung im Familienkreise, angebracht und geschäftlich nur konsequent, den Burschen einfach bis zum Tage des Jüngsten Gerichts aus dem Wege zu räumen.

Nicht erfreut, aber dennoch entschlossen, das Wohl seiner Lieben über gewisse Bedenken zu stellen, griff mon Pere einen Tag vor Ablauf der Bieterfrist nach dem Hörer des telephonischen Apparates, läutete bei der allseits bekannten Nummer in der Rue de XXX an und bat mit höflichem Nachdruck um den Besuch des Monsieur K. in einer Angelegenheit, die keinen Aufschub dulden wollte. Danach begab er sich wortlos, aber aufrechten Hauptes in sein privates Refugium, dortselbst bis zur vereinbarten Stunde wie ein waidwunder Leopard auf und ab schreitend, eine Zigarre nach der anderen in Aschehäufchen verwandelnd und die in Ehren ergrauten Haare büschelweise vom Kopfe raufend. Ich muss erklärend hinzufügen, dass Papa ein Mensch von strikt katholischen Grundsätzen war. Gewalt, gleich welcher Art, war diesem hervorragenden Manne ein Gräuel und zudem ein schlimmer Akt menschlicher Verrohung. (Ausgenommen natürlich jene Gewalt, welche, durch die eigenen Handelsgüter sinnreich befördert, zum Nutzen und Frommen der abendländischen Kultur Anwendung fand.)


Eine Stunde mochte vergangen sein, dann ertönte die Türglocke und Moustache, unser getreues Faktotum, verkündete das Erscheinen des Monsieur K., welcher, dem Alten prompt auf dem Fuße folgend, auch schon ins Zimmer getreten war. In der linken Hand hielt er den gebürsteten Hut, in der Rechten eine Aktentasche. Er verbeugte sich gegenüber Maman und Aubergine, legte mir in freundlichster, ja, kameradschaftlicher Weise die Hand auf die Schulter und wandte sich erst dann mit warmherziger Vertrautheit dem Herrn des Hauses zu: „Vicomte, Sie haben gerufen, hier bin ich.“


Ein guter Mörder, Mesdames et Messieurs, muss wie ein guter Arzt sein – nicht nur der Körper des potenziellen Opfers sollte Gegenstand seiner Betrachtungen werden, sondern auch die seelische Befindlichkeit des Auftraggebers. Ich spreche hier nicht von dumpf agierenden Schlächtern, die im Delirium Tremens Frau und Kinderlein in Stücke hacken, sondern von Personen, die die Hohe Kunst des Mordes mit Feingefühl und Finesse betreiben. Monsieur K. wurde schon beim ersten Blick auf meinen Vater der widerstrebenden Empfindungen gewahr, die im Inneren des braven Mannes ihren Kampf ausfochten. Oft genug hatte er im Rahmen seines Wirkens ähnliche Situationen erlebt. So als wäre er der Gastgeber und nicht der Gast, wies er mit einladender Hand auf einen bequemen Sessel, nötigte Papa dort Platz zu nehmen und setzte sich ihm gegenüber auf einen Stuhl, leicht nach vorn gebeugt wie ein gelehriger Papagei und mit der Miene eines Geistlichen, der nicht nur bereit ist, die Beichte abzunehmen, sondern, wichtiger noch, den dringend benötigten Dispens zu erteilen.
„Darf ich den Herren ein Gläschen Chartreuse anbieten?“, fragte Maman, fahrig um die Konvention der Gastfreundschaft bemüht, doch der Mörder schüttelte den Kopf und verlangte „bestenfalls“ ein Glas „Brunnenwasser“, war er doch, zu all den anderen guten Eigenschaften, die ihm inne wohnten, aktives Mitglied im „Tempel der Brüder der Freunde der tödlichen Gegner des Volksverderbers Alkohol“ und somit ein strikter Verfechter der Abstinenz. Dann, sich in Gänze auf seine Aufgabe konzentrierend, begann er die notwendigen Utensilien seiner Aktentasche zu entnehmen und vor sich mit größter Sorgfalt auf dem Tische auszubreiten.
„Vicomte, ich darf davon ausgehen, dass es keinen anderen Weg gibt, als den, meine bescheidenen Dienste in Anspruch zu nehmen.“
„Das ist korrekt.“
„Und Sie, verehrter Freund, sind sich der Konsequenzen bewusst, die eine solche Handlungsweise nach sich zieht?“
„Das bin ich.“
„Erlauben Sie einen Rat?“
„Ich bitte darum.“
„Finden Sie eine andere Lösung, eine bessere. Der Tod hat stets etwas Unumkehrbares.“
„Es handelt sich um geschäftliche Angelegenheiten, nicht um private.“
„Dann allerdings…“ Monsieur K. streifte mit einem flüchtigen Seitenblick meine Mutter, ließ den Satz, der ihm auf der Zunge lag, in der Luft hängen und zückte stattdessen ein schwarzes Büchlein, wie es auch von Ärzten bei ihren medizinischen Konsultationen genutzt wird. „Kommen wir zu den Fakten. Der Tarif ist bekannt?“
„Jawohl. Ich zahle A-Conto.“
„Die Hälfte vor Lieferung, die Hälfte danach.“
„Monsieur, keine Umstände. Ich bin gewiss, Sie sind ein Mann, der meines Vertrauens würdig ist.“
„In der Tat, doch ich lehne ab. Keinesfalls möchte ich den Eindruck erwecken, Ihre Lage für meinen Vorteil zu nutzen.“
„Monsieur, vergeben Sie. Wir alle wissen Ihr segensreiches Wirken zu schätzen.“
„Gut. Der Tod ist mein Geschäft, aber er ist auch eine Angelegenheit, die Fingerspitzengefühl verlangt.“
„Wer würde da widersprechen?“
„Präferieren Sie etwas Bestimmtes?“
„Ich verstehe nicht…“
„Die Waffe. Die Art der Waffe mit der…“
„Ach so. Ich weiß nicht. Was empfehlen Sie?“
„Das hängt im Wesentlichen von der Leidensdauer ab.“
„Der Leidensdauer…?“
„Schnell und schmerzlos, kalt und grausam, langsam und mit großer Unerbittlichkeit.“
„Wie lange…? Wollte sagen, mit wie viel Zeit rechnet man im Allgemeinen?“
„Ein wohl gezielter Schuss in die Mitte des Herzens beendet das Leben praktisch auf der Stelle. Noch bevor die Stirn des Delinquenten den Boden berührt, ist die Seele auf dem Weg in eine bessere Welt. Andererseits…“
„Andererseits?“
„Sollten Sie Interesse an subtileren Methoden haben, könnte ich, gegen einen kleinen Aufpreis versteht sich, die hinter-indische Schlingen- und Hakentechnik offerieren.“
„Nie gehört.“
„Kein Wunder. Ich selbst erlernte diese Kunst während meines zweijährigen Aufenthalts in den Dschungeln des Subkontinents bei einem Yogi, der seine Vorfahren in direkter Linie bis zu Mahavatar Babaji zurückverfolgen kann.“
„Beeindruckend.“
„Ich darf behaupten, der einzige Europäer zu sein, der die Schlingen- und Hakentechnik in ihrem ganzen verschwenderischen Reichtum beherrscht. Mein persönlicher Rekord liegt bei Achtunddreißig.“
„Was meint?“
„Was meint, dass die Opfer achtunddreißig Stunden ununterbrochener Qualen teilhaftig werden. Qualen, die so erlesen und von ausgefeiltem Sadismus sind, dass der zu Behandelnde praktisch schon bei der Vorstellung dessen, was kommen wird, die Hälfte seines Verstandes verliert.“
„Wäre das gut? Ich meine, das mit dem Verstand. Sollte er nicht lieber…“
„Sie fürchten um Ihren Spaß.“
Mein Vater zögerte mit der Antwort und betupfte sich die Stirn mit einem seidenen Tüchlein. „Das nicht gerade, aber ich bin der Meinung, wenn ich schon so viel Geld investiere, dann…“
„…sollte etwas herausspringen!“
„Genau.“
Monsieur K. nickte in seiner leidenschaftslosen Art und nahm ein hauchdünnes Messer mit S-förmig gebogener Klinge vom Tisch. „Die Haut abziehen. Die Haut abziehen und anschließend den Körper mit Salz einreiben. Sehr beliebt im Hafenviertel von Marseille.“
„Klingt – Wie soll ich sagen? – etwas…roh.“
„Verstehe.“ Der Mörder präsentierte eine kunstvoll gefertigte Phiole, die mit kyrillischen Buchstaben bedeckt war. „Diese in den westlichen Ländern unbekannte Säure habe ich von einem russischen Alchimisten erworben. Sie löst innerhalb von zwei Stunden das komplette Knochengerüst auf, nicht jedoch das umliegende Gewebe. Zurück bleibt ein formloser Sack aus Fleisch und Innereien. Sehr schmerzhaft. Und sehr effektiv.“
„Nein. Ich denke, nein. Vielleicht doch lieber eine Kugel…“
Flugs zog K. eine langläufige Pistole. „Das ist die Waffe mit der unser bedauernswerter Präsident…“
„Mon Dieu!“
„Ich sehe, wir verstehen uns.“
„Das war ein meisterhafter Schuss.“
„An die dreihundert Meter. Ich saß auf der Spitze eines Kirchturms, während das Ziel praktisch hinter einer mannshohen Trikolore verborgen war.“
„Und Sie haben trotzdem…?“
„Eine Kugel. Alles andere wäre finsterste Stümperei.“
„Gut. Ich bin einverstanden.“
„Bis wann wünschen Sie die Ergebnisse?“
„So bald als möglich. Es pressiert.“
Monsieur K. nickte und machte diverse Notizen in seinem Bestellbuch. „Dann fehlt mir nur noch der Name desjenigen, der uns verlassen soll.“
„Es handelt sich um…“
Der Mörder gebot Einhalt. Er nahm einen Bogen Briefpapier, knickte denselben in der Mitte und reichte ihn mit einer Schreibfeder an Papa. „Glauben Sie mir, es vereinfacht die Dinge. Sie können sagen: Aus meinem Munde? Kein Wort! Schreiben Sie den Namen. Ich werde das Papier vernichten.“
Wir alle waren hoch erfreut über die Kompetenz mit der Monsieur K. diese delikate Angelegenheit zu behandeln verstand. Papa ergriff Feder und Papier, notierte in schwungvoller Handschrift ein einziges Wort und reichte den Bogen zurück an unseren Gast. Der entfaltete das Dokument, las den Namen, kratzte sich an der Nase, beklopfte seinen Bauch, strich das Haar in den Nacken, faltete das Blatt und legte es vor sich auf den Tisch.
„Tut mir leid, Vicomte, ich sehe mich außerstande, den Auftrag zu akzeptieren.“
„Was? Wieso?“
„Kurzum: Vertrag ist Vertrag. Man hat bereits in anderer Weise verfügt.“
„Sie wollen sagen, die gegnerische Partei…?“
„Ganz recht, mein Freund.“
„Eine solche Vorgehensweise ist einem Mitglied der Kriegsgewinnler-Innung nicht angemessen. Das ist ein Affront, Monsieur.“
„Sie sagen es. Allerdings ein gut bezahlter.“
Ohne sich weiterer Erklärungen schuldig zu machen oder auch nur mit der Wimper zu zucken, riss er geschwind wie ein Eichhörnchen, und diesmal in tödlicher Absicht, die Pistole aus den Tiefen seines Gehrocks, richtete den Lauf gegen die Brust meines bass erstaunten Vaters und platzierte dortselbst mit erstaunlicher Treffsicherheit eine nicht große, dafür äußerst folgenreiche Kugel inmitten des umgehend verstummenden Herzens. Nachdem der Pulverdampf gelichtet war, drehte er sich um, betrachtete mit angemessen bekümmerter Miene die Mitglieder der Familie, welche im Kreise um den toten Ernährer standen, und hob mit Empathie zu einer kurzen Rede an: „Madame, Jean-Luc, Mademoiselle Aubergine. Mein aufrichtiges Beileid. Gern wäre ich an dieser Stelle einer unserer wunderbaren französischen Poeten, könnte ich doch Besseres bieten als dürre Worte des Bedauerns. Sie gestatten wohl, dass ich mich verabschiede. Es gilt noch, einen Ministerialrat in den Ruhestand zu versetzen. Wünsche angenehmen Tag, und lassen Sie mich wissen, wann der teure Verblichene…, wann er zur Ruhe gebettet wird. Ich möchte, wenn es erlaubt ist, einen letzten Gruß senden. Lilien vielleicht? - Ihr Gatte, Madame, war mir stets ein loyaler Freund und zudem ein vortrefflicher Charakter. Ja, ein höchst vortrefflicher Charakter. Sollte ich an anderer Stelle von Nutzen sein, wäre es ein Vergnügen, wenn Sie sich meiner bedienen wollten. Bis dahin: Adieu und: Gottbefohlen.“
Mit diesen Worten verbeugte er sich, ergriff Tasche, Hut, Stock, Mantel und schon im nächsten Moment fiel die Haustüre mit einem an Kanonenböller gemahnenden „Krawumm“ hinter seinen Rockschößen ins Schloss. Wir alle standen da, reglos, stumm und wie bezaubert von diesem Herrn, der es verstand, das Unvermeidliche mit so viel Diskretion und Feingefühl zu behandeln. Trotz des unerwarteten Ausgangs, empfanden wir Dankbarkeit. Dankbarkeit dafür, dem Wirken eines solch verschwenderisch von der Natur mit Talent bedachten Künstlers beigewohnt zu haben. Nie zuvor und auch nie danach bin ich einem Mörder begegnet, der alle für seinen Berufsstand erforderlichen Eigenschaften in so vortrefflicher Weise zu bündeln verstand. Darauf mein Wort, Mesdames et Messieurs. Darauf mein Wort als Franzose. Jean – noch ein Fläschchen vom Roten. Santé!

E N D E
 



 
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