Das Licht am Ende des Tunnels

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Hagen

Mitglied
Das Licht am Ende des Tunnels

Als mir zu einer Zeit, als noch Zigarettenwerbung auf Plakaten erlaubt war, ein Dachziegel, kurz nachdem ich an einer Plakatwand vorbeiging, auf der eine in Leder gewandete Frau abgebildet war, die mir eine bestimmte Zigarettensorte aufzudrängen suchte, auf den Kopf fiel, kamen mir doch arge Zweifel über die Aussagen der Leute, die dem Tod gerade nochmal von der Schippe gesprungen sind und von einer gewissen Glückseligkeit berichten, während derer sie durch einen hellen Tunnel gesegelt waren, an dessen Ende ein Licht leuchtete. Ich jedenfalls fiel durch einen langen, dunklen Tunnel und schlug plötzlich und unversehens, gewandet in eine Art Nachthemd, auf einer grau-schwarzen Wolke auf.
„Jetzt“, so dachte ich, „bist du also tot. - Schöne Scheiße, dabei hatte ich noch so viel vor.“
Gerade hatte ich zuende gedacht, da kam ein Engel in grauem Kittel, in den Löcher für die Flügel geschnitten waren, entlang und wechselte die beiden Leuchtstofflampen des Lichtes am Ende des Tunnels aus.
"So", meinte der Elektrikerengel, "da hat das also auch wieder seine Ordnung, jetzt können die Lebenden das verinnerlichen. Die glauben nämlich, das Licht am Ende des Tunnels ist das Astrallicht in dem Menschen, was identisch ist, mit dem Astrallicht um uns. - Beides beinhaltet die höchste Qualität unseres Kosmos. - Glauben die!"
Der Elektrikerengel tippte sich an die Stirn, grinste und zog eine Schachtel Zigaretten aus dem Kittel, die gleiche Sorte, wie sie die Frau auf dem Plakat mir andrehen wollte. In diesem Moment begann eine der Leuchtstofflampen zu flackern.
"Scheiße", fluchte der Elektrikerengel, „da haben die mir doch wieder Leuchtstofflampen zweiter Wahl für das Licht am Ende der Tunnels geliefert! Der Boss spart aber auch, wo er kann. Aber einen dicken Wagen fahren! Es muss unbedingt ein Mercedes der M-Klasse sein, wegen der Wolken, meint er. Naja, muss er wissen. - Na, das mach' ich morgen. Jetzt ist erst mal Feierabend! In einer Stunde ist ‘Frohlocken‘ und ‘Jubilieren‘ als Freizeitgestaltung. Sonst ist hier nix los, aber ein anständiges Manna gibt’s da umsonst, das knallt wenigstens rein! - Wo waren wir stehen geblieben?"
"Beides beinhaltet die höchste Qualität unseres Kosmos", sagte ich, "hätten sie auch mal eine Zigarette für mich? Meine sind irgendwie weg, seit ich dieses Nachthemd trage."
"Klar, das ist immer so."
Der Elektrikerengel nickte, gab mir eine Zigarette, Feuer, und fuhr fort:
"Das ist die höchste Intensität einer Liebeskraft, die den Ursprung allen Seins und vor allen Dingen des eigenen seins repräsentiert - meinen die da unten“, er tippte sich wieder an die Stirn. „ln Wirklichkeit ist das nur die Notbeleuchtung, das keiner über die Wolken stolpert. - Bist du ein Neuer?"
"Ja", sagte ich, "aber ich weiß nicht so recht, ob ich hier richtig bin."
"Nee, bist du nicht. Du musst da vorne hin, wo das Tor ist."
"Das Tor, wo HlM_EL dran steht'?"
"Ja. genau. Das zweite ‘M‘ ist leider ausgefallen, ich habe schon vor vier Wochen ein dreiundzwanziger ‘M‘ bestellt, aber bei den Lieferzeiten... Naja, ich wünsch' dir jedenfalls was Schönes. - Ach, ja. Lass' dir bloß nicht den Schlachthofarbeiter aufdrücken", sagte der
Elektrikerengel, "da sucht der Alte schon lange einen für." Ich verstand zwar nicht ganz, drückte meine Zigarette in der Wolke aus und ging zu dem Tor mit dem kaputten M. Am Portal lehnte einer, der mit einem leicht schmuddeligen Nachthemd bekleidet war, blickte auf das Universum, das sich einer watteweichen Ewigkeit gleich vor uns ausbreitete, und bröckelte mit einem Streichholz gedankenverloren in seinen Zähnen.
"Hay Mann", sagte er, als er mich sah, "bist du ein Neuer?" Ich nickte.
"Dann musst du", sein Kopf ruckte etwas in Richtung einer Tür, über dem EIN_ANG stand und neben dem ein kaputtes ‘G‘ am Boden lag, "dort rein. - Äh, du hast nicht vielleicht", sein Fuß spielte mit einer leeren Cognacflasche, die auf der Wolke lag, "einen Schluck mit rüber gerettet? Ich kann dieses ewige Manna nicht mehr sehen."
"Tut mir leid, hab' mir schon selbst eben 'ne Kippe geschnorrt", sagte ich, schlenderte zu der Tür, über der EIN_ANG stand und ging hinein. Dahinter tat sich eine Amtsstube auf und an dem Schalter mit dem ‘H‘ darüber saß einer, und der fragte mich, wer ich denn wohl sei.
"Ich bin Hagen“, sagte ich, worauf der Mann versuchte, irgendwas in einen alten Atari-Computer einzugeben. Nach einiger Zeit gab er den Versuch jedoch auf und schlug in einem zerfledderten Aktenordner nach.
„Das ist aber auch eine Scheiße“, murmelte er, „nicht mal eine anständige EDV gibt’s hier oben, aber dauernd Partys feiern auf diesem Scheißolymp, das können die! – So! Hagen sagtest du? - Ach, Herrje, du bist ja eigentlich noch gar nicht dran", sagte er mit gramzerfurchten Gesicht, "da hat der Paul wieder mal gepennt. Sicher hat er wieder was gekifft, der Bursche. - Naja, was soll man schon machen, mit diesen AbM-Kräften, die während eines Wochenendseminars auf 'Schutzengel' umgeschult worden sind. Unten treten sich die Arbeitslosen gegenseitig tot und hier oben sind keine qualifizierten Kräfte zu kriegen. - Naja, wer lernt heutzutage noch Schutzengel, bei den miesen Bedingungen?"
"Wer ist denn Paul?" fragte ich.
"Paul IX ist dein Schutzengel", sagte der am Schalter und fragte mich, was ich denn so meinte, als nächstes wiederkommen zu können, wo ich denn schon mal da sei.
"Naja", murmelte ich, "Jesus Christus."
"Der ist doch schon längst tot. Außerdem ist das kein Beruf.“
"Aber er hat doch gesagt, er wollte wiederkommen, oder? Warum kann ich das denn nicht machen?"
"Bei deinen paar Karmapunkten? Dass ich nicht lache!“
"Immerhin habe ich die totale Ignoranz und die absolute Dekadenz erlangt."
"Das rettet dich zwar davor, als Kanalratte wiederzukommen, aber dadurch, dass du immer nur alberne Satiren und kleine Geschichten für die Leselupe verfasst hast, hätte ich noch ein Leben als Schlachthofarbeiter für dich. Allerdings noch nicht sofort, du müsstest dich noch zwei Jahre gedulden, oder ein Warteleben als Kuh verbringen."
"Wieso denn als Kuh?"
"Naja, da kannst du ein paar Karmapunkte gut machen, dann reicht es vielleicht sogar für einen Beamten. Allerdings nur die mittlere Laufbahn“.
Es klopfte an und eine spindeldürre Frau in strahlendweißem Nachthemd kam rein und meinte:
„Wir haben da eben einen Auffahrunfall rein bekommen, sieben Mann, einer, vermutlich der Verursacher, ist total besoffen und randaliert. Wollen sie sich bitte ein Bisschen beeilen?“
„Geben sie ihm einen Becher Manna, und sagen sie ihm, er muss warten, wie jeder andere auch! – So, wo waren wir jetzt stehen geblieben?“
Die spindeldürre Frau entfernte sich wieder.
"Kann ich nicht wenigstens als Geistheiler oder Guru wiederkommen?“ fragte ich.
"Ha! Was meinst du wohl, wie lang dafür die Warteliste ist? Alle wollen sie als Jogi, Guru oder sowas wiederkommen, weil man da nicht zu arbeiten braucht, nur Sprüche machen. Nee, Meister, das schlag' dir man aus dem Kopf."
"Hm. Kann ich da nochmal drüber meditieren? Außerdem haben sie gesagt, dass ich eigentlich noch gar nicht dran bin. Kann ich nicht nochmal zurück, und wir vergessen das Ganze?"
"Naja, wenn du willst", des himmlischen Beamten Hand drosch auf eine Sprechanlage, "Fräulein Hammelritt! Schicken sie mir doch mal eben den Paul IX her!"
Es dauerte nicht lange, und ein schlaksiger junger Mann mit langen, schütteren Haaren, Pullover, Jeans und 68iger Brille kam rein und fragte, was denn wohl so anläge.
"Wir haben hier eine Reklamation", sagte der Mann am Schalter, "das ist Hagen, aber der ist eigentlich noch gar nicht dran."
"Chef", sagte der mit der 68iger Brille, "laut Tarif habe ich nur drei Leute, auf die ich aufpassen muss, sie haben mir aber sieben aufgedrückt. Ich kann schließlich nicht überall sein. Außerdem hat der Virus ‘Leonardo‘ in meinen Computer zugeschlagen, und ich muss sehen, wie ich die Daten rette. Ich hab' ja immer gesagt, wir sollen die Software nicht immer aus irgendwelchen dubiosen, irdischen Mailboxen kopieren."
"Ich mache dir deswegen ja auch keinen Vorwurf, aber ich hab' hier im Moment keine Wartekapazitäten frei. - Auf der Schulung habt ihr doch ‘Timing‘ gelernt. Also sieh' zu, dass du den Vorgang hier ein paar Sekunden verzögerst - klar?"
"Klar Chef“, sagte der mit der 68iger Brille zu dem himmlischen Beamten, und zu mir:
"So, Alter, dann komm mal mit."
Wir gingen zu dem Tunnel zurück, durch den ich gekommen war, er schmiss mich rein, und dann fand ich mich vor einer Plakatwand wieder, von der mir eine in Leder gewandete Frau höchst eindeutig zublinzelte. Ich blieb stehen und sah nochmal genau hin. Aber da war nur ein Kerl mit 68iger Brille mit auf dem Plakat, dem die Dame nahelegte, doch mal eine bestimmte Zigarette zu testen. Kam mir irgendwie bekannt vor, der Kerl. Ich wollte gerade weiter gehen, da krachte ein Dachziegel vor mir aufs Pflaster.
„Noch mal Glück gehabt“, dachte ich und ging weiter.

Als ich dann einige Tage später so nichts ahnend in meiner Stammkneipe rumstand, Bier trank und flipperte, kam einer mit 68iger Brille entlang und meinte, er wäre der Paul, und er hätte vergessen, was bei mir im Gedächtnis zu löschen.
"Macht nix", sagte ich, "das holen wir gleich nach!"
Und dann habe ich mit meinem Schutzengel einen getrunken, so richtig schön bis zum Filmriss, was dem himmlischen Löschen durchaus gleichkommt.
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Hagen, mein Hagen, ...

... wieder mal was ganz nach meinem Geschmack – Satire, Witz, Hintergründiges und gut geschrieben.

Ja der Tunnel mit der Beleuchtung am Ausgang rückt von Tag zu Tag näher. Aber bis es soweit ist, lassen wir unsere alten Knochen noch weiterhin krachen.

I was extremely amused … Ironbiber
 

Hagen

Mitglied
Das Licht am Ende des Tunnels

Als mir zu einer Zeit, als noch Zigarettenwerbung auf Plakaten erlaubt war, ein Dachziegel, kurz nachdem ich an einer Plakatwand vorbeiging, auf der eine in Leder gewandete Frau abgebildet war, die mir eine bestimmte Zigarettensorte aufzudrängen suchte, auf den Kopf fiel, kamen mir doch arge Zweifel über die Aussagen der Leute, die dem Tod gerade nochmal von der Schippe gesprungen sind und von einer gewissen Glückseligkeit berichten, während derer sie durch einen hellen Tunnel gesegelt waren, an dessen Ende ein Licht leuchtete. Ich jedenfalls fiel durch einen langen, dunklen Tunnel und schlug plötzlich und unversehens, gewandet in eine Art Nachthemd, auf einer grau-schwarzen Wolke auf.
„Jetzt“, so dachte ich, „bist du also tot. - Schöne Scheiße, dabei hatte ich noch so viel vor.“
Gerade hatte ich zuende gedacht, da kam ein Engel in grauem Kittel, in den Löcher für die Flügel geschnitten waren, entlang und wechselte die beiden Leuchtstofflampen des Lichtes am Ende des Tunnels aus.
"So", meinte der Elektrikerengel, "da hat das also auch wieder seine Ordnung, jetzt können die Lebenden das verinnerlichen. Die glauben nämlich, das Licht am Ende des Tunnels ist das Astrallicht in dem Menschen, was identisch ist, mit dem Astrallicht um uns. - Beides beinhaltet die höchste Qualität unseres Kosmos. - Glauben die!"
Der Elektrikerengel tippte sich an die Stirn, grinste und zog eine Schachtel Zigaretten aus dem Kittel, die gleiche Sorte, wie sie die Frau auf dem Plakat mir andrehen wollte. In diesem Moment begann eine der Leuchtstofflampen zu flackern.
"Scheiße", fluchte der Elektrikerengel, „da haben die mir doch wieder Leuchtstofflampen zweiter Wahl für das Licht am Ende der Tunnels geliefert! Der Boss spart aber auch, wo er kann. Aber einen dicken Wagen fahren! Es muss unbedingt ein Mercedes der M-Klasse sein, wegen der Wolken, meint er. Naja, muss er wissen. - Na, das mach' ich morgen. Jetzt ist erst mal Feierabend! In einer Stunde ist ‘Frohlocken‘ und ‘Jubilieren‘ als Freizeitgestaltung. Sonst ist hier nix los, aber ein anständiges Manna gibt’s da umsonst, das knallt wenigstens rein! - Wo waren wir stehen geblieben?"
"Beides beinhaltet die höchste Qualität unseres Kosmos", sagte ich, "hätten sie auch mal eine Zigarette für mich? Meine sind irgendwie weg, seit ich dieses Nachthemd trage."
"Klar, das ist immer so."
Der Elektrikerengel nickte, gab mir eine Zigarette, Feuer, und fuhr fort:
"Das ist die höchste Intensität einer Liebeskraft, die den Ursprung allen Seins und vor allen Dingen des eigenen seins repräsentiert - meinen die da unten“, er tippte sich wieder an die Stirn. „ln Wirklichkeit ist das nur die Notbeleuchtung, das keiner über die Wolken stolpert. - Bist du ein Neuer?"
"Ja", sagte ich, "aber ich weiß nicht so recht, ob ich hier richtig bin."
"Nee, bist du nicht. Du musst da vorne hin, wo das Tor ist."
"Das Tor, wo HlM_EL dran steht'?"
"Ja. genau. Das zweite ‘M‘ ist leider ausgefallen, ich habe schon vor vier Wochen ein dreiundzwanziger ‘M‘ bestellt, aber bei den Lieferzeiten... Naja, ich wünsch' dir jedenfalls was Schönes. - Ach, ja. Lass' dir bloß nicht den Schlachthofarbeiter aufdrücken", sagte der
Elektrikerengel, "da sucht der Alte schon lange einen für." Ich verstand zwar nicht ganz, drückte meine Zigarette in der Wolke aus und ging zu dem Tor mit dem kaputten M. Am Portal lehnte einer, der mit einem leicht schmuddeligen Nachthemd bekleidet war, blickte auf das Universum, das sich einer watteweichen Ewigkeit gleich vor uns ausbreitete, und bröckelte mit einem Streichholz gedankenverloren in seinen Zähnen.
"Hay Mann", sagte er, als er mich sah, "bist du ein Neuer?" Ich nickte.
"Dann musst du", sein Kopf ruckte etwas in Richtung einer Tür, über dem EIN_ANG stand und neben dem ein kaputtes ‘G‘ am Boden lag, "dort rein. - Äh, du hast nicht vielleicht", sein Fuß spielte mit einer leeren Cognacflasche, die auf der Wolke lag, "einen Schluck mit rüber gerettet? Ich kann dieses ewige Manna nicht mehr sehen."
"Tut mir leid, hab' mir schon selbst eben 'ne Kippe geschnorrt", sagte ich, schlenderte zu der Tür, über der EIN_ANG stand und ging hinein. Dahinter tat sich eine Amtsstube auf und an dem Schalter mit dem ‘H‘ darüber saß einer, und der fragte mich, wer ich denn wohl sei.
"Ich bin Hagen“, sagte ich, worauf der Mann versuchte, irgendwas in einen alten Atari-Computer einzugeben. Nach einiger Zeit gab er den Versuch jedoch auf und schlug in einem zerfledderten Aktenordner nach.
„Das ist aber auch eine Scheiße“, murmelte er, „nicht mal eine anständige EDV gibt’s hier oben, aber dauernd Partys feiern auf diesem Scheißolymp, das können die! – So! Hagen sagtest du? - Ach, Herrje, du bist ja eigentlich noch gar nicht dran", sagte er mit gramzerfurchten Gesicht, "da hat der Paul wieder mal gepennt. Sicher hat er wieder was gekifft, der Bursche. - Naja, was soll man schon machen, mit diesen AbM-Kräften, die während eines Wochenendseminars auf 'Schutzengel' umgeschult worden sind. Unten treten sich die Arbeitslosen gegenseitig tot und hier oben sind keine qualifizierten Kräfte zu kriegen. - Naja, wer lernt heutzutage noch Schutzengel, bei den miesen Bedingungen?"
"Wer ist denn Paul?" fragte ich.
"Paul IX ist dein Schutzengel", sagte der am Schalter und fragte mich, was ich denn so meinte, als nächstes wiederkommen zu können, wo ich denn schon mal da sei.
"Naja", murmelte ich, "Jesus Christus."
"Der ist doch schon längst tot. Außerdem ist das kein Beruf.“
"Aber er hat doch gesagt, er wollte wiederkommen, oder? Warum kann ich das denn nicht machen?"
"Bei deinen paar Karmapunkten? Dass ich nicht lache!“
"Immerhin habe ich die totale Ignoranz und die absolute Dekadenz erlangt."
"Das rettet dich zwar davor, als Kanalratte wiederzukommen, aber dadurch, dass du immer nur alberne Satiren und kleine Geschichten für die Leselupe verfasst hast, hätte ich noch ein Leben als Schlachthofarbeiter für dich. Allerdings noch nicht sofort, du müsstest dich noch zwei Jahre gedulden, oder ein Warteleben als Kuh verbringen."
"Wieso denn als Kuh?"
"Naja, da kannst du ein paar Karmapunkte gut machen, dann reicht es vielleicht sogar für einen Beamten. Allerdings nur die mittlere Laufbahn“.
Es klopfte an und eine spindeldürre Frau in strahlendweißem Nachthemd kam rein. Mit der einen Hand hielt sie einen Heilligenschein leicht schräg über den Kopf und in der anderen Hand hielt sie eine kleine Harfe.
„Wir haben da eben einen Auffahrunfall rein bekommen", meinte sie, "sieben Mann, einer, vermutlich der Verursacher, ist total besoffen und randaliert. Wollen sie sich bitte ein Bisschen beeilen? In einer halben Stunde ist Frohlocken! Ich mach denn schon mal Feierabend.“
„Geben sie ihm vorher einen Becher Manna, und sagen sie ihm, er muss warten, wie jeder andere auch, oder morgen wiederkommen! Das Frohlocken muss auch noch ein wenig warten, ich muss mich erst um den guten Mann hier kümmern! – So, wo waren wir jetzt stehen geblieben?“
Die spindeldürre Frau entfernte sich wieder.
"Kann ich nicht wenigstens als Geistheiler oder Guru wiederkommen?“ fragte ich.
"Ha! Was meinst du wohl, wie lang dafür die Warteliste ist? Alle wollen sie als Jogi, Guru oder sowas wiederkommen, weil man da nicht zu arbeiten braucht, nur Sprüche machen. Nee, Meister, das schlag' dir man aus dem Kopf."
"Hm. Kann ich da nochmal drüber meditieren? Außerdem haben sie gesagt, dass ich eigentlich noch gar nicht dran bin. Kann ich nicht nochmal zurück, und wir vergessen das Ganze? Das ist doch ein Wort; - oder?"
"Naja, wenn du willst", des himmlischen Beamten Hand drosch auf eine Sprechanlage, "Fräulein Hammelritt! Schicken sie mir doch noch mal eben den Paul IX her! Dann können sie meinetwegen Frohlocken."
Es dauerte nicht lange, und ein schlaksiger junger Mann mit langen, schütteren Haaren, Pullover, Jeans und 68iger Brille kam rein und fragte, was denn wohl so anläge.
"Wir haben hier eine Reklamation", sagte der Mann am Schalter, "das ist Hagen, aber der ist eigentlich noch gar nicht dran."
"Chef", sagte der mit der 68iger Brille, "laut Tarif habe ich nur drei Leute, auf die ich aufpassen muss, sie haben mir aber sieben aufgedrückt. Ich kann schließlich nicht überall sein. Außerdem hat der Virus ‘Leonardo‘ in meinen Computer zugeschlagen, und ich muss sehen, wie ich die Daten rette. Ich hab' ja immer gesagt, wir sollen die Software nicht immer aus irgendwelchen dubiosen, irdischen Mailboxen kopieren."
"Ich mache dir deswegen ja auch keinen Vorwurf, aber ich hab' hier im Moment keine Wartekapazitäten frei. - Auf der Schulung habt ihr doch ‘Timing‘ gelernt. Also sieh' zu, dass du den Vorgang hier ein paar Sekunden verzögerst - klar?"
"Klar Chef“, sagte der mit der 68iger Brille zu dem himmlischen Beamten, und zu mir:
"So, Alter, dann komm mal mit."
Wir gingen zu dem Tunnel zurück, durch den ich gekommen war, er schmiss mich rein, und dann fand ich mich vor einer Plakatwand wieder, von der mir eine in Leder gewandete Frau höchst eindeutig zublinzelte. Ich blieb stehen und sah nochmal genau hin. Aber da war nur ein Kerl mit 68iger Brille mit auf dem Plakat, dem die Dame nahelegte, doch mal eine bestimmte Zigarette zu testen. Kam mir irgendwie bekannt vor, der Kerl. Ich wollte gerade weiter gehen, da krachte ein Dachziegel vor mir aufs Pflaster.
„Noch mal Glück gehabt“, dachte ich und ging weiter.

Als ich dann einige Tage später so nichts ahnend in meiner Stammkneipe rumstand, Bier trank und flipperte, kam einer mit 68iger Brille entlang und meinte, er wäre der Paul, und er hätte vergessen, was bei mir im Gedächtnis zu löschen.
"Macht nix", sagte ich, "das holen wir gleich nach!"
Und dann habe ich mit meinem Schutzengel einen getrunken, so richtig schön bis zum Filmriss, was dem himmlischen Löschen durchaus gleichkommt.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hehe! Das ist gut! Das Einzige, was für mich nicht passt, ist die Tatsache, dass Jesus Christus zwar gestorben, aber auch auferstanden ist - zumindest für die, die daran glauben.
Übrigens gibt es schon einen Jogi auf Erden. ;-)

Very amused grüßt dich Doc und wünscht Dir einen aufmerksamen Schutzengel. ;-)
 

Hagen

Mitglied
Hallo mein Eisenbiber!

Danke für alles!

Auch ich denke, wir sollten unsere alten Knochen noch mal richtig krachen lassen; - aber im 'geistigen Sinne'!
Solage wir kein Alzheimer haben und kleine Geschichten schreiben können, sollten wir dieses tun!

Viele liebe Grüße
yours Hagen

nichts endet wie geplant!
 

Hagen

Mitglied
Hallo Doc,

Danke fürs Obst!
Allerdings vertraue ich nicht mehr so recht auf meinen Schutzengel, seit Paul mittlerweile auf 15! Leute aufzupassen hat; - aber man weiß nie, denn
nichts endet wie geplant!

Herzliche Grüße
yours Hagen
 



 
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