Das gestohlene Buch, Kapitel 1: Der zerstreute Professor

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Manic Peter

Mitglied
Hallo zusammen

Folgende Geschichte habe ich mir zusammen mit meinen zwei Kindern auf einer Urlaubsreise ausgedacht. Jeden Abend habe ich Ihnen ein "Kapitel" erzählt - und mich dann jeweils für die weitere Handlung nach ihren Ideen gerichtet.
Das war vor einem Jahr. Nun komme ich endlich dazu, Kapital für Kapitel nach den damaligen Notizen aufzuschreiben.
Nachstehed das Kapitel 1. Wenn es jemanden interessiert, werde ich auch die anderen Kapitel fertigstellen und posten.

1. Der zerstreute Professor
2. Das Team
3. Das gestohlene Buch
4. Die Idee
5. Die Verfolgung
6. Kurzschluss
7. Die dunkle Stadt
8. Nachforschungen
9. Die Falle
10. Ätsch

Kapitel 1: Der zerstreute Professor

Der Professor war zweifellos ein gescheiter Mann. Einer, der alles über etwas wusste und vieles über alles. In seinem Kopf stoben die Ideen von links nach rechts, so dass ihm darob manchmal die Haare zu Berge standen. In solchen Momenten hob der Professor seine Arme in die Höhe, wie ein Sportler bei einem wichtigen Sieg, um dann seine Hände auf seine Haare zu legen, damit diese nicht senkrecht in die Höhe gereckt stehen blieben. Wenn er so dastand, mit den Händen auf seinem Kopf, kamen ihm die zündenden Ideen, die so wichtig waren und so schnell wieder verflogen, dass er sie sofort in sein grosses Buch niederschreiben musste, denn es ist nicht sicher, ob ein gescheiter Mann wie der Professor später noch weiss, was er einmal gedacht hat. Wenn es aber irgendwo geschrieben steht, dann kann er es nachlesen, und manchmal überlegt er sich dabei, dass es seltsam ist, was er alles gedacht hat – und glaubt es eigentlich gar nicht, dass er solche Dinge gedacht hat, weil diese Sachen manchmal so seltsam und verrückt sind, dass keiner es glauben würde, dass ein alter Mann wie der Professor solche Gedanken haben kann. Weil es aber geschrieben hat, überlegt sich der Professor dann, ist es ihm wohl auch selber in den Sinn gekommen. Das wiederum ist für alle, die den Professor näher kennen, nicht so selbstverständlich. Er wusste zwar alle gescheiten Sachen, aber die Kleinigkeiten des täglichen Lebens verloren sich nicht selten in diesen wichtigen Überlegungen. Er vergass zum Beispiel seine Telefonnummer oder den Namen der Strasse, in der er wohnte. Manchmal wusste er nicht einem seinen eigenen Namen oder wie alt er war und dass manchmal auch ein Mann wie er etwas essen muss. Diese Vergesslichkeit war dann ärgerlich, wenn er von einer Veranstaltung mit dem Taxi nachhause fahren wollte und dem Fahrer die Adresse nicht geben konnte, weil er sie nicht mehr wusste. Und wenn dann der Taxifahrer ein höflicher Mensch ist und die Adresse mit Hilfe seines Namens herauszufinden versucht, dann wurde es für den Professor wirklich peinlich, weil er seinen Namen nicht wusste. Ein Taxifahrer hat in solchen Situationen nicht sehr viel Möglichkeiten, er kann den scheinbar verrückten Alten einfach wieder ausladen oder ihn zum nächsten Polizeiposten fahren. So kam es, dass der Professor bei der Polizei ein guter Kunde war, und sich diese immer wieder freuten, wenn sie ihn zu Gast hatten. Leider half auch ihr freundlicher Rat, doch immer einen Ausweis bei sich zu tragen, herzlich wenig. Der Professor vergass regelmässig, diesen auch mitzunehmen.

Zum guten Glück hatte der Professor Lisa. Lisa war ein Mädchen aus der Nachbarschaft, das sich ihr Taschengeld damit aufbesserte indem sie dem Professor half. Sie kaufte für ihn ein, wenn er selber nicht daran dachte, brachte seine Kleider in die Wäscherei und putzte manchmal sogar für ihn, was sie aber nicht so mochte. Der Professor beschäftige zwar auch eine Putzfrau, diese mochte Lisa aber noch weniger. So half Lisa dem Professor das, woran er selber nicht dachte und was seine Putzfrau aus welchen Gründen auch immer zu tun versäumte.

Als Gegenleistung erhielt Lisa vom Professor, wie bereits erwähnt, ein wenig Geld. Viel wichtiger war ihr aber, dass sie den Computer des Professors benutzen durfte, wenn er nicht daran arbeitete. Ihre Eltern hatten zwar auch einen Computer, aber derjenige des Professors schied Lisa viel interessanter. Er war nämlich mit einer Leitung direkt an die Universität, für die der Professor seine Forschungsarbeit machte, angeschlossen. Und von dort aus hatte Lisa Zugang zu allen wichtigen Forschungszentren auf der ganzen Welt. Das war mit dem lahmen Modem ihrer Eltern nicht möglich. Lisa interessiert sich nämlich sehr für Forschung und auch für Computer. Sie wusste, dass sie einmal Forscherin werden würde, weil sie aber jedes Gebiet so sehr interessierte, wusste sie noch nicht, welche Forschungen sie einmal betreiben würde. Und manchmal war es ihr auch zu kompliziert, was in all den Unterlagen, auf die sie Zugang hatte, geschrieben stand. Auch das Buch des Professors, das übrigens nicht auf Papier aufgeschrieben war sondern auf dem Computer existierte, war für Lisa schwer verständlich. Der Professor versuchte manchmal, es ihr zu erklären. Es ging um Teilchen, die unvorstellbar klein waren, kleiner noch als Atome – und das mit den Atomen hatte sie noch nicht einmal in der Schule gelernt, dass wusste sie aus den Büchern, die sie zuhause las, wenn sie längst schlafen sollte.
So kam es, dass Lisa oft bis nach Mitternacht unter der Decke mit ihrer Taschenlampe all die Bücher las, die sie so sehr interessierten. Bücher darüber, wie ein Motor funktioniert oder das Weltall beschaffen ist, woher der Strom kommt, den wir täglich brauchen und warum die Glühbirne leuchtet. Und sie las alles über Computer. Leider konnte sie nachts nicht an den Computer ihrer Eltern sitzen, das hätten sie nämlich gemerkt. So blieb ihr nichts anders übrig, als alles darüber zu lesen und bei Gelegenheit beim Professor zuhause auszuprobieren.

Aber die Leserei hatte auch Nachteile. Lisa bekam zu wenig Schlaf. So wurde sie zwar immer gescheiter, ihre Noten in der Schule aber immer schlechter. Vor nichts hatte Lisa Angst – ausser vor schlechten Noten. Und nichts machte Lisa mehr wütend, als auf eine Frage keine Antwort zu wissen. Die Fragen des Lehrers machten sie in letzter Zeit oft wütend. Aus diesem Grund beschlossen ihre Eltern, sie dürfe für eine Weile kein Buch mehr unter der Bettdecke lesen (denn obwohl Lisa glaubte, ihre Eltern wüssten nichts davon, bemerkten diese wohl Lisas nächtliche Verabredung mit ihren Büchern), den Computer ihrer Eltern nicht mehr benützen und, was viel schlimmer war, den Professor für eine Weile nicht besuchen.
«Das geht doch nicht! Der Professor verhungert ohne mich!», hatte sie wohl gerufen, aber ihre Eltern liessen sich nicht erweichen – wenigstens bis die Noten wieder besser würden.

So war Lisa auf dem Weg zum Professor, um ihm diese traurige Nachricht selber zu überbringen, als sie auf einer Kreuzung auf Benjamin, Big Ben genannt, traf. Seufzend erkläre sie ihm die Situation, denn Big Ben wusste immer Rat und war durch nichts aus der Ruhe zu bringen.
«Ich kann ja für eine Weile für den Professor sorgen», schlug Big Ben vor.
Lisa überlegte einige Sekunden lang, denn sie war sich nicht schlüssig, ob dies eine gute Idee war. Big Ben war zwar immer zuvorkommend und hilfsbereit, seinerseits aber mindestens so vergesslich wie der Professor. Sie wollte schon sagen «da seid ihr aber ein prächtiges Team», als sie seine fragenden Hundeaugen sah und es nicht übers Herz brachte.
«Gute Idee, Big Ben», brachte sie schliesslich hervor, da wird dem Professor bestimmt ein Stein vom Herzen fallen. Komm doch gleich mit, da kann ich Dir alles zeigen.»

Als sie beim Professor eintrafen, war dieser dabei, einige Aufzeichnungen in sein elektronisches Buch zu machen.
«Ich komme gleich», rief er ihnen vom Arbeitszimmer her zu, denn als niemand die Haustür geöffnet hatte, musste Lisa den Schlüssel, der ihr der Professor für den Notfall überlassen hatte, benützen.
In der Zwischenzeit zeigte Lisa Big Ben die Küche des Professors. Sie bemerkte aber bald, dass sich dieser nicht so sehr für die Kücheneinrichtung interessierte, wohl aber für die Arbeit des Professors am Computer. Immer wieder spähte er von der Küche aus ins Arbeitszimmer herüber.
«Was ist denn los», fragte ihn Lisa, «ist es denn so interessant, jemanden an einen Computer arbeiten zu sehen?»
Big Ben wurde rot. Er schämt sich. «Weisst Du, ich kenne mich nicht so aus mit diesen Dingern. Ich habe noch nie an einem gearbeitet. Meine Eltern halten nichts von solchen neumodischen Sachen. Dabei würde es mich doch so interessieren».
Lisa war ein wenig erstaunt. Sie hatte geglaubt, weil sie sich so oft am Computer arbeitet, es müsse jedem so gehen.
«Weißt Du was, Big Ben?», erklärte sie mit einem Schmunzeln, «ich zeige Dir alles darüber!»
 

hera

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Peter!

Mir macht es auch Spaß mit meinen Kinder zusammenzuarbeiten, ihre Ideen und Gedanken aufzunehmen.

Das erste Kapitel klingt vielversprechen. Der zerstreute Professor ist toll. Sicher spannend zu erfahren, was er alles in diesem Buch niederschreibt.

Deine Schreibweise gefällt mir, aber du schreibst sehr ausführlich. Ich weiß nicht, wie das wirken würde, wenn das ganze Buch in diesem Stil geschrieben ist.

Viele Grüße, hera
 



 
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