Der Alptraum

Frieda

Mitglied
Der Alptraum

Du kennst mich und du fürchtest mich,
in jeder Nacht besuch’ ich dich,
ich raube dir den sanften Schlaf,
mit meinen Zähnen spitz und scharf
zerreiße ich dein Traumkleid dir,
um Mitternacht gehörst du mir.
Ich bin dein Alptraum.

Du siehst mein schreckliches Gesicht,
dein gold’ner Mantel schützt dich nicht,
er ist zu fein, er ist zu zart,
mit meinen Händen kalt und hart
faß ich dir in dein Herz hinein,
um Mitternacht da bist du mein.
Ich bin dein Alptraum.

Du gibst mir deinen Lebenssaft,
ich brauche ihn, er gibt mir Kraft,
du hältst nicht stand, ich bin zu stark,
mit meinem Innern wüst und karg
saug’ ich es ein, dein schönes Ich,
um Mitternacht da hol’ ich dich.
Ich bin dein Alptraum.

Du legst den Kettenpanzer an,
damit ich dir nicht schaden kann,
das hilft dir nur für kurze Zeit,
mit meinen Füßen schwer und breit
stampf ich ins Seelengärtlein dir,
um Mitternacht gehörst du mir.
Ich bin dein Alptraum.

Du liegst in deinem Bett allein,
kein lieber Mensch darf bei dir sein,
der deinen Schmerz zu lindern weiß,
mit meinen Lippen krank und heiß
hauch ich den Todeskuß dir ein,
um Mitternacht da bist du mein.
Ich bin dein Alptraum.

Du brauchst mich doch, ich kenne dich,
du liebst und du verabscheust mich,
die Einsamkeit lässt dich nicht los,
mit meinem Körper fest und groß
verschling’ ich dich, vertrau auf mich,
um Mitternacht da hol’ ich dich.
Ich bin dein Alptraum.

Siehst du von fern das zarte Licht,
das mich und meine Macht zerbricht?
Ich hoffe, du erreichst es nicht,
mit seinem Glanze weiß und dicht
versperrt dem Bösen es die Sicht,
weil es von Liebe zu dir spricht,
zu deinem Alptraum.
 

Brigitte

Mitglied
Hallo Frieda,
Da kann einem ja die Angst den Rücken hinunterlaufen.
Schlimm, solche Alpträume. Gut geschrieben.

Lieben Gruß
Brigitte
 

Frieda

Mitglied
Hallo Brigitte,

danke für Deinen Kommentar. Bist du vielleicht auch der nette Mensch, dem ich die 10 Punkte verdanke? Das habe ich ja gar nicht zu träumen gewagt.
Zum Text: Glücklicherweise gibt es immer noch einen Hoffnungsschimmer (s. letzte Strophe), sonst wäre es unerträglich.

Liebe Grüße
von Frieda
 

Haget

Mitglied
MoinMoin Frieda,
Idee und Ausführung gefallen mir gut!

Bei einem sonst so durchgehend exakt gereimten Gedicht stört allerdings die "Unschärfe" mit Schlaf/scharf - manchmal unvermeidlich.
Deine letzte Strophe bricht (hoffentlich!) die Macht des Alptraumes - ausgedrückt auch durch den ganz anderen Reim (Gleich-Reim). Interessante Lösung - ob sie mir gefällt? Ich denke noch nach.

Liebe Grüße
Hans-Georg
 

Frieda

Mitglied
Hallo Hans-Georg,

danke für Deinen Kommentar. Du hast den Schwachpunkt zielsicher getroffen, "Schlaf/scharf", da drängt sich "Schlaf/Schaf" direkt auf (mäh). Gerade dieses Gedicht lebt auch von seiner äußerst strengen Form, naja, aber mir fiel nichts anderes ein, ich denke, man kann es trotzdem durchgehen lassen.
Klar, die letzte Strophe soll den Bann brechen, so ganz sicher ist es aber nicht, ob es gelingt. Urspünglich hatte ich nur die ersten sechs Strophen mehrmals hintereinander auf ein Papier geschrieben und die beiden Enden zusammengeklebt, so daß man es endlos lesen konnte, genau wie im Alptraum. Mein einziger Ausweg war ein gewaltsamer Ausbruch mit Hilfe der 7. Strophe. Ich habe sozusagen das Endlosband zerrissen, hat mich viel Mühe gekostet.

Liebe Grüße
von Frieda
 



 
Oben Unten