Der Dauerbrenner.

pleistoneun

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Als er wieder einmal nach Streichhölzern gefragt wurde, schlug ihm eine gewaltige Feuersbrunst aus seiner Nase und vernichtete sein Gegenüber. Der ältliche Grabredner litt an unkontrollierten Selbstentzündungsproblemen. Kleine Flammen, die ihm gelegentlich aus Ohren und Nase züngelten, waren seine täglichen kleinen Alltagssorgen. Die Ausbrüche waren unvorhersehbar und kamen immer unangemeldet. Während einer Unterhaltung kam es schon mal vor, dass Funken aus seinem Mund sprühten und abends beim Schlafengehen ging im Zimmer dann und wann noch mal die Sonne auf. Morgens dann immer der Brand von letztnächtlicher oralakustischer Unbeherrschtheit seines Mundes. Zeitung lesen, Kleintiere streicheln, Zahnarztbesuche oder Briefmarken sortieren fiel von vornherein aus. Waldspaziergänge endeten oft verheerend und Eisenbahn fahren ausschließlich mit alten Lokomotiven und auch da nur zweckdienlich im Heizraum.
Beruflich hatte er mit seiner Entartung wenige Möglichkeiten, was ihn letztlich auch dazu zwang, die wenig beliebte Anstellung des "Grabredners mit Zusatzausbildung Urnenversorger" anzutreten. Genau genommen war er aber den ganzen Tag in der Einäscherungshalle und heizte mit seinen Ohren kräftig den Feuerofen.
Ab und zu durfte er Grabreden halten, aber auch nur dann, wenn es sich um groß angelegte Einäscherungszeremonien mit mehr als fünfzig Verbrennungen handelte, wo er mit seinen zügellosen Flammensäulen während seiner enthusiastischen Leichenpredigten keinen weiteren Schaden mehr anrichten konnte.
Vierundvierzig Jahre hatte er nun damit zugebracht, tote Menschen zu Asche zu machen, er kannte beinahe nichts mehr anderes. Und so verlor er nach und nach das Gefühl für die Menschen, die ihn immer absonderlicher werden ließen. Schließlich war die Entfernung zu den verständnislosen Menschen so groß, dass er nicht mehr mit ihnen angemessen umzugehen wusste, und wenn dann einmal einer kam und nach Streichhölzern fragte ……
 



 
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