Es war wieder einer dieser Tage. Früher Herbst, grauer Himmel, Regenwetter- Langeweile. Die triste Großstadt beinahe bedrückend. Bedrohlich.
Alles hatte nichts gebracht- die Musik erschien ihr wie unerträglicher Lärm, auf das Buch konnte sie sich nicht richtig konzentrieren und mit ihren Katzen zu spielen, dazu fehlte ihr der Nerv. Und ihre phlegmatische Art nervte sie selbst am Meisten. Die Universität würde erst in gut sieben Wochen wieder ihre Pforten öffnen für das neue Semester, Arbeiten musste sie auch nicht mehr- der Vertrag war ausgelaufen, nachdem man sie zwei Jahre lang beschäftigt hatte. Zumindest was die Arbeit anging, war es ihr ganz recht, dass sie dort nicht mehr hin musste. Nach zwei recht anstrengenden Jahren hatte sie das Gefühl, als habe sie sich einen langen, erholsamen Urlaub verdient.
Und dennoch. Sie musste heute irgendwas anstellen, irgendetwas tun, erledigen, denn sonst würde sie sich am Abend schlecht fühlen, weil sie so faul gewesen war. Und das, obwohl das gar nicht notwendig war- denn es gab ja nichts zu tun.
Zu allererst nahm sie ein Bad mit Cocosmilch. Gut gegen die trockene Haut, roch herrlich und entspannte. Dann steckte sie sich das nasse Haar hoch, zog sich etwas warmes an und ging einfach aus der Wohnungstür. Und sie lief die Straße hinunter, nicht wirklich wissend, was sie eigentlich vorhatte. Bis sie schließlich vor dem alten Gitterwerk des Friedhofes stand. Der Friedhof, auf dem sie gern spazieren ging, um etwas frische Luft, unberührte Natur und Ruhe zu genießen.
Dieses Mal lief sie sogar weiter als sonst. Verließ die mit Grabsteinen übersäten Wiesen, ging immer weiter und weiter den asphaltierten Mittelweg entlang, sog die frische Luft tief in sich ein und lauschte den heiseren Schreien der Krähen in den Baumwipfeln über sich. Es war himmlisch, trotz des grauen Wetters. Irgendwann, weit hinten wo sich kaputte Grabsteine und gefällte Bäume in Bergen türmten, fand sie eine kleine Bank und ließ sich auf ihr nieder, schloß die Augen und lauschte in die Stille.
Dann vernahm sie ein Klingeln und Klappern, dass sie sofort an ein altes Fahrrad erinnerte, dass über Holpersteine fuhr. Und tatsächlich kam ihr von einem kleinen Pfad hinter der Bank ein Junge auf einem Fahrrad entgegen, eine Wasserflasche unter den Arm geklemmt und eine Zigarette im Mundwinkel.
Er kam wenige Meter neben ihr zum Stehen, füllte an einem der vielen Wasserbecken seine Flaschen auf und verweilte dann dort. Sie stand auf, wollte noch ein Stück weiter laufen ehe sie umkehrte. Irgendwie war es ihr sehr unheimlich, ganz allein im hintersten Teil des Friedhofes zu stehen mit einem fremden Jungen neben sich, türkischer Herkunft, wie sie mit einem Blick feststellte. Und ebenso makaber schien es ihr, einen Friedhof als Radweg zu benutzen.
Sie war nur wenige Meter gelaufen, als sie auch schon hörte:
„Suchst du jemanden?“
Innerlich fluchte sie- sie wusste nicht, was der Typ von ihr wollte und sie hatte noch weniger Lust, in der Abgeschiedenheit hier hinten irgendwelche Schwierigkeiten zu bekommen. Also wandte sie sich mit einem netten Lächeln um und schüttelte den Kopf. Er nickte ihr mit einem doch recht freundlichen Lächeln zu und setzte sich dann auf die Bank, auf der sie nur wenige Augenblicke zuvor gesessen hatte.
Sie setzte ihren Weg fort, lief ein ganzes Stück, erleichtert darüber, dass er sie nicht mit weiteren Fragen quälte oder ihr gar nachging. Leicht nervös zündete sie sich eine Zigarette an, als sie sich auf den Rückweg machte; immerhin musste sie erneut an ihm vorbei.
Als sie ihn passierte, lächelte sie ihm abermals zu, wie zur Verabschiedung und er lächelte zurück. Doch kaum wandte sie ihm den Rücken zu und hatte sich ein paar Meter entfernt, rief er abermals:
„Bitte nimm die Frage vorhin nicht zu persönlich!“
Erstaunt wandte sie sich zu ihm um.
„Tu ich nicht, war ja nett das du gefragt hast!“ gab sie lächelnd zurück und fragte sich, ob sie so verloren auf ihn gewirkt hatte.
„Es ist nur so“, fuhr er fort, „ich verkaufe hier ab und zu Gras und es hätte ja sein können, dass du deswegen da warst.“
Na, das war ja etwas. Da hatte sie an einem Dealertreffpunkt gesessen ohne es geahnt zu haben. Und dieser freundlich lächelnde Kerl war tatsächlich verrückt genug, ihr auch noch zu sagen, was er hier tat. Wirkte sie so vertrauenswürdig? Hatte er nicht die Befürchtung, dass sie eine getarnte Polizistin sein konnte, die darauf spezialisiert war, kriminelle Jugendliche zu stellen? Oder das sie nun, sobald sie den Friedhof verließ, die Polizei rufen könnte?
Tausend Dinge schossen ihr durch den Kopf, wie, ihn zu warnen dass er vorsichtig sein solle, ihn zu fragen ob er verrückt genug sei, dass jedem fremden Mädchen auf die Nase zu binden dass er auf dem Friedhof traf. Oder ob er sich sicher war, dass er sein noch so junges Leben dadurch gefährden wollte, dass er etwas illegales tat. Ja, eine ganze Rede wäre ihr zu diesem Thema eingefallen.
Doch alles, was sie tat, war lächeln und sagen: „Ist kein Problem, wirklich. Mach’s gut!“
Und dann ging sie.
Alles hatte nichts gebracht- die Musik erschien ihr wie unerträglicher Lärm, auf das Buch konnte sie sich nicht richtig konzentrieren und mit ihren Katzen zu spielen, dazu fehlte ihr der Nerv. Und ihre phlegmatische Art nervte sie selbst am Meisten. Die Universität würde erst in gut sieben Wochen wieder ihre Pforten öffnen für das neue Semester, Arbeiten musste sie auch nicht mehr- der Vertrag war ausgelaufen, nachdem man sie zwei Jahre lang beschäftigt hatte. Zumindest was die Arbeit anging, war es ihr ganz recht, dass sie dort nicht mehr hin musste. Nach zwei recht anstrengenden Jahren hatte sie das Gefühl, als habe sie sich einen langen, erholsamen Urlaub verdient.
Und dennoch. Sie musste heute irgendwas anstellen, irgendetwas tun, erledigen, denn sonst würde sie sich am Abend schlecht fühlen, weil sie so faul gewesen war. Und das, obwohl das gar nicht notwendig war- denn es gab ja nichts zu tun.
Zu allererst nahm sie ein Bad mit Cocosmilch. Gut gegen die trockene Haut, roch herrlich und entspannte. Dann steckte sie sich das nasse Haar hoch, zog sich etwas warmes an und ging einfach aus der Wohnungstür. Und sie lief die Straße hinunter, nicht wirklich wissend, was sie eigentlich vorhatte. Bis sie schließlich vor dem alten Gitterwerk des Friedhofes stand. Der Friedhof, auf dem sie gern spazieren ging, um etwas frische Luft, unberührte Natur und Ruhe zu genießen.
Dieses Mal lief sie sogar weiter als sonst. Verließ die mit Grabsteinen übersäten Wiesen, ging immer weiter und weiter den asphaltierten Mittelweg entlang, sog die frische Luft tief in sich ein und lauschte den heiseren Schreien der Krähen in den Baumwipfeln über sich. Es war himmlisch, trotz des grauen Wetters. Irgendwann, weit hinten wo sich kaputte Grabsteine und gefällte Bäume in Bergen türmten, fand sie eine kleine Bank und ließ sich auf ihr nieder, schloß die Augen und lauschte in die Stille.
Dann vernahm sie ein Klingeln und Klappern, dass sie sofort an ein altes Fahrrad erinnerte, dass über Holpersteine fuhr. Und tatsächlich kam ihr von einem kleinen Pfad hinter der Bank ein Junge auf einem Fahrrad entgegen, eine Wasserflasche unter den Arm geklemmt und eine Zigarette im Mundwinkel.
Er kam wenige Meter neben ihr zum Stehen, füllte an einem der vielen Wasserbecken seine Flaschen auf und verweilte dann dort. Sie stand auf, wollte noch ein Stück weiter laufen ehe sie umkehrte. Irgendwie war es ihr sehr unheimlich, ganz allein im hintersten Teil des Friedhofes zu stehen mit einem fremden Jungen neben sich, türkischer Herkunft, wie sie mit einem Blick feststellte. Und ebenso makaber schien es ihr, einen Friedhof als Radweg zu benutzen.
Sie war nur wenige Meter gelaufen, als sie auch schon hörte:
„Suchst du jemanden?“
Innerlich fluchte sie- sie wusste nicht, was der Typ von ihr wollte und sie hatte noch weniger Lust, in der Abgeschiedenheit hier hinten irgendwelche Schwierigkeiten zu bekommen. Also wandte sie sich mit einem netten Lächeln um und schüttelte den Kopf. Er nickte ihr mit einem doch recht freundlichen Lächeln zu und setzte sich dann auf die Bank, auf der sie nur wenige Augenblicke zuvor gesessen hatte.
Sie setzte ihren Weg fort, lief ein ganzes Stück, erleichtert darüber, dass er sie nicht mit weiteren Fragen quälte oder ihr gar nachging. Leicht nervös zündete sie sich eine Zigarette an, als sie sich auf den Rückweg machte; immerhin musste sie erneut an ihm vorbei.
Als sie ihn passierte, lächelte sie ihm abermals zu, wie zur Verabschiedung und er lächelte zurück. Doch kaum wandte sie ihm den Rücken zu und hatte sich ein paar Meter entfernt, rief er abermals:
„Bitte nimm die Frage vorhin nicht zu persönlich!“
Erstaunt wandte sie sich zu ihm um.
„Tu ich nicht, war ja nett das du gefragt hast!“ gab sie lächelnd zurück und fragte sich, ob sie so verloren auf ihn gewirkt hatte.
„Es ist nur so“, fuhr er fort, „ich verkaufe hier ab und zu Gras und es hätte ja sein können, dass du deswegen da warst.“
Na, das war ja etwas. Da hatte sie an einem Dealertreffpunkt gesessen ohne es geahnt zu haben. Und dieser freundlich lächelnde Kerl war tatsächlich verrückt genug, ihr auch noch zu sagen, was er hier tat. Wirkte sie so vertrauenswürdig? Hatte er nicht die Befürchtung, dass sie eine getarnte Polizistin sein konnte, die darauf spezialisiert war, kriminelle Jugendliche zu stellen? Oder das sie nun, sobald sie den Friedhof verließ, die Polizei rufen könnte?
Tausend Dinge schossen ihr durch den Kopf, wie, ihn zu warnen dass er vorsichtig sein solle, ihn zu fragen ob er verrückt genug sei, dass jedem fremden Mädchen auf die Nase zu binden dass er auf dem Friedhof traf. Oder ob er sich sicher war, dass er sein noch so junges Leben dadurch gefährden wollte, dass er etwas illegales tat. Ja, eine ganze Rede wäre ihr zu diesem Thema eingefallen.
Doch alles, was sie tat, war lächeln und sagen: „Ist kein Problem, wirklich. Mach’s gut!“
Und dann ging sie.