Der Elfenstein

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Althor

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Der Elfenstein

Erbarmungslos brannte die Sonne vom Himmel. Unerbittlich verdorrte sie alles, und jeden, der sich nicht schnell genug in den Schatten flüchten konnte. Mensch, Tier und Pflanzen litten gleichermaßen unter der Hitze und dem seit Wochen ausbleibenden Regen.
Jede Art von Fortbewegung wurde zur Qual, jeder Schritt war mühselig und hart erarbeitet.
Aber im Wald war es einigermaßen erträglich. Seine großen, schattenspendenden Bäume, garantierten, dass die Sonnenstrahlen nur selten den Boden erreichten. Trotzdem war die Luft aufgeheizt, wie sonst nur in der Wüste, allerdings war man wenigstens nicht ständig der prallen Sonne ausgesetzt.
Unermüdlich kämpfte sich der junge Archäologe David, den schmalen, kaum begangenen Trampelpfad, vorwärts. Sein Hemd war längst zu einem schweißnassen, stinkenden Lumpen mutiert, auf den Pfad ragende Zweige hatten ihm etliche Schrammen an Armen und Beinen zugefügt, aber dennoch setzte er einen Fuß vor den anderen und näherte sich unweigerlich seinem Ziel.
Abgekämpft lehnte er sich an einen Baum, griff sich die seitlich am Rucksack befestigte Flasche und nahm einen kleinen Schluck des viel zu warmen Wassers. Trotz der Tortur, kam David bisher nicht ein einziges Mal auf den Gedanken, aufzugeben, zu seinem klimatisierten Wagen zurückzukehren, um an irgendeinen Ort zu fahren, an dem er nichts anderes Tun musste, als sich auszuruhen.
Seitdem er in der Institutsbibliothek, den Bericht über einen sonderbaren, fantastischen Ort, gelesen hatte, beschäftigte ihn beinahe nichts anderes mehr. Verspottet von den Kollegen, die den Bericht einem unbekannten, mäßig begabten Fantasyautor zuschrieben, ging die Geschichte dem jungen, ehrgeizigen Altertumsforscher nicht mehr aus dem Sinn. Er musste den beschrieben Ort, mit dem geheimnisvollen Elfenstein finden. Er hätte nicht sagen können, warum er dem Bericht überhaupt vertraute, noch warum es so wichtig war an diesen Ort zu gelangen. Vielleicht archäologisches Gespür, vielleicht auch etwas anderes. David ahnte irgendwie, dass es notwendig war, den Stein zu finden.
Und jetzt, da er sich auf die Suche begeben hatte, kam Aufgeben natürlich nicht mehr in Frage, zumal er überzeugt war, sich im richtigen Teil des Waldes zu befinden und letztendlich für seine Mühen belohnt zu werden.
Leidlich erholt, aber zum Äußersten entschlossen, nahm David den weiteren Weg in Angriff, immer sein unbestimmtes, unbekanntes, nur in seiner Fantasie existierende, Ziel vor Augen.
Während die Sonne versuchte ihm das Hirn im Schädel zu kochen, der Weg immer schwieriger und mühseliger wurde, näherte sich David langsam seiner Belastungsgrenze. Er strauchelte zum wiederholten Male, bis er schließlich am Rande der Erschöpfung auf die Knie fiel. Diesmal dauerte es sehr lange, bis die schwarzen Punkte vor seinen Augen, die von einem nahenden Zusammenbruch kündeten, verschwanden.
Mit schmerzenden, protestierenden Muskeln, quälte sich David mühsam hoch, ignorierte das dumpfe Pochen in seinem Schädel, blickte nach vorne und erstarrte.
„Mein Gott, was ist das“, sagte er vollkommen perplex, zu der, kaum fünf Schritte, vor ihm aufgetauchten Dornenhecke, „habe ich Halluzinationen? Oder habe ich die Hecke nur nicht früher bemerkt?“.
David war allerdings so ausgelaugt, dass er zu keinen zusammenhängenden Überlegungen mehr fähig war. Er nahm das Auftauchen der Hecke als gegeben hin.
Seine letzten Kraftreserven mobilisierend, näherte er sich mit langsamen, bedächtigen Schritten, dem dornenbewehrten, undurchdringlich scheinenden Hindernis.
Vorsichtig, um sich keine zusätzliche Schramme, oder gar eine Dorne, die am Ende stecken bleiben und sich vielleicht entzünden würde, einzuhandeln, streckte er eine Hand aus, fasste einen Zweig an und bog ihn zur Seite. Wie von selbst gab die Hecke einen Durchgang frei. Mit jedem Zweig, den David beiseite bog, schwenkten ganze Äste zur Seite, und David konnte sich hindurchbewegen, ohne nennenswert verletzt zu werden. Gleichmütig ignorierte er den Schmerz, wenn ihm doch, hier und da, ein Dorn ins Fleisch biss.
David war sich nicht bewusst, dass die Hecke ihn offenbar durchlassen wollte, sondern schrieb das Einfache durchqueren, seiner Konzentration, zu der er trotz der qualvollen Marter, quer durch den Wald, noch fähig war, zu.
Er bog einen letzten Zweig beiseite, stolperte erschöpft auf eine Lichtung und blieb staunend stehen. Lange stand er einfach da, mit offenem Mund und alle Einzelheiten in sich aufsaugend.
„Bei allen Heiligen, ich habe es gefunden“, stieß er atemlos hervor, „das muss es sein. Das ist die beschriebene Lichtung“.
Das Bild, das sich ihm bot, schien tatsächlich direkt aus einem Fantasyroman entsprungen zu sein.
Eine weitläufige, gänzlich mit Moos und saftigem Gras bewachsene, Lichtung erstreckte sich vor ihm. Am linken Rand plätscherte ein kleiner Bach munter vor sich hin, einzelne Obstbäume standen, scheinbar wahllos, auf der Lichtung verteilt herum, gesäumt von, David vollkommen unbekannten, Sträuchern und Hecken. Das fehlen jeglicher tierischer Geräusche bemerkte er in seiner Hochstimmung nicht. Der Anblick war zu perfekt, um logische Gedanken, oder Zusammenhänge zuzulassen.
„Das ist fantastisch“, flüsterte David, „einfach unglaublich“.
Zur Vollkommenheit der gesamten, ihm dargebotenen Schöpfung, stand mitten auf der Lichtung, ein riesiger, Baum. In den Baum eingebettet, befand sich ein Runenbedeckter Stein, der ihn um mehr als das doppelte überragte. Der Elfenstein.
Fassungslos, aber überglücklich, bestaunte er, am Rand stehend, den Garten. David sog tief, die klare, wie frisch gewaschen wirkende Luft, ein, und genoss die sonderbaren Düfte.
Die Sonne stand immer noch gleißend hell am Himmel, schien aber einiges an ihrer Wucht verloren zu haben. Es war natürlich immer noch warm, aber die drückende Hitze war verschwunden.
David ging zu dem kleinen Bach. Unterwegs lies er allen Ballast fallen, seinen Rucksack, seine Schuhe, seine fast schon zerlumpen Kleider, einfach alles, bis er nackt in dem Bach planschte, glückselig wie ein kleines Kind.
Fast vollkommen wiederhergestellt, stieg David aus dem Wasserlauf. Keine Schmerzen mehr, keine verspannten Muskeln mehr, selbst seine vielen kleinen Wunden, schienen rascher zu verheilen. Der Bach, die ganze Lichtung, wirkte wie ein Jungbrunnen.
„Ich bin im Garten Eden“, sagte er immer noch staunend zu sich selbst, wanderte langsam über die Lichtung, pflückte sich einige Birnen und legte sich schließlich zum Trocknen in das herrlich weiche Moos, direkt gegenüber, dieses riesigen, alles überragenden Baumes, mit seiner eigenartigen Schrifttafel. Interessiert studierte er die, den Stein dominierenden, seltsamen Schriftzeichen. Die Runen befanden sich im oberen viertel und schienen nicht etwa eingemeißelt, sondern sie waren so natürlich in den Stein eingefügt, als gehörten sie schon immer dazu. Die Runen waren augenscheinlich in den Stein hineingewachsen. Der untere Teil des Steines, und die sichtbaren Teile der mächtigen Wurzeln, des, den Stein beschützend wirkenden, Baumes, waren mit weiteren, schlechter erkennbaren, Runen übersät. Diese Schriftzeichen wirkten aber ungeordnet, irgendwie wahllos verteilt, wie Konfetti in einem Raum, nach einer zügellosen Feier.
Jetzt, wo er körperlich und geistig erfrischt, den Elfenstein, mit seinen Runen begutachtete, konnte er seine Aura fast körperlich spüren.
Der Stein strömte etwas Unweltliches aus, eine geheimnisvolle Macht, die Davids Aufmerksamkeit vollkommen in Anspruch nahm.
Er nahm schließlich seinen Zeichenblock und einen Stift aus dem Rucksack und begann die Runen abzuzeichnen, um diese später im Institut zu analysieren.
David blinzelte irritiert mit den Augen. Aus den Augenwinkeln hatte er ein Leuchten bemerkt, ein kurzes aufflackern. ‚Hatten die Runen gerade aufgeleuchtet? Wirklich?’ Der Gedanke huschte durch sein Gehirn. Aber David schrieb das vermeintliche Aufleuchten der Runen der gleißenden Sonne zu.
Er schloss die Augen und wandte sein Gesicht ebendieser Sonne zu, die seinen Körper so angenehm wärmte. Als er nach einer Weile die Augen wieder öffnete, sah er, ein junges Mädchen? Oder eine junge Frau, neben dem Baum und seinem seltsamen Stein stehen, die ihn beobachtete. Verwirrt schloss er wieder die Augen und schüttelte leicht den Kopf.
‚Ich habe Halluzinationen’ schoss es ihm durch den Kopf. Als David wieder hinsah, war die Frau immer noch da. Zierlich, mit langen blonden, fast weißen, glänzenden Haaren, auf eine fremdartige weise wunderschön und milde lächelnd.
„Ich habe Halluzinationen“, sagte David und sprach seinen Gedanken laut aus, „oder ich schlafe und habe einen Traum“.
„Du hast keine Halluzinationen und du träumst auch nicht“. Die melodische Stimme jagte ihm einen solch angenehmen Schauer den Rücken herunter, dass er vor Erregung tief einatmete. Überrascht und verwirrt stand David auf und betrachte das Mädchen, das so plötzlich und unverhofft aufgetaucht war.
Das Mädchen war klein und zierlich, sie mochte David, der selbst eher klein war, gerade bis zur Brust gehen. Aber trotzdem, sie war einfach hinreisend schön.
Sie war lediglich mit einem durchsichtigen Tuch bekleidet, das nichts verbarg. Er konnte alle Einzelheiten ihres makellosen Körpers bewundern, und sie war eindeutig kein Mädchen, sondern, obwohl klein und sehr zierlich, aber mit den Rundungen einer Erwachsenen ausgestattet, eine Frau. Mit den Händen bedeckte er seine Blöße, nicht weil er sich schämte, sondern um seine beginnende Erregung zu verbergen, womit er unbewusst die Existenz des Wesens bestätigte. Als das Mädchen seine Bewegung und die Absicht dahinter bemerkte, lachte sie auf. David blickte sie verwirrt an, genoss aber den wohligen Schauer, den die glockenklare Stimme und das aus tiefstem Herzen zu kommen scheinende Lachen, auslöste. Während sie auf ihn zuging, wich David dennoch zurück. Ihr Aussehen, war trotz aller Schönheit, zu fremdartig, um wirklich zu sein.
„Du bist nicht echt“, sagte David zu der Erscheinung. „Nun, du redest mit mir“, sagte sie.
„Ich rede nur mit mir selbst“, antwortete David.
„Ich löse Gefühle in dir aus!“ sagte sie lachend und betrachte interessiert seine Mitte.
Die Erektion verschwand. Er hatte sowieso nur wenige Freundinnen gehabt, zwei Stück um genau zu sein. Aber das schlimmste war, dass er, bei seinen Freundinnen, im Bett versagt hatte, und zwar so gründlich und vollständig, dass er vorerst auf Handbetrieb umstellte. Genau diese Erinnerungen schossen ihm durch den Kopf. Allein die Angst, mit einer Frau intim zu werden, besonders bei einem so schönen, exotischen Wesen, deren Existenz er noch leugnete, und wahrscheinlich erneut zu versagen, verbannte die erregenden Gedanken.
„Habe keine Angst, David“, sagte sie, jetzt wesentlich ernster und ohne ein Lachen in der Stimme.
David ging auf die Knie und konnte seinen Blick nicht von diesem schönen Mädchen abwenden. Sie ging zu ihm, kniete sich vor ihm hin und streichelte seine Wange.
„Habe keine Angst“, wiederholte sie, „du hast die Lichtung und damit mich gefunden“.
Sie blickte ihm offen und direkt in die Augen. Es dauerte nur Sekunden und David war ihr gänzlich verfallen. Ihre Anmut, wie sie so keck den Kopf schief legte, löste etwas in ihm aus, dass nur Liebe sein konnte.
Langsam näherte sie ihre Lippen den seinen. Sie küsste ihn zärtlich, mit einem unterschwelligen Verlangen, während David aufgab und ihren Kuss erwiderte.
„Wer bist du?“ fragte David leise und etwas atemlos, „was bist du? Woher weißt du meinen Namen?“.
Wieder dieses melodische und zärtliche Lachen.
„Meinen Namen kannst du nicht aussprechen, nenne mich einfach Serene. Ich bin eine Elfenpriesterin“, antwortete sie. Die letzte Frage ignorierte sie einfach.
„Elfenpriesterin?“, David sah sie fragend an.
„Ja, Elfenpriesterin. Ich wurde vom Elfenrat auserwählt und sorge für das Wohlergehen und Wachstum aller Pflanzen auf unserer Lichtung. Besonders natürlich unseren Beschützerbaum, der unseren heiligen Stein behütet“.
David betrachtete zweifelnd den knorrigen, alten, aber riesigen Baum, mit diesem seltsamen Stein und seiner Inschrift und den runenbedeckten Wurzeln und das zierliche Mädchen, das so unbekümmert vor ihm kniete. Er war immerhin nackt, sie so gut wie nackt, sie waren einander vollkommen unbekannt, und trotzdem kniete sie, ohne Angst, ohne Scheu, vor ihm und streichelte ihn auch noch, küsste ihn sogar, warum auch immer. Aber er genoss ihre sanften Berührungen.
„Elfenrat? Elfenpriesterin? Du bist eine Elfe? Ich dachte Elfen gibt es nur im Roman?“, fragte David zweifelnd.
„Möchtest du mir helfen, lieber David?“, fragte sie ihn, mit einem unsicheren, fast schon mitleiderregenden Tonfall, ohne David zu antworten.
Eigentlich hätte David irgendeine Form von Misstrauen zeigen müssen, stattdessen sagte er: „Alles, ich tue alles für dich“, die Antwort kam prompt, ohne zu überlegen.
Lächelnd hob Serene ihre Arme und ihr Kleid wurde von einer aufkommenden Brise hinweggeweht. David hob eine Hand, streichelte ihre Wange und wanderte zaghaft mit seiner Hand über ihre weichen Brüste. Serene drückte ihn auf das weiche Moos und gab sich ihm völlig hin. Wild, wie im Rausch, bedeckten sie ihre Körper mit ihren Lippen und ihren Zungen, ließen keine Stelle aus, erkundeten jeden Millimeter Haut.
Das Mädchen hockte sich schließlich auf David, nahm behutsam seine Männlichkeit in die Hand, führte ihn an ihre geheimen Lippen und David drang in sie ein.
Er wurde überwältigt von Gefühlen, die er bei einem Akt nie für möglich gehalten hätte, schon gar nicht, bei seinen früheren, stümperhaften Versuchen. Sanft, so unendlich vorsichtig bewegte Serene ihr Becken, als ob sie Angst hätte David zu zerbrechen. Er fühlte sich unfassbar Geborgen, vereint mit der Natur, in der Natur. Lange vor seinem eigentlichen Orgasmus, war er befriedigt, wie nie zuvor. Als der Orgasmus kam, schmolz seine bisher gekannte Welt dahin, ging auf in ein Reich der Lust. Jede Faser, jeder Nerv, jeder Muskel seines Körpers wurde befriedigt. Der Zustand, der in Wirklichkeit nur wenige Sekunden dauerte, schien sich Stunden hin zu ziehen.
Voller Überzeugung, absolut sicher, das richtige zu tun, wiederholte David, in den Sekunden des größten Glücks: „Ja, Serene, für dich, bin ich bereit, alles zu tun. Ich würde sogar mein Leben für deines geben“. Damit hatte Serene alles, was sie brauchte.
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Nach langem, erholsamem Schlaf, öffnete David die Augen und betrachtete einen klaren sternenübersäten Himmel. Schnell bemerkte er, dass er alleine war. Ein tiefes, schmerzhaftes Gefühl des Verlustes drohte ihn zu überwältigen.
„Serene? Serene, wo bist du?“, fragte er traurig in die Nacht, erhielt aber keine Antwort.
Er stand auf und ging trostsuchend zu dem alten, knorrigen Baum, lehnte sich an den festen Stamm, spürte die Aura des Elfensteines, spürte die Wärme, und sei es nur die einer Pflanze, fand wieder so etwas wie Geborgenheit und lies sich eine Weile von seiner Traurigkeit überwältigen.
Eine Berührung, die er eigentlich schon erwartete, lies ihn trotzdem leicht zusammenzucken.
David drehte sich um, und blickte Serene, jetzt wieder eingehüllt in das dünne, durchsichtige Tuch, sehnsuchtsvoll an. Allein ihr Blick und ihre Hand auf seiner Brust, lies ihm das Blut in den Unterkörper schießen und seine Erregung wurde sofort sichtbar. Milde, fast belustigt, sah Serene nach unten und betrachtete seine erregte Männlichkeit.
Sie hob den Kopf und schaute ihm jetzt kalt in die Augen. Seine Erregung verschwand, und die Hand auf seiner Brust, war plötzlich unangenehm. Die Geborgenheit und Lust, war einer Beklommenheit gewichen.
„Du hast versprochen mir zu helfen, also hilf mir!“, sagte Serene, mit ihrer hellen, melodischen Stimme, jetzt aber mit einem harten und forderten Ton, aber, eigentlich völlig unmöglich, gleichzeitig auch traurig. Die weiche, erregende Stimme, war verschwunden, ihr Blick versprach keine Lust mehr, sondern Grauen. Seine Augen weiteten sich vor Enttäuschung, vor Entsetzen.
Bevor David die Wurzeln, die wie feine Seile aus dem Boden kamen, den Baumstamm hochkletterten, bemerkte, hatten sie sich sanft, fast zärtlich um seine Handgelenke und Fußgelenke gelegt. Mit einem Ruck spannten sie sich, zogen seine Arme überraschend sanft zur Seite, und David stand gefesselt am Baum. Überrascht und verwirrt schrie er auf.
„Was soll das? Was hast du vor?“, fragte David laut.
Serene lächelte nur und antwortete, mit einer Stimme, die ihm das Blut in den Adern gefrieren lies.
„Du wolltest mir helfen. Der Zeitpunkt, an dem ich dein Versprechen fordere, ist gekommen“.
„Aber…aber wie? Was machst du?“, stotterte David, unfähig einen vollständigen Satz zu artikulieren.
„Bald, lieber David, bald, früher als dir lieb ist, weißt du es“, sagte Serene, drehte sich um und verschwand in den Schatten der Lichtung.
Mit Abscheu, beobachtete David, der nur noch seinen Kopf bewegen konnte, wie sich weitere Wurzeln aus dem Boden befreiten, und sich wie ein feines Spinnennetz über seinen Körper legten.
Die zuvor vom Baum ausgehende Geborgenheit, war einem Grauen gewichen, das David eine Angst einjagte, die er bisher nicht kannte, Todesangst. Wild riss und zerrte er an seinen Fesseln, erreichte aber nur, dass die Wurzeln ihm schmerzhaft ins Fleisch schnitten. Er gab seine sinnlosen Bemühungen schließlich auf.
„Serene“, schrie David, „hilf mir“.
Natürlich bekam er immer noch keine Antwort, sondern nur Stille. Oder fast Stille. Ob als Antwort gemeint, oder auch nicht, erklang Musik, gerade oberhalb der Hörgrenze.
David drehte den Kopf hin und her, die Musik blieb und wurde allmählich lauter. Die Musik war fremdartig, undefinierbar, keinem Instrument zuzuordnen. Aber das beschäftigte ihn nur am Rande. Das vordringlichste Problem waren die Schmerzen, verursacht durch die Musik, in seinen Ohren und in seinem Kopf. Er hätte sich gerne die Hände auf die Ohren gedrückt, was aber, bedingt durch die Wurzeln um seine Handgelenke, unmöglich war. Die Musik wurde immer lauter und lauter, marterten sein Gehirn und seine Ohren.
Schnell wurde die Musik so laut, dass sein Herz, anstatt Blut, Schmerz durch seine Adern pumpte.
Übergangslos wurde die Musik wieder leiser, war plötzlich kaum noch zu hören und David riss die Augen auf, in denen das blanke Entsetzen stand. Gestalten lösten sich aus den Schatten der vielen Bäume. Sie tanzten schnell und flink um den Baum, und damit um ihn, herum, berührten ihn an allen Körperstellen, die die Wurzeln freigelassen hatten. Manchmal konnte er einzelne zierliche Gestalten erkennen, konnte aber nicht sagen, ob es sich um weibliche oder männliche Elfen handelte, vielleicht auch beides, eigentlich kümmerte es ihn auch nicht.
Nackt, schutzlos und sich die Seele aus dem Leib schreiend, stand er an dem Baum und musste die Demütigungen über sich ergehen lassen. Irgendwann erkannte auch David, dass sein verbaler Widerstand nutzlos war und verstummte. Er beobachtete lediglich, mit, falls überhaupt noch möglich, wachsendem Entsetzen, die flinken, tanzenden Gestalten. Er ahnte, nein, wusste, so sicher wie er am Morgen wusste, dass er die Lichtung finden würde, dass er auf eben dieser Lichtung sterben würde. Er nahm sich fest vor, seinem Tod wie ein Mann entgegenzutreten, dass Unabwendbare zu akzeptieren.
Trotzdem weinte David bittere Tränen. Er war doch nur ein kleiner Archäologe, und kein mutiger Held.
Während die Tränen auf seinen Wangen herunter liefen, wurde die Musik lauter, aber nicht mehr ganz so unangenehm, das Tanzen der zierlichen Wesen wurde immer wilder und ekstatischer, die Berührungen immer flüchtiger.
David bemerkte nicht die große, dicke, nach vorne hin, spitzzulaufende Wurzel, die sich langsam zwischen seinen Beinen hoch schlängelte. Erst als die Spitze der Wurzel seinen Bauchnabel berührte, spürte er sie. Das Grauen war tatsächlich noch steigerungsfähig. Er sah an sich herunter und wusste jetzt nicht nur, das er auf der Lichtung sterben würde, er wusste auch wie er sterben würde und warum. Der Baum benötigte offenbar menschliche Nahrung.
Links und Rechts von seinem Kopf strebten ebenfalls zwei Wurzeln auf ihn zu, erreichten schnell seinen Gesicht und krochen in seine Nase.
Es war eine Sache, sich mit dem nahenden Tod abzufinden, aber wenn es soweit war….
Als die dickere Wurzel an seinem Bauchnabel, durch diesen in ihn Eindrang, seine Haut durchstieß, wie eine Pfeilspitze, schoss eine unbeschreibliche Schmerzwelle durch seinen Körper und David konnte nur noch schreien.
Plötzlich tauchte tanzend Serene neben ihm auf, legte ihm eine Hand auf die Wange und blickte ihn traurig und zufrieden zugleich an, sagte aber nichts.
Er spürte die Wurzel in seinem Bauch, als diese sich tastend und suchend bewegte. Die dünneren Wurzeln krochen weiter seine Nase hoch, durchstießen schließlich die dünne Haut, die sein Gehirn schützte. Das Bild der schönen Serene, war das letzte was er sah. Die Schönheit und Anmut dieses herrlichen Wesens, nahm er mit in die Dunkelheit, die langsam über ihn schwappte. Die Wurzeln saugten das Leben aus ihm heraus, wie sonst die Mineralien und das Wasser aus dem Boden.
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Als die Sonne aufging, war die Hecke verschwunden, die Bäume näher an den Beschützerbaum herangerückt, und es blieb eine kleine Lichtung, die von Wanderern gerne zum Ausruhen genutzt wurde. Der heilige Stein, den der Baum zu beschützen hatte, war gänzlich unter der knorrigen Rinde verborgen. Der Baum selbst, war wesentlich kleiner und versteckte sich irgendwie hinter den ihn umgebenden Bäumen. Er wirkte unscheinbar, nicht beachtenswert. Hätte sich jemand die Mühe gemacht und die, schlecht als solche erkennbaren, Runen am Stamm und an den Wurzeln näher betrachtet, wäre ihm aufgefallen, dass ziemlich weit oben, eine neue Rune hinzugekommen war. Die Rune, die für den unglücklichen David stand, von dem man nicht einmal Überreste fand. Er war vollkommen spurlos verschwunden. Trotz umfangreicher Ermittlungen, fand die Polizei lediglich seine Kleidung und seinen Rucksack. Aber auch nur nach einem Hinweis eines Wanderers. Die intensive Suche nach einem ominösen Bericht, über eine fantastische Lichtung, blieb erfolglos. Seine Kollegen konnten nur sagen, dass er einem Hirngespinst verfallen war.
Wehe dem, der sich einem Beschützerbaum nähert. Wenn dieser Baum auch noch über eine versierte Priesterin verfügt, die alles was sie hat, einsetzt, um ihr Kleinod zu ernähren….
 

Deva

Mitglied
Hi ich bin auch noch relativ neu in diesem Forum. Ich lese recht viele Geschichten hier und ich finde es unerträglich, wenn jemand hier sein mühsam, geschriebenes Werk reinstellt und keinerlei Aufmerksamkeit genießt.Ich kenn das leider nur zu gut, meine momentane Geschichte: Exodus von Irdoth." ist leider auch noch ohne Antwort.
Verzeih, daß ich erst jetzt antworte, aber ich bin erst gerade eben auf deine Geschichte aufmerksam geworden.

Ich habe sie mir aufmerksam und gespannt durchgelesen und muss sagen, sie ist auf ihre weise genial. Das Szenario ist richtig gut gelungen auch der Wink mit den Dornenbusch ist klasse. Also habe ich diese Faktoren in meine Bewertung einfließen lassen udn dir eine 8 gegeben ;)
 



 
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