Der Immogeier - Püttmann .. - Folge 13

Der Immogeier

Wat sollte ich denn in meiner verzweifelten Lage machen? Berta drohte mit lebenslangem Körperverbot, wenn ich nich zu dem Infotermin bei dem Makler erscheinen würde!
Ich hätte die Hölle auf Erden! Sie machte mich psychisch fertig und beschimpfte mich sogar als Erbsenzähler, knickerigen Hund und Provinzler, der die Welt nie ma über’n Tellerrand betrachten würde.

Dat waren aber nur einige Kostproben aus ihrem plötzlich so gewaltigen Wortschatz! Ich war mir sicher: Berta hatte in ihrem Weiber-Kegelverein sehr schlechten Umgang.
Vielleicht isse auch von ihrer Mutter oder vonne neidischen Geschwister gegen mich aufgehetzt worden. Der Bande traute ich allet zu. Die hetzten schon immer gegen mich!
Wenn dat ne Verschwörung gegen Willi Püttmann iss, komm ich den Kameraden ganz schnell aufe Schliche. Dann ging et aber rund mit die Paula. Dann kannze Willi ma in Aktion sehen, dann fliegen Fetzen! Die können sich jetz schon ma warm anziehn!

Früher war Bertaken immer so lieb und zärtlich, kein böset Wort kam über ihre schönen Lippen. Ihre Stimme klang wie Engelgesang in meinen Gehörgängen.
Warum hing ich so sehnsüchtig längst vergangenen Zeiten nach? Litt ich an Liebesentzug? War ich vielleicht schon gemütskrank? Ich musste eventuell doch ma son speziellen Inseldoktor aufsuchen. Wahrscheinlich litt ich hier an son typischet Inselsyndrom.

Ab fünfzig konnte ich bei meinem Bertaken erste Tendenzen zu Widerspruch, Aufbegehren, Demutsverlust und Ungehorsam feststellen. Diese fiesen Neigungen wurde schleichend von Jahr zu Jahr mehr und erreichten mit diesem furchtbaren Ausbruch und erschreckenden Drohungen hoffentlich ihren Höhepunkt.

Ich war dann doch, also, nur vorsichtshalber, nich, dat Se glauben ... – bei dem angekündigten Maklertermin anwesend!

Der wortgewandte deutsche Immogeier empfing uns um zehn Uhr morgens in seiner Luxus-Villa. Hochprozentige Getränke und kleine Häppchen wurden von netten Mädchen mit kurzen Röcksken zum Einlullen herumgereicht.
Er nannte die Häppchen Kannapedes oder so ähnlich. Dann fuhr er mit uns los und zeigte uns bis neunzehn Uhr an die neun bis zwölf Wohnungen.

Entweder waren die Buden total runtergekommen oder von der Lage her so beschissen, dat man dort keinen Hund hätte wohnen lassen dürfen.
Ich hatte langsam die Schnauze voll! Jede Zechenwohnung im Ruhrpott ausse Fünfzigerjahre war Gold dagegen!
Ich sachte zu dem Mann: „Hörn Se ma, wir sind von die verdammte Kuckerei völlig fertig. Dat war doch bis jetz nur Müll, dat war ne Zumutung für die Augen. Hamse nich ma wat Koscheret, oder könnse dabei zu wenig verdienen?“
„Ja“, sachte der Makler ganz blasiert, „für lumpige achtzigtausend Euro bekommen Sie nichts Adäquatores auf dieser herrlichen Insel.“
Berta wurde auf einmal tranquileiser. Sie sah jetz hoffentlich ein, dat allet zwei Nummern zu groß für uns war!
Dat wurd ja auch langsam Zeit! Mein kleinet Schrebergartenhäusken rückte endlich wieder in greifbare Nähe.

Ich sah meine liebe Berta schon in Gedanken Unkraut zuppen, die Erde umgraben und bei die Ernte hoch inne Bäume hängen.
Ich träumte weiter: Ich lag schön inne Hängematte, sah mich ne leckere Erdbeerbowle schlürfen und en Zigärrchen qualmen. Ja, dat wär doch auch en erfüllter Lebensabend. Vor allem wär der nich so teuer!

Auf einmal schaute mich Berta wieder mit dem lieben, demütigen Dackelblick wie vor fünfunddreißig Jahren an. Dieser Blick war ja schon Geschichte! Dat ich den noch ma erhaschen durfte! Ganz schwach wurde ich, weich wie Butter, und dat nach den fiesen Demütigungen, dat war doch nich normal!

Mich musste der Teufel geritten haben! Da sach ich Blödmann für den Makler: „Wat iss denn, wenn ich noch ma dreißigtausend drauflege, wat ham Se dann zu bieten auf Ihrer herrlich teuren Insel?“
Dat Geiergesicht erhellte sich. Er war sofort en anderen Mensch. Der Kerl hörte gar nich mehr auf zu sabbeln und schilderte uns die Insel und die Kapitalanlage so lange in den schönsten Mohnfarben, bis wir davon völlig berauscht waren.

Er fuhr zu einem großen Apartheidshaus, wat direkt in einer kleinen Meeresbucht lag. Die Gartenanlage, der Pool und son paar Palmen machten schon wat her, und wat mir besonders inne Augen fiel, dat war der tolle Blick auf dat Meer. Auch der Wohnungszuschnitt war ganz passabel.
Der Geier wieder: „Die letzte Wohnung, Erstbesitz, ein Schnäppchen, ein Juwel, es gibt schon mehrere Interessenten, Sie müssen sich sofort entscheiden.“
Ich bemerkte in Bertas Gesicht son Ausdruck der Verzückung! Ihr entrückter Blick streifte meine Augen. Diesmal war ich aber nich son Trottel, der sich davon einlullen ließ.
Et war mittlerweile 21.00 Uhr! Ich bremste den Kerl: „Sachte, sachte, Kamerad, so schnell schießen die Preußen nich, schon gar nich hier inne Abendsonne!“
Und Berta belehrte ich: „Keine Entscheidung ohne Übernachtung. Die Sonne, dat Meer und der blaue Himmel verführen schnell zu unbedachten Handlungen, die man dann dat ganze Leben lang bereuen tut.“
Der Makler war schon schwer stinkig, als ich ihm auch noch erklärte: „Gut Ding braucht gut Weil, et gibt auch noch andere Mütter mit schönen Töchtern, die man sich nich durch die Lappen gehen lassen sollte.“
Dat war dem Herrn zu viel, er murmelte sich wat in den grauen Bart und brauste ohne Gruß mit seinem dicken Schlitten davon.
 



 
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