Der König der Vamipre

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maehrdich

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Eine Straße in Zwickau

Es war eine der Nächte, die Klio so hasste. Kein Mond, keine Sterne. Die Lampen der Straße leuchteten nicht. Sie waren zerstört. Kein Lichtstrahl drang aus den Häusern, die die Straße säumten. Nur sie war unterwegs. Klein, etwas mollig und nicht unbedingt eine Schönheit. Die Haare zwar blond, aber sehr strohig. Ihr Gesicht sah aus, als wäre es noch nie an die Sonne gekommen.
Plötzlich huschte etwas über ein Dach auf der anderen Straßenseite. Klio blieb stehen. ‚Sie sind hier’, dachte sie. Jetzt war höchste Vorsicht geboten. Der süßliche, aber schwache Geruch des Blutes lag in der Luft. Kaum wahrnehmbar. Hinter sich hörte Klio ein Geräusch. Sie fuhr herum. Aber es war nur ein Betrunkener, der durch die Straße wankte und schließlich in einem Hauseingang einbog. Keine Gefahr...
Im Augenwinkel nahm Klio eine weitere schattenhafte Bewegung wahr. In Sekundenschnelle drehte sie sich um, doch da war nichts. Sie wusste, dass sie nicht verrückt war. Sie wusste, dass etwas mit ihr spielte. Doch dieses „Spiel“ würde kein gutes Ende haben. Die Frage war nur für wen.
Der Auftrag hatte Klio diesmal nach Zwickau, einer etwas größeren Stadt in Sachsen, geführt. Sie befand sich in der Nähe des „Platzes der Völkerfreundschaft“. Hier hatte es viele Todesfälle gegeben. Unnatürlich, unbegreiflich. Die Polizei hatte keine Chance, dem ein Ende zu setzen. Sie konnten die Menschen nicht beschützen, aber Klio war dazu in der Lage.
Sie schärfte ihre Augen und konnte nun deutlich einen Schatten ausmachen, der über das Dach auf der anderen Seite der Straße eilte. Ein Schatten in lichtloser Nacht. Er floh, aber nicht vor ihr. Sekunden später nahm sie wahr, was auch er gerochen hatte. Eine Blutspur, so intensiv, das es dafür nur eine Erklärung gab. Wieder einmal war sie zu spät gekommen. Trotzdem sollte sie keine Zeit verstreichen lassen. Für diesen einen konnte sie vielleicht nichts mehr tun, aber für viele andere schon.
Um sich sicher zu sein, blickte Klio erst nach rechts und dann nach links, bevor sie weiter ging. Kein Augenblick ließ sie das Dach, auf dem sie den Schatten gesehen hatte, aus den Augen. Vielleicht kam er zurück und wollte weiter spielen. Sie achtete auf jedes Geräusch. Doch zurzeit waren ihre Schritte und das ferne Brummen einiger Fahrzeuge das einzige, was sie hören konnte. Langsam und vorsichtig ging sie an Autos vorbei.
Sie erreichte eine Kreuzung. Nicht einmal Wind strich durch die Bäume. Eine gespenstige Ruhe beherrschte Zwickau. In der Ferne schlug eine Glocke zwölf Mal und zerriss die Stille. ‚Geisterstunde’, dachte Klio. ‚Wie passend.’ Sie betrat eine von Bäumen gesäumte Straße. Die Spur war deutlich genug. Die Lampen brannten, aber die Dunkelheit konnten sie nicht vertreiben. Die Straße war düster und unheimlich. Wie aus einer der Geschichten, die Klio früher gelesen hatte. Hier lauerte die Gefahr, bereit sich aus dem Versteck zu stürzten und ein Opfer zu packen.
„Da ist etwas“, sagte eine Stimme neben ihr. Klio sah einen Mann auf dem Boden liegen. Eins ihrer Opfer? Ruhig ging sie zu ihm und kniete sich neben ihm nieder. Es war ein Mann mittleren Alters, der wahrscheinlich nur zufällig hier unterwegs gewesen war. Das Blut breitete sich langsam über den Boden aus. Plötzlich fühlte Klio Begehren in sich. Das Blut übte eine magische Anziehung auf sie aus. Es fiel ihr schwer sich unter Kontrolle zu halten. Klio wollte sich vorüber beugen und trinken. Im letzten Moment hielt sie sich davon ab. Mit aller Kraft zwang sie sich, ihren Blick vom Blut zu lösen und aufzustehen.
Sie waren noch in der Nähe. Klio fühlte regelrecht, wie sie mit Blut bespitzten Gesichtern in den Bäumen darauf warteten, sie anzugreifen. Aber wo? Gründlich suchte Klio die Bäume ab, aber sie versteckten sich gut. Sehr gut sogar.
Klio nahm einen tiefen Atemzug, schlug einmal die Augen nieder. Mehr Zeit brauchten sie nicht. Sie schossen aus den Bäumen und landeten direkt vor ihr. Instinktiv wich sie mehrere Schritte zurück und musterte ihre beiden Gegner. Im Ansatz hatten sie Ähnlichkeit mit Menschen. Aber ihre Haut war grau, die Haare ausgefallen. Die wenigen, die sie noch besaßen schimmerten silbern. Aus ihrem Rücken wuchsen mächtige Schwingen, die es diesen Wesen ermöglichten zu fliegen. Ihre riesigen Kaulen, die sogar Stahl durchtrennen konnten, waren Mordwaffen. Mit kleinen spitzen Zähnen im Mundwinkel saugten sie ihren Opfern das Blut aus. Diese Wesen waren grauenvoll, Furcht erregend, Vampire!
Sie stürzten vor, ohne Fragen, wahrscheinlich auch ohne nachzudenken. Für sie war Klio nur ein Opfer unter vielen, mit dem sie ihre Blutgier befriedigen wollten. Aber sie war mehr als das. Während sie den Krallenhieben auswich, begann sie sich zu verändern. Eine Jagd auf Vampire war gefährlich, wenn nicht sogar tödlich. Doch Klio war kein Mensch. Sie wurde größer und kräftiger. Die unscheinbare Kleidung wurde durch einen langen schwarzen Ledermantel, eine enge Lederhose, einem knappen roten Top und hochhackigen Schuhe ersetzt. Ihre Haare färbten sich schwarz, ihr Gesicht wurde bleicher. An ihrem Gürtel erschienen zwei silberne Revolver in zwei Halftern.
„Du wirst keine Chance haben“, erklärte der Vampir mit kratzender rauer Stimme, in der Überlegenheit mitschwang. Man unterschätzte sie. Klio merkte ganz genau, dass sich hinter ihr der zweite Vampir anschlich. Doch sie verharrte, spielte die Unterlegene. Im letzten Moment, bevor er sie erreichte, warf sie sich herum, griff sie sich die Waffen und schoss auf einen der Vampir. Dieser sprang in die Luft und entkam unverletzt.
„Hinter dir“, schrie die Stimme neben Klio. Sofort fuhr sie herum und feuerte dreimal auf den anderen Vampir. Aber auch diesmal traf sie nichts. Vampire waren schnell wie Katzen. Er stürmte zu einem Baum und verschwand in der dunklen Baumkrone. Auch der andere versteckte sich dort.
Angespannt hielt Klio die Waffen umklammert. Es war noch nicht vorbei. Die Vampire würden erst Ruhe geben, wenn sie tot war. Flucht? Klio wusste nicht einmal, ob sie dieses Wort kannten. ‚Kommt schon, kommt schon’, dachte Klio ungeduldig. Es rauschte in einem Baum rechts von ihr. Sie wandte sich ab, aber das war ein Fehler. Einer der Vampire stürzte herab. Zu schnell für sie. Er landete auf ihr und riss ihr die Waffen aus den Händen. Von seinem Gewicht wurde Klio zu Boden geworfen. ‚Dann auf die umständliche Variante’, dachte sie und schleuderte den Vampir von sich herunter. Sie stand auf, aber auch ihr Gegner kam auf die Beine.
„Achte auch auf den anderen“, warnte die Stimme neben ihr. Klio schlug nach dem Vampir. Er stolperte zurück. Gleichzeitig sprang sie und trat ihm hart ins Gesicht. Stöhnend sank er zu Boden. So schnell sie konnte rannte sie auf ihre Revolver zu, die im Gras lagen.
Aber bevor sie diese erreichen konnte, wurde sie durch einem Schlag gegen den Baum geschleudert. Ihr blieb die Luft weg. Sie versuchte sich wegzuducken, aber der Vampir nagelte sie am Stamm fest.
„Ich habe dir doch gesagt, dass du aufpassen sollst“, schimpfte die Stimme. Der Vampir packte Klio am Hals. Die Krallen bohrten sich in ihre Kehle. Blut lief ihren Nacken hinunter, aber sie biss die Zähne zusammen. Sie befreite ihre Hand und schlug zu. Der Vampir stolperte zurück. Mit leicht zitternder Hand hob Klio die Waffe auf und schoss auf den Vampir. Er brach tot zusammen.
Der andere Vampir stürmte auf sie zu. Offen, ohne Deckung. Mit einer einzigen Kugel streckte sie ihn auch nieder.
„Das war schlecht“, bemerkte die Stimme.
„Ich habe sie getötet“, antwortete Klio. „Nur das zählt.“ Die Wunden an ihrem Hals schlossen sich wieder. Sie schob ihre Waffen zurück in die Halfter. Gleichzeitig wurde sie wieder die unscheinbare Frau.
„Du hast es schon einmal besser geschafft“, erklärte die Stimme wütend. „Deutlich besser. Sie hätten dich beinah getötet.“
„So weit wäre es nie gekommen.“ Langsam ging Klio zu einem der toten Vampire. ‚Das ist nur ein Diener’, dachte sie. Diener waren einfache Vampire. Doch sie war auf der Suche nach dem Fürsten des Clans. Einen Augenblick blieb Klio einfach stehen und betrachtete den Vampir. Sie hasste dieses Wesen nicht. Früher waren es einmal Menschen gewesen...
„Ruhe in Frieden“, sagte Klio. „Du sollst erlöst werden. Deine Taten verzeihen wir.“ Dieser Mensch hatte es nicht verdient, dass so etwas aus ihm wurde. Ein Vampir hatte sein Leben zerstört, so wie ihres auch.
„Mir kommen gleich die Tränen“, bemerkte die Stimme.
„Halt die Klappe“, stieß Klio aus.
„Du bist immer so weich. Du sollst erlöst werden.“ Hohn schwang in der Stimme mit. „Ich dachte, dass du endlich stärker bist. Aber jetzt stehst du neben einem Vampir und weinst fast, nur weil er irgendwann einmal ein Mensch gewesen ist. Das ist einfach unverständlich. Schließlich hat er andere Menschen kaltblütig getötet.“
„Du verstehst es nicht. Ach, ist auch egal“, antwortete Klio. Sie machte sich auf den Rückweg. Heute Nacht würden keine Vampire mehr unterwegs sein. Meist gingen nur zwei Diener oder der Fürst auf die Jagd. Nie alle zusammen. So konnte sich die Jagd auf einen Clan sehr lang hinziehen. An manchen Nächten war Klio stundenlang in der Stadt unterwegs, auf der Suche nach Spuren und Hinweisen. Blutspuren konnten tagelang in der Luft liegen, aber sie waren alt und führten oft nicht zum Ziel. Dass sie heute die Vampire gefunden hatte, war mehr ein Zufall als Können gewesen. Erschöpft strich sich Klio übers Gesicht. Sie wollte sich schlafen legen. Eine sehr menschliche Angewohnheit und unnötig. Aber sie brauchte es.
Klio betrat die dunkle Straße. Die Vampire hatten die Lampen zerstört, damit sie ungestört jagen konnten. Das Versteck musste hier in der Nähe sein. Oder es befand sich am anderen Ende der Stadt. Auf der Jagd nach Vampiren gab es keine Gewissheit, nur Vermutungen. Vielleicht fand Klio die Vampire schon morgen oder erst nächste Woche. Solange der Fürst noch lebte, würde die ganze Sache nicht enden. Er erschuf sich sonst immer weitere Diener.
Tief atmete Klio die frische Nachtluft ein. Wenigstens einen Teil der Arbeit hatte sie schon erledigt. Für sie bedeutete ein Triumph über die Vampire kein Hochgefühl mehr, sondern nur, dass sie weiterziehen konnte. Die Zeit, dass sie sich gefreut hatte, war schon lange vorbei.
Eine schattenhafte Bewegung im Augenwinkel ließ Klio inne halten. Sie musterte die Umgebung genauer. Nichts. Waren noch mehr Vampire in der Nähe?
„Pass auf“, bat die Stimme sie. Sie war nicht mehr so selbstsicher und voller Hohn. „Sie sind hier.“
„Mehrere?“
„Auf jeden Fall.“
„Kann der Fürst darunter sein?“
„Alles ist wahrscheinlich.“ Unsicher machte Klio das nicht. Der Kampf gegen Vampire war zur Routine geworden. Mehrere Vampire... Vielleicht drei oder vier. So oft hatte sie das schon gemacht. Angst brauchte sie nicht zu haben. Das waren „nur“ Vampire. Trotzdem holte sie aus der Tasche eine weitere Waffe. Einen vielleicht 20 Zentimeter langen Dolch, mit silberner Klinge und einen Juwelen verzierten Griff. Das „Schwert der Ewigkeit“. Wenn sie auf den Fürsten traf, würde sie es brauchen.
Plötzlich spürte Klio hinter sich einen Luftzug. Bevor sie sich umwenden konnte, traf ein Hieb sie und schleuderte sie zu Boden. Klio blickte auf. Der Vampir, der ihr gegenüber stand, war größer als die anderen beiden. Auf seiner Stirn leuchtete ein mit Blut gezeichneter Halbkreis, das Zeichen der Unantastbarkeit. Das Symbol des Anführers!
Klio fühlte, wie Blut ihren Arm herunter lief. Es schmerzte sehr, doch sie schenkte dem keine Beachtung.
„Hinter dir“, bemerkte die Stimme.
„Wer bist du?“, fragte der Fürst. „Wie konntest du meine Kinder töten?“
„Biologisch gesehen, sind es nicht deine Kinder“, bemerkte Klio. Den Dolch hielt sie unter ihrem Arm verborgen. Auch wenn er im Augenblick die bessere Ausgangssituation hatte, war sie ruhig und gelassen. Sorgen machte sie sich nicht. Ein paar Kratzer trug sie immer davon, doch das gehörte eben zum Job. Und dieser Fürst war nicht einmal eine Erinnerung wert.
„Wenn du nicht sofort sterben willst, solltest du mir die Wahrheit sagen“, erklärte der Vampir. „Oder willst du einen schmerzvollen Tod erleiden?“
„Ich dachte eher daran, dass du stirbst“, erwiderte Klio. Gleichzeitig zog sie ihren Dolch und schleuderte ihn auf dem Fürst, der den Angriff aber vorausgeahnt hat. Er duckte sich weg, wurde dennoch an der Schulter getroffen. Hastig kam Klio wieder auf die Beine. Sofort begann sie die Verwandlung in die andere Gestalt. Die Wunde am Hals war komplett verheilt. Der Kampf gegen die Diener hatte keine Spuren hinterlassen.
„Achte auf den Fürst. Er wird nicht lange durch den Dolch geschwächt sein“, warnte die Stimme. Klio richtete die Waffe auf die beiden Vampire, die sich hinter ihr befanden. Doch der Fürst erholte sich viel zu schnell. Bevor Klio einmal schießen konnte, stürmte er schon auf sie zu. Hastig sprang Klio und landete auf einem Autodach, das bedenklich unter ihren Füßen knarrte. Ein Lächeln glitt über ihre Lippen. Das waren die letzten Vampire des Clan. Die Jagd würde jetzt ein Ende haben.
„Was bist du?“, wollte der Fürst wissen. „Nur ein Vampir ist in der Lage eine Wandlung durchzuführen. Aber du kannst kein Vampir sein.“
„Rate einmal.“ Klio lachte und schoss auf die beiden Diener, die hastig an die Hauswand zurückwichen und sie hinaufkletterten. Um ein wenig Deckung zu haben, landete sie hinter dem Auto. Die Diener verschwanden aus ihrem Sichtbereich, nur der Fürst hielt das für unter seiner Würde.
„Das wird dir nichts nutzen. Keine Waffe, die du besitzt, wird mich töten“, erklärte der Fürst, der langsam auf sie zuging. Ruhig und nicht hektisch. Er wollte seine Überlegenheit, seine Unerschütterlichkeit zeigen.
„Darauf würde ich nicht wetten. Schließlich blutet deine Wunde“, erklärte Klio und zeigte auf das Blut, das auf den Boden topfte. Der Fürst griff nach seinem Arm. Fasziniert betrachtete er das Blut an seinen Händen.
„Die Diener!“, schrie die Stimme. Doch in dem Moment, in dem sie sich von der Wand stürzten, sprang Klio rückwärts. Die Vampire schafften es nicht abzubremsen und knallten auf den Asphalt. Sofort schoss Klio auf die Diener. Sie wurden von Kugeln durchlöchert und starben sofort.
„Beeindruckend“, erklärte der Fürst. „Doch mich wirst du nicht durch so einen billigen Trick töten.“ In der Hand hielt er den Dolch. Wahrscheinlich hatte er erkannt, dass er der Schlüssel war. Mit dieser Waffe konnte er sogar sie töten!
„Das hast du wirklich sehr gut hinbekommen“, lobte sie die Stimme sarkastisch. „Er hat das „Schwert der Ewigkeit“.“ Klio wich zurück, aber nicht aus Angst, sondern um Raum für Handlungen zu haben. Das „Schwert der Ewigkeit“ war in seiner Hand, na und? Das würde ihm auch nicht helfen.
Der Fürst stürmte auf Klio zu. Diese stieß sich ab, sprang über ihn hinweg und landete hinter ihm. Ungebremst prallte er gegen ein Auto. Bevor er sich umdrehen konnte, riss sie ihm den Dolch aus den Händen, aber der Vampir krallte sich in ihrer Hand fest, sodass sie wieder loslassen musste. Er schleuderte den Dolch die Straße entlang. Ein Schlag mitten ins Gesicht ließ ihre Lippe aufpatzen. Klio taumelte zurück.
„Jetzt schlag schon zurück“, forderte die Stimme sie auf. Einen weiteren Hieb wich Klio aus. Gleichzeitig hob sie die Hände. Den nächsten Schlag fing sie ab. Sofort schleuderte sie den Fürst zu Boden. Sie versuchte ihn am Boden zu halten. Doch er war stärker, als sie dachte. Obwohl sie auf ihn lag, richtete er sich auf!
„Du bist gut, aber nicht gut genug“, bemerkte er, während er wieder auf die Beine kam. Das Blut wischte er sich aus dem Gesicht und ging ganz langsam auf sie zu. Klio lief rückwärts. Jeden Schritt, den er auf sie zumachte, wich sie zurück. Die Hände hielt sie erhoben.
„Komm schon. Das ist doch nur ein aufgeblasner Spinner“, feuerte die Stimme sie an. Klio antwortete nicht, sondern tat noch einen Schritt zurück... und stolperte über etwas. Augenblicklich stürmte der Fürst vor. Noch bevor sie den Dolch aufheben konnte, warf er sie mit aller Kraft zu Boden. Der Vampir rammte ihr die Krallen in die Brust. Schmerzerfüllt schrie Klio auf. Der Dolch lag neben ihrem Kopf, sodass der Fürst nur danach greifen musste! Irgendetwas musste sie tun, aber sie war nicht einmal in der Lage die Hand zu heben, da sie der Schmerz komplett lähmte.
Plötzlich spürte Klio ihren Körper nicht mehr richtig. Der Schmerz verklang. Die Stimme hatte die Kontrolle übernommen. Nun konnte sie nichts mehr tun, außer zu beobachten und ihrem zweiten Ich zu vertrauen.
Ohne auf die höllischen Schmerzen zu achten warf Klio sich herum und trat nach dem Vampir. Um erneut angreifen zu können, zog der Fürst seine blutverschmierten Krallen zurück. Doch Klio trat ihm die Beine weg. Als er zu Boden stürzte, packte sie den Dolch und rammte es ihm in seine Brust. Er sank auf ihr zusammen.
Hastig befreite sich Klio von seinem Gewicht. Ihre Hände waren blutverschmiert. Die Wunde, die er ihr beigebracht hatte, blutete stark, doch langsam schloss sie sich wieder. Vorsichtig richtete sich wieder auf und kam auf die Beine.
„Gib mir die Kontrolle wieder“, forderte Klio ihr zweites Ich auf. Es wandte sich ihr zu und grinste hämisch.
„Nein. Ich habe genau so viel Anspruch wie du darauf.“
„Wage es ja nicht, die andere Gestalt anzunehmen“, stieß Kilo aus. Gleichzeitig drängte sie zu ihrem Körper, um ihn wieder in Beschlag zu nehmen. Das zweite Ich wollte sich wehren, aber zurzeit war sie stärker. Am Ende eines Zyklus fiel es Klio besonders leicht, es zu kontrollieren. Sie übernahm wieder die Kontrolle. Die Stimme musste ihren Körper verlassen.
Als der Schmerz sie übermannte, hielt sich Klio am Auto fest. Doch sie riss sich zusammen und begann die Rückwandlung. Die Wunden verschwanden, sie schrumpfte und wurde wieder menschlich.
„Das war aber nicht ausgemacht“, bemerkte die Stimme. Klio schaute die Gestalt an, die neben ihr schwebte. Durchsichtig wie ein Geist. Ein Vampir. Nur Klio konnte dieses Ungeheuer, das den Namen Lita trug, sehen, denn sie waren ein und dieselbe Person. Zwei Bewusstseins in einen Körper gefangen.
„Ich habe den Clan vernichtet“, antwortete Klio. „Jetzt lass mich in Ruhe.“
„Ohne mich hättest du es nicht geschafft“, behauptete Lita. „Du bist viel zu schmerzempfindlich.“
„Das ist eine menschliche Eigenschaft. Ich kann es leider nicht wegstecken, wenn mir jemand die Krallen in die Brust rammt.“ Klio nahm den Dolch und schob ihn wieder in die Tasche. Weitere Angriffe waren nicht zu erwarten. Wenn noch Diener, die sich aus den Kämpfen herausgehalten hatte, in Zwickau waren, dann würden sie gehen und sich einen anderen Clan anschließen.
Erschöpft verließ Klio die Straße. Sie griff nach ihrer Brust. Die Schmerzen schienen noch da zu sein. Keinen einzigen Blick warf sie zurück. Bald würde jemand kommen und die Spuren beseitigen. Die Leichen durften nicht entdeckt werden, da die Menschen nicht wissen sollten, in welcher Gefahr sie lebten und das schon seit Jahrzehnten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich etwas Bösartiges über ganz Europa ausgebreitet. Man kannte einen Namen für die Wesen, die das Blut der Menschen tranken: Vampire. Doch diese waren nicht wie aus den Mythen. Diese Vampire lachten über Kreuze, Weihwasser und Holzpflöcke, die man ihnen durchs Herz jagen sollte. Das einzige, was ihnen wirklich etwas anhaben konnte, war die Sonne. Aber nur reine klare Sonnestrahlen. Wolken machten auch den Tag zu einer tödlichen Gefahr. Es brauchte einen Vampir, um einen Vampir zu töten. Doch Klio tat es nicht, weil sie die Menschen so mochte, sondern ihr blieb keine andere Wahl.
„Doch die hast du“, unterbrach Lita sie. Wieder einmal hatte Klio verdrängt, dass die Vampirin ihre Gedanken lesen konnte.
„Ich habe keine andere Möglichkeit. Aber du kannst das einfach nicht verstehen“, antwortete Klio, überquerte eine Straße und wollte schon ein Haus betreten, als sie etwas hörte. Ein Auto hielt neben ihr, die Tür öffnete sich.
„Was wollen Sie?“, fragte sie gleichgültig, ohne sich umzuwenden.
„Haben Sie es geschafft?“, wollte ein kleiner, untersetzter Mann wissen.
„Ja. Der Fürst ist tot. Vier Diener habe ich auch erledigt. Ich will ihn sehen, wenn ich zurück bin.“
„Vielleicht.“ Klio ballte die Hand zur Faust, zwang sich aber ihre Anspannung, nicht deutlicher zu zeigen. „Sind Sie sich aber sicher, dass sie alle getötet haben? Können nicht noch welche überlebt haben?“
„Nein. Sie sind alle tot. Der Clan in Zwickau ist ausgelöscht wurden!“ Der Mann schien sie hinhalten zu wollen. Aber das ließ sie nicht mit sich machen. Sie war schon geschlagene drei Wochen hier. Es reichte!
„Morgen wird über Zwickau eine Wolkenfront hinweg ziehen. Perfektes Wetter für Vampire auch am Tag zu jagen. Sie werden noch einmal nachsehen.“ Alles in ihr wollte widersprachen. Das war nicht fair. Aber ihr war klar, dass sie nicht gewinnen konnte. Deswegen gab sie nach.
„Okay. Okay. Ich tue es“, erklärte sie widerwillig.
„Morgen um 12 Uhr holen wir Sie am Treffpunkt ab.“
Ohne eine Antwort zu geben, öffnete Klio die Tür. Wieder fragte sie sich, warum sie so etwas über sich ergehen ließ. Ohne sich anstrengen zu müssen, hätte sie ihn einfach zerfleischen können. Trotzdem nahm sie seine Befehle entgegen und das auch noch ohne Widerwort. Warum konnte sie nicht einfach frei sein?
„Du kannst frei sein, wenn du es willst“, erklärte Lita, während Klio die Treppe heraufstieg. „Ich weiß, dass das dein Wunsch ist. Aber du machst alles, was sie wollen. Sicher bist du dabei auch noch glücklich. Dann musst du wenigstens nicht selber denken!“
„Nein. Das ist nicht wahr. Doch ich kann ihn nicht aufgeben.“
„Jetzt wirst du wieder rührselig. Du machst das alles nur für deinen Sohn.“
„Es ist die Wahrheit. Ohne ihn hätte ich schon lange nicht mehr die Kraft, dich zu besiegen. Ohne ihn wäre ich nicht das, was ich jetzt bin“, stieß Klio aus und betrat die Wohnung, die man ihr für die Jagd auf die Vampire gemietet hatte. Es gab nicht sehr viel. Eine Küche, die sie nie gebrauchte, ein Bett, in dem sich fast schlief, ein Bad und einen Tisch, auf dem Zeitungsartikel, Polizeiberichte und ein Stadtplan lagen. Ohne Vorbereitung stürzte sich nie in einen Kampf. Die Berichte der Polizei halfen ihr herauszufinden, wo sie sie suchen musste. Es war ein kleiner Vorteil, doch er reichte meist. Die Vampire ahnten nicht, dass jemand Jagd auf sie machte. Aber lange würde das nicht mehr so sein.
„Du weißt genau, dass du es nicht schaffen kannst, alle Vampire zu vernichten! Gib endlich dieses Menschenleben auf!“, erklärte Lita. Langsam wandte Klio sich ihr zu und erwiderte ihren durchdringenden Blick.
„Ich weiß, dass du alles versuchen würdest, um mich dazu zu bringen, meinen Sohn zu verleugnen und ein richtiger Vampir zu werden. Doch das werde ich nicht tun. Lita, du kennst die Gründe. Ich will jetzt auch nicht mehr darüber reden. Morgen werden wir die Stadt durchsuchen, dann gehen wir.“
„Okay. Aber du weißt, du hast immer noch die Wahl.“
„Nein.“ Klio schüttelte den Kopf. „Die habe ich nicht.“ Nachdenklich ging sie zum Bett. Ein Vampir brauchte keinen Schlaf, aber es war schön, sich in die Träume zu flüchten. Natürlich konnte man diese nicht mit denen der Menschen vergleichen. Klio durchlebte alles, was passiert war, noch einmal. Meist traf sie die Menschen wieder, die ihr etwas bedeutet hatten, aber leider nicht mehr lebten.
 

jon

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Den Tipp gebe ich selten, aber hier schon: Schreib längere Sätze! Dieser Stil hier passt gut zu Action-Szenen (an dieser Stelle im Text kann es auch so bleiben). Aber zum "normalen Erzählen" ist es zu hektisch ( - manche Sätze sind nicht mal welche, sondern eher Stichpunkte - ) und für die "Stimmungsszenen" erst recht. Tipp: Laut vorlesen (Punkte und Kommas "mitlesen"!) und dabei auf den Klang hören!
Und: Wenn du schon mal dabei bist, hör mal deinen Dialogen zu – auch die könnten mehr „Weichheit" und Realitätsnähe vertragen. (Entschuldige, aber einen besseren Tipp als "zuhören" hab ich nicht – es lässt sich schlecht erklären, was da nicht stimmt.)


Was sind Kaulen?
„vorübergehen“ aber „vornüberbeugen“
 



 
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