Der Mensch - heute: Der Miesepeter

Intonia

Mitglied
Der Miesepeter

Ein Mensch, in seinem Leid verzagt,
hat dieses stets der Welt geklagt.
Die Folge liegt doch auf der Hand:
Wer ihn von weitem schon erkannt,
wich ihm schnell aus, machte ‘nen Bogen;
war es zu spät, wurde gelogen:
'Ich bin in Eile, dann bis später,'
kein Mensch mag einen Miesepeter.

Er jammerte vor tauben Ohren:
Ach, wäre ich doch nie geboren!
Der Alkohol war auch verpönt
und was das Leben so verschönt.
Musik war ebenfalls ein Graus,
so sah sein Leben trostlos aus.
Bald war der Mensch mit sich allein
und hing sich auf, das arme Schwein.

Und die Moral von der Geschicht':
Wer singt, säuft, lacht, beklagt sich nicht.
 

urte

Mitglied
gut getroffen

Hallo, Intonia,
schönes Gedicht, fröhlich gelacht: gute Beobachtungen, knapp verarbeitet und überwiegend rhythmisch. "überwiegend" - bis auf kleine Stolperstellen, die wenn sie raus wären wäre es noch viel viel schöner ...

Erster bescheidener Vorschlag:
"... wich ihm schnell aus und macht' nen Bogen.
War's schon zu spät, hat er gelogen:
In Eile bin ich, seh'n uns später.
Kein Mensch mag einen Miesepeter."

Auch noch gut möglich "und macht die Biege" ... dann ein Reim mit "Lüge"; ich bin aber im Moment nach einem ausgiebigen Posting etwas zu träge zum Weiterdichten...
Herzliche Grüße, urte
 

Intonia

Mitglied
Hallo urte,

danke für Dein eingeschränktes Lob und die Verbesserungsvorschläge. Ich habe mir das Gedicht nochmal genau durchgelesen. Das Gedicht verfolgt kein Reimschema und ich habe nur darauf geachtet, dass immer zwei Zeilen, die sich reimen, das gleiche Versmass haben. Bei der Zeile "Ich bin in Eile, vielleicht mal später" ist eine Silbe zuviel. Da es Dir aufgefallen ist, habe ich es geändert und "ich" vorne weg gelassen.
Bis bald
Intonia
 

urte

Mitglied
kein Reimschema

Hi, Intonia,
kannst Du natürlich machen, wie Du willst. Ich melde mich bloß miesepetrig doch nochmal: nämlich wenn einfach alles sonst dem Rhythmus unbetont-betont usw. folgt und nur diese vier Zeilen anders betont werden, hemmt das den Fluß für mich eben sehr (auch Musikerin). In der 5. Zeile hast Du eben plötzlich die zwei starken Betonungen nebeneinander, die außerdem durch eine Zäsur (Pause beim Komma) getrennt sind. Bei mehrfachem Lesen kann man sich aber damit halb versöhnen ...
Beste Grüße, Urte
 

Intonia

Mitglied
Hallo urte,

hörte es sich so an, dass ich sauer auf Deine Vorschläge reagiert habe, weil Du miesepetrig geantwortet hast? Das war nicht meine Absicht. Aber versteh bitte, dass ich Deine Vorschläge gar nicht übernehmen kann, weil es ja dann nicht mehr mein Gedicht allein ist. Auf Fehler und Ungereimtheiten aufmerksam zu machen, ist sehr wichtig, nochmals meinen Dank dafür, aber man sollte erst dem Urheber die Möglichkeit geben, selbst sein Werk zu überarbeiten. Dass Du es gut gemeint hast, ist mir klar, und es gibt bestimmt andere Lupianer, die dankbar für konkrete Vorschläge sind. Es wäre wichtig zu erfahren, wie die Meinungen sich da verteilen. Ich werde auch zu den weiteren Fragen und Anregungen im Thread "Kummerkasten oder Literatur" unter "Allgemeine Diskussion" Stellung nehmen.
Nochmal zu meinem Gedicht. Ich habe die Zeile "Ich bin in Eile, vielleicht mal später " überhastet korrigiert und jetzt fängt sie tatsächlich zu stark betont an, also nochmal von vorn. Diesmal lasse ich mir etwas mehr Zeit.
Im ersten Abschnitt kann man die Zeilenanfänge so lesen, dass die ersten beiden Silben jeweils gleichstark betont sind, also nicht nur in der 5. Zeile, ich sehe deshalb kein Schema unbetont - betont. Ich werde es mir nochmal durch den Kopf gehen lassen und es auch laut auf verschiedene Weise lesen, vielleicht kommt ja noch ein Geistesblitz.
Was meinen andere Leser?
Gute Zusammenarbeit wünscht sich mit den besten Grüssen
Intonia
 

urte

Mitglied
Lieber

Intonia,
Ich wollte Dir bestimmt nicht zu nahe treten - wenn dieser Eindruck entstanden sein sollte, wäre das schlimm. Bei mir: null Problemo. Ich habe nur nochmal erklären wollen, warum ich, aber offenbar voreilig, was anderes vorgeschlagen habe. Mit "nicht mehr mein Gedicht allein..." haben wir bisher hier nie Probleme gehabt. Anfangs (Okt.-Nov. 2000) haben wir uns schon oft um Rhythmus und Reime gestritten, es wurde auch viel verändert, und ich habe jetzt nur die Tradition fortgesetzt (vgl. auch Bruno Bansen, Ralph Ronneberger).

Es wurde mir dabei jetzt etwas klar: daß ich, ziemlich konservativ, immer wenn gereimt wird, in der ganzen Strophe auch einen beibehaltenen Rhythmus erwarte. Warum? Ich habe nochmal bei Wolfgang Kayser (Kleine deutsche Versschule) nachgesehen; er sagt, daß uns die "Volksliedzeile", die "vierhebige Zeile als Ordnungseinheit ... seit germanischer Zeit im Blute" liege: (S. 23; übrigens ein wunderbares Büchlein, mit ganz vielen herzerwärmenden Zitaten aus allen Epochen und vielen Anregungen, letzthin von R. Gernhardt in seiner Frankfurter Poetik-Vorlesung wieder empfohlen). Und nun hattest Du Dein Gedicht genau in diesem Rhythmus begonnen ...
Ich hätte "miesepetrig" vorhin von vornherein in " " setzen sollen und hole das hier nach. Ich freue mich auch auf weiteren Austausch.
Herzliche Grüße, Urte
 
L

Lothar

Gast
Der Mensch -heute: Der Miesepeter

Liebe Intonia!
Den Miesepeter gab es immer schon, er ist kein Phänomen von heute. Du hast ihn aber sehr treffend beschrieben.
Ein Verehrer von Wein, Weib, Gesang und moderner Dichtung wünscht dir natürlich lachend ein neuer Verehrer,
Lothar.
 



 
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