Der Schnitter

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viktor

Mitglied
Der Schnitter

Der Schnitter legt dir deine Uhr aufs Schafott,
ein Schlag - und die Unruh zerbricht.
Kein Engel, kein Lächeln, kein Wächter, kein Gott
erklären dem Schatten am Bett den Boykott
und kraftlos verzehrt sich das Licht.

Der Banker der Zeiten erklärt den Bankrott,
das Ende der Annuität.
Kein Bitten, kein Beten zerstört das Komplott
und Flehen um Gnade klingt fast schon wie Spott.
Es dunkelt, das Feld ist gemäht.

Warum ist der letzte, der einsame Kuss
des Todes so grausam und kalt?
Wer gab ihm den Auftrag, zu tun, was er muss?
Er bricht auch das mildeste Auge am Schluss,
auch uns wird er brechen - schon bald.
 

MarenS

Mitglied
Einfach nur gut, wenn ich auch "bald" aus meiner Sicht relativ sehe.
Der Abgang ist vorgeschrieben, wir können also nur dafür sorgen, dass es einen anständigen Abgesang gibt.

Dein Bild des Gevatters ist dunkel und machtvoll.

Es grüßt dich die Maren
 

Rhea_Gift

Mitglied
Das ist stark gewoben - nur ein paar Kleinigkeieten:

Der Schnitter legt[strike] dir[/strike] deine Uhr aufs Schafott,

>> würd klanglich was streichen, ginge auch:

Der Schnitter legt dir [blue]die[/blue] Uhr aufs Schafott,

und am Ende wiederholt sich das brechen zweimal, was auch schon am Anfang steht, vielleicht

auch uns winkt's (oder: droht's) Schafott - schon bald.

oder

auch bei uns klopft er an - schon bald.

Muss aber nicht - hier stört mich die Wiederholung nicht all zuu sehr...

LG, Rhea
 

viktor

Mitglied
danke, liebe maren,
liebe(r?)rhea,
du kannst es durchgehend daktylisch lesen - bei deinem vorschlag würde eine silbe fehlen.
liebe grüße
viktor
 

Rhea_Gift

Mitglied
Stimmt - kam mir am Anfang nur komisch lang vor die erste Zeile, da die folgende 3- statt 4-hebig und erst die 5.Z wieder 3-hebig - kann man aber natürlich machen... musst ich mich erst dran gewöhnen durch mehrmals lesen... ;)

LG, Rhea
 

presque_rien

Mitglied
Wunderbar wie immer, wieder sehr schöne Klangstrukturen:
Der [red]Sch[/red]nitter legt dir deine [blue]Uhr[/blue] aufs [red]Sch[/red]afott,
ein S[red]ch[/red]lag - [blue]und[/blue] die[blue] Unruh[/blue] zerbricht.
Der [red]B[/red]anker der Zeiten erklärt den [red]B[/red]ankrott,
das Ende der Annuität.
Kein[red] B[/red]itten, kein [red]B[/red]eten zerstört das Komplott
etc. - herrlich.

Allerdings hatte ich auch Probleme, in den Daktylus reinzukommen, weil die Betonung natürlicherweise eher auf "legt" fällt, als auf "dir". Man kann's natürlich daktylisch lesen, wenn man's einmal weiß, aber im Anfangsvers wäre eine klarerer Rhytmus besser.

"Boykott" finde ich leider nicht so gelungen. Man boykottiert Dinge eher langfristig, und man boykottiert eher Dinge, die keine unmittelbare Gefahr darstellen, oder die nicht unbedingt notwendig sind, nach meinem Gefühl zumindest. Dem Tod den Boykott erklären? Das mach für mich keinen Sinn.

Auch die letzte Zeile gefällt mir leider nicht so gut - das ist zu banal. Das Gedicht hätte eine bessere Pointe verdient.

Aber sonst gut, natürlich :)

Lg presque
 

viktor

Mitglied
danke für die beiden tube-links - sehr lustick!
danke, pr,
in der schlusszeile brauchte ich keinen genialen "gag".
der text ist meiner mutter gewidmet, die karfreitag gestorben ist.
mein überwiegendes gefühl ist derzeit nicht trauer, sondern erschöpfung. diese erschöpfung weist stark auf den eigenen od hin.
liebe grüße
viktor
 

Rhea_Gift

Mitglied
victor is schuld - er hat uns auf daktylische Abwege geführt (siehe sein Kommentar oben) und wir Dummis sind blind gefolgt... :D
 

viktor

Mitglied
xXxxXxxXxxX
xXxxXxxX
xXxxXxxXxxX
xXxxXxxXxxX
xXxxXxxX

daktylus mit auftakt - oder trochäus?
bin kein fachmann...

liebe grüße
viktor
 

HerbertH

Mitglied
Amphybrache: xXx ....
"auf beiden seiten kurz"

mal klugscheißt ;)

Meist lese ich auch eher

xXx xXx xXx xX

als

x Xxx Xxx Xxx X

(ich meine hier die rhythmische Gliederung)


Aber diese Spielchen helfen einem nicht so guten Gedicht auch nicht voran.

Bei dem vorliegenden sind sie das Sahnehäubchen :)

lG

Herbert
 



 
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