Der Stau - eine deutsche Urlaubsballade -

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LuMen

Mitglied
Der Stau
- eine deutsche Urlaubsballade
-
(Neufassung)


Heut´ fehlt das Geld für Urlaubsglück
am goldnen Strand in blauer Ferne!
Doch reisen will man dennoch gerne,
sei´s nur die Autobahn ein Stück!

Der Deutsche zeigt, er ist bescheiden.
Er zieht den Gürtel mächtig enge,
bricht tapfer alle alten Zwänge
und lernt, gewohnten Luxus meiden!

Nur eins erscheint ihm unverzichtbar:
Symbolisch für die Wohlstandszeiten
muß es ihn überall begleiten –
geliebtes Auto, weithin sichtbar!

o-o-o-o-o-o-o-o-o

So setzt man sich in das Gefährt,
ist auch der Weg zumeist versperrt!
Zur Autobahn reicht es noch grade,
der Opa schafft es mit dem Rade!

Sieh doch ! Da fährt Familie Müller
wie jedes Jahr mit einem Knüller:
Der neue BMW 08,
der fast 300 Sachen macht!

Man spürt die Kraft, wie er so bockt,
wenn wieder mal die Schlange stockt.
Herr Müller schaltet hoch und runter,
die Schlange wird davon nicht munter!

Ganz platt ist schon der rechte Fuß,
mit dem er ständig bremsen muß,
und an den Backen klebt der Schweiß,
der Kopf ist rot, die Stirne heiß!

Dann aber steh´n die Räder stille,
es fehlt der Weg, da nützt kein Wille!
Frau Müller kurbelt an den Scheiben
und will den Mief nach draußen treiben.

Dort hat das Abgas sich verflüchtigt,
der Schadstoffwert von selbst berichtigt,
und schon weht mit der frischen Luft
vom Acker her der Jaucheduft.

Die Sonne lacht durchs Schiebedach,
darunter macht das Radio Krach,
und zwischendurch erzählt der Sprecher:
der Stau wird länger noch und nöcher!

Herr Großkotz greift zum Telefon.
Für ihn gehört zum guten Ton
zu Haus aufs Komma anzusagen,
wie weit das Auto ihn getragen.

Die Nachbarn rechts und auch zur Linken
bedienen jetzt die Blechtür-Klinken,
und vorn und hint´ in gleichem Maße
ergießt das Volk sich auf die Straße.

Man räkelt sich in warmer Sonne,
und bald ist alles eitel Wonne!
Schon träumt im Liegestuhl Frau Meier,
Frau Schulz brät auf dem Spoiler Eier,

und Onkel Franz drückt gleich zwei Damen,
die ihm beim Skat dazwischen kamen -
dazu schlägt einer seiner Söhne
auf der Gitarre schräge Töne!

Herr Kunz joggt durch die Wagenreihen
und kann sich freier Bahn erfreuen!
Frau Hinz läßt unterm Autoföhn
sich Locken in die Haare dreh´n.

Herr Dringlich hat im Wohnmobil
ein Trocken-Klo nebst Wasserspiel.
Für Geld läßt er dort Schlange steh´n:
so kann ihm kein Geschäft entgeh´n!

Die Oma flickt ein Schalke-Kissen -
in Dortmund hat man´s jüngst zerrissen -
und Kinder spielen brav im Sand
des Baubetriebs am Straßenrand.

Im Kombi auf den Liegesitzen
kommt Fred mit Lola schon ins Schwitzen.
Der Opa radelt grad vorbei,
ihn stoppte keine Polizei!

o-o-o-o-o-o-o-o-o-o-o-o

So geht ein schöner Tag zu Ende,
am Himmel blinkt der Abendstern -
doch oftmals kommt die Schicksalswende
ganz unverhofft besonders gern!

Ein Trucker, schon in halbem Schlummer,
sieht nicht das Ende des Idylls!
Er rast hinein mit seinem Brummer -
und trank doch nur ein kleines Pils!

Das Urlaubsglück - ein Haufen Trümmer.
Und aus dem Schrott ganz schnell entweicht
die Seele, die im Mondenschimmer
sich in ein bess´res Jenseits fleucht.
 

stemo

Mitglied
Stau

Lieber LuMen
Gut gereimt, genüsslich in Szene gesetzt, eine köstliche Abfolge von Bildern, dann aber das Ende, das gefällt mir weniger, ist irgendwie auch nicht ganz logisch deine Aussage, dass sich die Seelen nach dem "Crash" in bessere Gefilde fleuchen, nachdem sie es vorher ja so sonnig und wonnig genossen haben, im Stau zu stecken. Ausserdem scheint mir etwas irreführend, dass der Trucker "das Ende der Idylle" nicht sieht. Du meintest doch damit den Anfang des Staus, oder nicht?
Wäre es in deinem Beispiel nicht treffender, wenn sich der Stau über höhere Mächte von selbst auflöst und die "Urlauber" sich traurig aus den Augen verlieren?
(Ich glaub, da gibt es aber schon so eine Geschichte von Julio Cortazar, bin mir aber nicht sicher)
Liebe Grüsse! stemo
 

Herr Müller

Mitglied
Nur ne Idee

Wenn Du schon so ein schröckliches Ende schreibst LuMen, dann konsequent mit den o-o-o-o-o-o sein

Das Urlaubsglück - ein Haufen Trümmer.
Und aus dem Schrott ganz schnell entweicht
die Seele, die im Mondenschimmer
sich in ein bess´res Jenseits fleucht

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LuMen

Mitglied
"Achtung! Das Stauende liegt in einer Kurve!"

Hallo stemo,

ich danke Dir für deine konstruktive Kritik! Mit dem "Ende" des Staus hat es - jedenfalls nach den Radioansagen (s. o.) - seine Richtigkeit, dort brausen, zumindest in Deutschland, die Laster so oft hinein. Über das "bessere Jenseits" kann man natürlich ernsthaft streiten. Aber so ernsthaft wollte ich in meiner Satire gar nicht sein. Im Vergleich zu dem verbleibenden Trümmerfeld dürfte das Jenseits allerdings, so hoffe ich, der bessere Teil sein.

So gesehen, lieber Herr Müller, ist das Ende dann gar nicht so "schröcklich" (oder bin ich da zu zynisch?).

Euch beiden herzliche Grüße
LuMen
 
B

Bruno Bansen

Gast
Fest-Wochen

"...dann in ein bess'res Jenseits fleucht" oder
"in's bess're Jenseits dann entfleucht"

Da "...entfleucht = entfliegen" heißt, kann es nicht "sich...fleucht" heißen. Das wäre verkehrt.

Ansonsten, wenn man sich durchgekämpft hat, wirklich sehr komisch aber nur für Vortrag auf Satire-Festwochen geeignet. Wenn ich mal sowas Langes schreibe, mache ich mir einen Sport draus, alles an Aussage drin zu lassen, aber um die Hälfte einzudampfen. Es geht!

Lieber Lutz, viele Grüße
undn gute Nacht

Bruno
 
B

Bruno Bansen

Gast
sich fleucht ...

Hi Lutz,

nach Einholung von professoralem Rat und des in dessen Besitz befindlichen Wahrigs: Du hast Recht. Was da fleucht und kreucht wird jedoch umgangssprachlich dann wohl revidiert werden müssen, denn die landläufige Interpretation hierfür wäre ...was kriecht und fliegt.
Die Schreibweise "fleugt" wäre dan richtig - war mir bisher aber völlig unbekannt.

Richtig aber in jedem Falle, dass diese Art der Antiquitäten sich in der komischen Dichtungn hervorragend machen. (Trotzdem meine ich, wäre die letzte Zeile frei von allen Fragezeichen, wennn es nicht heissen würde

"... s i c h in ein bess'res Jenseits f l e u c h t
sondern

"in's bess're Jenseits dann entfleucht"

...hier hättest Du zwei Fliegen mit einr Klatsche getroffen, denn dann ist das Jenseits singular, wie es ja eigentlich sein soll, in der Urversion "... ein bess'res Jenseiits ..." ließe immer noch die Möglichkeit offen, dass es mehrere "Jenseitse" gäbe. Und da macht ja dieser oder jener Herr von welchem Stuhl auch immer, nicht mit.
Aber handele bitte so, wie es sich gehört: Der Autor entscheidet.

Das, lieber Lutz war keine Besserwisserei sondern ein vergnüglicher Dialog, bei dem nur ein schöner Brunello die Montalcino, möglichst von alla Mura, gefehlt hat! Und gelernt hab ich auch noch was dabei. (...gefleugt, statt gefleucht, vorher gefiels mir besser!)

lieben Gruß!

Bruno
 

LuMen

Mitglied
"fleucht" ist ein Fluch?

Hallo Bruno,

nochmals vielen Dank für Deine Mühe! Dein Änderungsvorschlag ist durchaus erwägenswert, zumal er, wie Du zutreffend herausgestellt hast, weitere positive Nebeneffekte hat.
In diesem Zusammenhang muß ich auch einen Fehler eingestehen. Ich habe von "intransitiver Form" gesprochen, fliehen bzw. flüchten ist aber eh intransitiv, ich meinte natürlich den reflexiven Gebrauch.
Das war ja eine halbe Deutschstunde, ich mußte genau wie Du einiges nachschauen. Hat aber Spaß gemacht!

Gruß
LuMen
 



 
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