Der Umzug

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Tilmann

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Als Axel und Rosalie in ihre Zweizimmerwohnung im Westend zogen, malerischer Betonbuker-Romantik inklusive, konnten der arbeitslose Friseurgeselle und seine erst 17-Jährige Freundin ja nicht ahnen, dass die ostkambodschanische Chinchillagrippe auch auf den Menschen übertragbar war.

So waren sie relativ frohgemut als sie samt einem Tross aus unausgeruhten Umzugshelfern auf den circa zehn Kilometer langen Weg zwischen Altdomizil und neuer Behausung aufbrachen und in freudiger Erregung dem neuen Leben am anderen Ende der Altstadt entgegenfieberten.

Enzo, der schmierige Arbeitskollege von Rosalie aus dem italienischen Thai-Imbiss, hinter dessen Theke sie ihre Panini sauer verdiente, führte mit einer seinen beharrten Pranken grazil das Lenkrad des Kleintransporters, während er mit der anderen abwechselnd einen Abszess in der Leistengegend kontrollierte sowie genervt auf der funktionalen Benutzeroberfläche des Autoradios herumhackte, in der desperaten Hoffnung einen Sender zu finden, der gerade nicht Lana del Rey durch den Äther jagte.

Drei Minuten grollend gejauchzter Summertime Sadness später bogen sie schließlich in den verkehrsberuhigten Bereich der Wohnanlage ein.

Ein älterer Herr mit einer beachtlichten Sammlung an Weichblechdosen und Plastikpfandflaschen jeden Siegels hob den Netzbeutel samt selbigen zum Gruß als das Vehikel mit stotterndem Motor auf einen der rar gesäten Parkplätze einbog und nur Sekundenbruchteile später zum Stehen kam.

Die Wohnanlage Kriegsopfer-Schwanthal war idyllisch, mit einem traumhaft einzigartigen Blick auf den überirdischen Teil der Stammstrecke gelegen, jene laue Sommerabendstunden voller Dezibel versprach und mit etwas Glück rauschten sogar mal ein oder zwanzig hellerleuchtete ICE durch die dunkle Nacht.

Nur ein zehnstöckiges Treppenhaus und eine handvoll Möbel standen noch zwischen den beiden und ihrem vorläufigen Lebenstraum. Enzo und Sandy (Axels Cousine, Anm. der Red.) legten sofort Hand an und schleppten den ersten Tisch mit federleichtem Terrakotta-Mosaik auf der Oberfläche und einem schwarzen Metallgestell, dass so aussah als hätte es Mime höchstselbst gefertigt, durch die endlosen grüngrauen Flure.

Es war die Orwell'sche Form des Zusammenlebens die hier praktiziert wurde, eine Existenz die selbst eine Legehenne als bedrückend schildern würde, könnte sie denn sprechen und mit ihrem abgesägten Schnabel Laute bilden!

Der Aufzug war verwunderlicherweise gerade in Wartung, die der imaginäre Hausmeister auch gerade eifrig durchführte und so blieb den beiden Möbelpackern nur der beschwerliche Weg über die frisch gewienerte Treppe.

Unterdessen mühte sich das junge Paar gerade mit dem gemeinsamen Bett aus Sandelholz, welches mit seinen stolzen Durchmesser von fast drei Metern nur schwerlich durch die Flügeltür im Eingangsbereich passte.

Es war zum Mäusemelken! Selbst die geduldigste Katze wurde im Sack verrückt, wenn man sie versuchte hinterm Ofen hervorzulocken und so sah Axel sich genötigt mittels Mobiltelefon einen Notruf Richtung Vorhut abzusetzen.

Im dritten Stock erklang sogleich "Azzurro" von Adriano Ramazzotti und Enzo sah sich genötigt in einer lebenserhaltenden Sofortmaßnahme Sandy das volle Gewicht des Tisches zuzumuten, was diese laut aufschreien ließ, denn die Schwerkraft beförderte besagten Einrichtungsgegenstand postwendend mit der vollen Wucht von etwa 50 kg in ihre Magengrube.

Aufgepeitscht durch diesen als spontanes Jodeln fehlinterpretierten akustischen Exzess regte sich etwas im dritten Obergeschoss.

Ein grau melierter Mittvierziger mit fleckigem Unterhemd und stilechten Sandalen drückte dumpf keuchend die Tür seines rauchgeschwängerten Appartements auf und beschwerte sich krächzend über die moderne Spaßgesellschaft und stellte sichtlich bewegt die Frage, für was oder wen er denn nun damals in Bosnien gekämpft hätte.

Sichtlich berührt durch diese weisen Worte dämpfte Enzo seine Stimme und verabredete sich mit Rosalie und Axel im ersten Stock.

Sandy kippte währendessen gesichtsfarbentechnisch leicht grünlich über das Geländer und purzelte krachend in ein burschikoses Geflecht aus Fahrrädern und weggeworfenen Anzeigenblättchen eine Abteilung tiefer.

Drunten hielt man angestrengt Kriegsrat, denn auf so ein Bett konnte man schließlich nicht verzichten.

Es war Enzo der in einer Reihe intellektueller Nebelkerzen zwar erst zu einem Katapult und dann zu einem mit Helium gefüllten Luftballon tendierte, dann aber eine glorreiche Erleuchtung hatte:

"Wie wäre es mit Montage?"

Leider interpretierten Rosalie und ihr Axel dies als Hinweis, das Bett bis zum darauffolgenden Montag sprichwörtlich im Regen stehen zu lassen.

ACHTUNG---ACHTUNG---ACHTUNG Es folgt eine Zote, ein Schenkelklopfer der oberschenkelhalsbruchgenerierenden Art; wer humoristisch zart besaitet ist: BITTE NICHT LESEN!!!

DANGER GEFAHRENZONE
Schaden konnte es ja nicht: Dann würden sie vielleicht auch endlich einmal ein Wasserbett haben!
DANGER GEFAHRENZONE

Die Bestückungsaktion der neuen Wohnung drohte nun schon im Ansatz zu scheitern.

Doch Sandy die gute Seele der Magermöbelbande tauchte plötzlich taumelnd aber sicheren Schrittes wie ein aufziehendes Gewitter vor den ratlosen Drei auf.

Wild gestikulierenden wie der demente Moses vor einem Swimmingpool im Villenviertel von Tel-Aviv ordnete sie den weitern Verlauf des Einzugs an.

Jeder sollte sich ein Teil seiner Wahl schnappen und im durchgezogenen Sprint die Treppen hinaufeilen.

Bei Teilen mit einer Stützlast von über 20 Kilogramm war es dem Deliquenten erlaubt mit einem Partner seiner Wahl einen Gemeinschaftstransport durchzuführen. Dies sollte aber wenn möglich die Ausnahme bleiben.

Möbelstück für Möbelstück wanderte die steilen Serpentinen zum zehnten Geschoss hinauf, bis klar war dass das ganze Möbiliat vollzählig versammelt und stramm in einer Reihe gestapelt am Ziel angelangt war. Es war vollbracht!

Und so feierte die leicht lädierte Gemeinschaft des Tandes doch noch eine feucht-fröhliche Einweihungsparty, zu der auch der nörgelnde Balkanveteran samt Dobermann eingeladen wurde.

Axel und Rosalie lebten also glücklich in ihren neuen vier Wänden bis oben beschworene Chinchillagrippe ausbrach und Freundes- wie Feindesreihen empfindlich ausdünnte, doch das ist eine andere Geschichte, die von einem differenten Barden/Troubadour be- und gesungen werden sollte, wenn er denn Zeit haben täte.
 

Paulina

Mitglied
Also, Tilmann, nimm's mir nicht krumm, aber lustig, hintergründig humoristisch und satirisch unterhalten fühlte ich mich nicht.
Das war mir entschieden zuviel "Humor". Ich hab nicht mal geschmunzelt.

Sandy kippte währendessen gesichtsfarbentechnisch leicht grünlich über das Geländer und purzelte krachend in ein burschikoses Geflecht aus Fahrrädern und weggeworfenen Anzeigenblättchen eine Abteilung tiefer.
Ein grau melierter Mittvierziger mit fleckigem Unterhemd und stilechten Sandalen drückte dumpf keuchend die Tür seines rauchgeschwängerten Appartements auf und beschwerte sich krächzend über die moderne Spaßgesellschaft und stellte sichtlich bewegt die Frage, für was oder wen er denn nun damals in Bosnien gekämpft hätte.

Vielleicht verstehe ich ja auch gar nichts, und das Ganze soll eine Persiflage sein zum Thema "Die demografische Struktur im Plattenbau".
Ach nein, kann auch nicht sein, denn laut Wiki ist eine Persiflage "... eine geistreiche, nachahmende und oft auch kritische Verspottung eines Genres, eines künstlerischen Werks oder einer bestimmten Geisteshaltung allgemein ... "
 
E

eisblume

Gast
Hallo Tilmann,

also besonders humorig ist es für mich jetzt auch nicht. Auf mich wirkt der Text zu aufgesetzt, zu bemüht, witzig rüberzukommen.
Was ich als ganz besonders störend empfinde, ist der inflationäre Adjektiv-Gebrauch. Es muss keinesfalls beinahe jedes Substantiv von einem Adjektiv begleitet werden.

Ein grau melierter Mittvierziger mit fleckigem Unterhemd und stilechten Sandalen drückte dumpf keuchend die Tür seines rauchgeschwängerten Appartements auf und beschwerte sich krächzend über die moderne Spaßgesellschaft und stellte sichtlich bewegt die Frage, für was oder wen er denn nun damals in Bosnien gekämpft hätte.
Das hier ist mein persönlicher "Super-GAU".

Lieben Gruß
eisblume
 



 
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