Es ist 8.45 Uhr. Ich komme auf den Bahnsteig und sehe ihn schon von Weitem. Den Zug. Dunkler Rauch steigt aus der Esse auf, auf dem Gleis stehen vereinzelt Koffer. Mit weißer Kreide haben die Besitzer ihren Namen auf das dunkle Leder geschrieben. Sie sind alle dunkel, fällt mir dabei auf. Ich höre Stimmen um mich herum. Einige tuscheln nur miteinander, andere reden lauter. Eine Gruppe junger Männer lacht. Ich nehme meine Tochter auf den Arm und meinen Sohn fest an die Hand. Ein dumpfes Druckgefühl breitet sich in meiner Brust aus, je näher ich dem Zug komme.
Zögernd gehe ich die Stufen hinauf, bis ich im Inneren des Zuges stehe. Die Wände sind kahl, es gibt keinerlei Schmuck oder gar Bequemlichkeit. Aber es ist gut so, wie es ist. Die Sitzbänke wurden entfernt um Platz zu schaffen für die Menschen. Im Zug sehe ich viele Kinder. Einige so alt wie meine, zwei und vier. Sie kommen hier aus unserer Gegend. Sie erzählen mir, dass sie schon lange nicht mehr zur Schule gehen dürfen. Dass ihre Eltern oder Großeltern verschwunden sind und nicht wieder zurückgekommen sind.
Ein junges Mädchen erzählt, dass sie Angst um ihren Freund hat. Er ist in den Untergrund gegangen, um sich dem Widerstand anzuschließen. Ihr Blick allein sagt jedoch mehr als alle Worte, dass sie kaum noch Hoffnung hat, ihn jemals wieder zu sehen. Sie ist hier im Zug, dessen Ziel sie nicht kennt. Sie glaubt nicht an die Umsiedlung, schon lange nicht mehr. Sie hat Gerüchte gehört, die ihr Angst machen.
Meine Kinder quängeln und ich gehe weiter. Ich sehe noch mehr Menschen. Jeder von ihnen hat eine Geschichte und jeder erzählt sie mir. Es sind die unterschiedlichsten Geschichten, die ich höre und doch enden sie alle hier, in diesem Zug. Es ist warm heute, also habe ich mich auch entsprechend angezogen. Doch jetzt, hier in diesem Zug, wird mir kalt. Eine Gänsehaut hat sich über meinen Körper gelegt und ich werde sie nicht wieder los. Die Stimmung hier ist bedrückend. Niemand lacht mehr. Nur noch Getuschel und leise Gespräche.
Ich bin beinah froh, als ich wieder aussteige. Die Sonne scheint immer noch. Ich atme erst einmal tief durch, als ich wieder auf dem Bahnsteig stehe.
„Mama, was war das für ein Zug?“, fragt mich mein Sohn. Aber er ist noch zu klein, als dass ich es ihm erklären könnte. Er würde es nicht verstehen. Also sage ich ihm nur, dass es ein ganz alter Zug ist, noch älter als sein Opa und dass dieser Zug mit Kohlen geheizt worden ist. Das findet er toll.
Während er sich fasziniert den Zug ansieht, die Kohlen bestaunt, die er geladen hat, beschäftigen sich meine Gedanken weiter mit dem, was ich gesehen habe. Ich bekomme die Bilder der Kinder nicht aus dem Kopf, die auf Schauplakaten ihre Geschichte erzählt haben. Ob sie auch so begeistert gewesen waren von dem Zug? Waren sie bei ihren Eltern, die versuchen konnten, ihnen die Angst zu nehmen, obwohl sie selbst vor einer Reise ins Ungewisse standen? Oder waren sie alleine, getrennt von ihren Familien?
Vielleicht war es für die Kinder eine aufregende Sache. Vielleicht haben sie sich aber auch weinend an ihre Eltern geklammert.
Ich kann die Bilder fast vor mir sehen. Unzählige Dokumentationen habe ich gesehen, zahllose Berichte und Bücher gelesen. Aber trotzdem fühle ich mich hier anders. Hier, wo ich so direkt mit dem Schrecken konfrontiert werde, den die Menschen damals empfunden haben mussten. Dabei sind hier weder Gestapo noch SS. Ich stehe ganz unbehelligt auf dem Bahnsteig unseres Bahnhofs, höre meinen Sohn lachen, der von einem Bahnmitarbeiter erklärt bekommt, wie die Züge früher gefahren sind.
Blumen liegen zwischen den Koffern, die zum Gedenken abgelegt worden sind. Es sind viele Blumen und doch nehme ich sie erst jetzt wahr. Auch im Zug, unter den Bildern der Kinder in dieser Austellung standen viele Blumen und Kerzen.
Ich bin im Jahr 2009. Es ist ein schöner Tag, ich werde mit meinen Kindern noch ein Eis essen gehen und dankbar dafür sein, dass wir unbehelligt wieder aus diesem Zug aussteigen konnte. Unser Ziel war nicht Auschwitz.
Zögernd gehe ich die Stufen hinauf, bis ich im Inneren des Zuges stehe. Die Wände sind kahl, es gibt keinerlei Schmuck oder gar Bequemlichkeit. Aber es ist gut so, wie es ist. Die Sitzbänke wurden entfernt um Platz zu schaffen für die Menschen. Im Zug sehe ich viele Kinder. Einige so alt wie meine, zwei und vier. Sie kommen hier aus unserer Gegend. Sie erzählen mir, dass sie schon lange nicht mehr zur Schule gehen dürfen. Dass ihre Eltern oder Großeltern verschwunden sind und nicht wieder zurückgekommen sind.
Ein junges Mädchen erzählt, dass sie Angst um ihren Freund hat. Er ist in den Untergrund gegangen, um sich dem Widerstand anzuschließen. Ihr Blick allein sagt jedoch mehr als alle Worte, dass sie kaum noch Hoffnung hat, ihn jemals wieder zu sehen. Sie ist hier im Zug, dessen Ziel sie nicht kennt. Sie glaubt nicht an die Umsiedlung, schon lange nicht mehr. Sie hat Gerüchte gehört, die ihr Angst machen.
Meine Kinder quängeln und ich gehe weiter. Ich sehe noch mehr Menschen. Jeder von ihnen hat eine Geschichte und jeder erzählt sie mir. Es sind die unterschiedlichsten Geschichten, die ich höre und doch enden sie alle hier, in diesem Zug. Es ist warm heute, also habe ich mich auch entsprechend angezogen. Doch jetzt, hier in diesem Zug, wird mir kalt. Eine Gänsehaut hat sich über meinen Körper gelegt und ich werde sie nicht wieder los. Die Stimmung hier ist bedrückend. Niemand lacht mehr. Nur noch Getuschel und leise Gespräche.
Ich bin beinah froh, als ich wieder aussteige. Die Sonne scheint immer noch. Ich atme erst einmal tief durch, als ich wieder auf dem Bahnsteig stehe.
„Mama, was war das für ein Zug?“, fragt mich mein Sohn. Aber er ist noch zu klein, als dass ich es ihm erklären könnte. Er würde es nicht verstehen. Also sage ich ihm nur, dass es ein ganz alter Zug ist, noch älter als sein Opa und dass dieser Zug mit Kohlen geheizt worden ist. Das findet er toll.
Während er sich fasziniert den Zug ansieht, die Kohlen bestaunt, die er geladen hat, beschäftigen sich meine Gedanken weiter mit dem, was ich gesehen habe. Ich bekomme die Bilder der Kinder nicht aus dem Kopf, die auf Schauplakaten ihre Geschichte erzählt haben. Ob sie auch so begeistert gewesen waren von dem Zug? Waren sie bei ihren Eltern, die versuchen konnten, ihnen die Angst zu nehmen, obwohl sie selbst vor einer Reise ins Ungewisse standen? Oder waren sie alleine, getrennt von ihren Familien?
Vielleicht war es für die Kinder eine aufregende Sache. Vielleicht haben sie sich aber auch weinend an ihre Eltern geklammert.
Ich kann die Bilder fast vor mir sehen. Unzählige Dokumentationen habe ich gesehen, zahllose Berichte und Bücher gelesen. Aber trotzdem fühle ich mich hier anders. Hier, wo ich so direkt mit dem Schrecken konfrontiert werde, den die Menschen damals empfunden haben mussten. Dabei sind hier weder Gestapo noch SS. Ich stehe ganz unbehelligt auf dem Bahnsteig unseres Bahnhofs, höre meinen Sohn lachen, der von einem Bahnmitarbeiter erklärt bekommt, wie die Züge früher gefahren sind.
Blumen liegen zwischen den Koffern, die zum Gedenken abgelegt worden sind. Es sind viele Blumen und doch nehme ich sie erst jetzt wahr. Auch im Zug, unter den Bildern der Kinder in dieser Austellung standen viele Blumen und Kerzen.
Ich bin im Jahr 2009. Es ist ein schöner Tag, ich werde mit meinen Kindern noch ein Eis essen gehen und dankbar dafür sein, dass wir unbehelligt wieder aus diesem Zug aussteigen konnte. Unser Ziel war nicht Auschwitz.