Der letzte Sack von Sacramento

Hagen

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Der letzte Sack von Sacramento

Die Strecke nach Padingbütteler Altendeich schaffte ich in rund eineinhalb Stunden, sogar mit kurz anhalten und einem ‘Döner auf die Faust‘.
Wie sich der geneigte Leser erinnert, hatte ich gerade guten Sex mit Kitty, meiner braven Sekretärin, als der zweite Auftrag meiner Detektei über mich hinein brach, wie die Landung der Alliierten Truppen in der Normandie im Zweiten Weltkrieg über den Atlantikwall, hinter dem die Deutschen Truppen lauerten. Und wie die Deutschen Truppen damals fühlte ich mich auch.
Herr Gronau erwartete mich vor seiner Gaststätte und stieg sofort zu mir in den Wagen. Hut, Krawatte, Mantel von der Stange, aber eine goldene Uhr und italienische Schuhe.
„So, wir fahren jetzt in die ‘Schwarze Orchidee‘, ich brauche da ihren Personenschutz.“
„Personenschutz? Ich? Na,gut. Aber die Schwarze Orchidee? Nie gehört. Ich kenne mich nicht sonderlich gut aus, in dieser gottverlassenen Gegend. Bin schließlich kein Taxifahrer.“
„Die ist in der nächsten, größeren Stadt. Ich zeig’s ihnen. - Was verlangen sie eigentlich als Honorar für ihre Dienste heute Abend?"
"Fünfhundert Euro", sagte ich und sah auf die Benzinuhr meines Wagens, die rote Lampe hatte sich schon einige Male kurz gemeldet, "einschließlich Fahrtkosten und Spesen."
Herr Gronau zuckte etwas zusammen, gab mir aber fünf Scheine und wies mir den Weg zur Schwarze Orchidee. Ansonsten hüllte er sich weiterhin in Schweigen.
Aber egal, ich wollte sehen, was auf mich zukam und dann schnell zurück zu Kitty und dem Flipperautomaten, denn schließlich hatten wir unseren guten Sex unterbrochen.
Irgendwann knisterte Herr Gronau eine wild aufgerissene Bonbontüte aus der Tasche, nahm einen heraus und hielt mir die Tüte vor die Nase.
"Möchten sie? Ich versuche gerade, mir das Rauchen abzugewöhnen." Ich sah auf die Tüte. Kräuterbonschen mit Waldhimbeerfüllung.
"Danke, nein, Herr Gronau."
Herr Gronau wirkte auf mich wie der Mann von der Stanze, der zum Chef gerufen wird, weil er nach ausgiebiger Geburtstagsfeier mit dem Kollegen von der Nachtschicht fünftausend Teile verbumfiedelt hatte.
Na, gut. Diese Zeit hatte ich hinter mir, die Jahre mit Nachtschicht, Stempeluhr und Vorgesetzten. Nachtschicht, Stempeluhr und Vorgesetzte sind etwas für junge Familienväter mit Schrankwänden auf Ratenzahlung, kleinen Kindern, Kleingarten und Kleinwagen. Das kleine Gedankengut bewegt sich um ein paar Pfennig mehr die Stunde und ein paar Minuten weniger Arbeit bei vollem Lohnausgleich, bei einem Ecklohn - gut, dass ich keinen Whisky mit hatte.
Da Herr Gronau keinen Laut von sich gab, außer mir hin und wieder den Weg zu weisen, ließ ich Musik aus dem Autoradio tropfen, sie spielten Oldies am laufenden Band, und als sie gerade ‘Monja‘ spielten, knirschte der Kies auf dem Parkplatz der Schwarzen Orchidee unter den Reifen meines Autos.
Ich wendete den Wagen gewohnheitsmäßig und setzte ihn rückwärts auf einen der vorgezeichneten Parkplätze in der Nähe der Tür. Monja, nach Kitty meine zweite Jugendliebe!
Was aus ihr wohl geworden war?
Es gab Zeiten, lange vor der Ehe mit meiner ersten Frau, die mich mit einem Waldorfschullehrer betrogen hatte - ausgerechnet mit einem Lehrer der Waldorfschule!, naja, Schwamm drüber - da hatten wir uns sehr geliebt und viel gearbeitet, sie im Blumenladen und ich auf Schicht, Tag für Tag für Tag; - es ging bei mir auch um Nachtschicht, Stempeluhr und Vorgesetzte.
Und dann war Monja plötzlich verschwunden. Einige Kleider fehlten, aber ihre Joan Baez Platten waren noch da, ordentlich aufgeräumt. Drei Tage später rief mich einer von der Polizei an und bat mich, mein Auto doch mal freundlicherweise von dem Autobahnseitenstreifen kurz vor Kassel zu entfernen.
Als ich mit Kurt hinkam und meinen Wagen sah, knackte ich die Zähne aufeinander. Alles war offen, Türen, Kofferraum, Handschuhfach und Motorhaube.
"Er hat mit laufendem Motor auf dem Dach gelegen, als ein Lastwagenfahrer ihn fand", sagte der Autobahnpolizist, "die Fahrertür war offen, niemand da, auch keine Papiere."
Ich musste noch hundertfünfzig Mark drauflegen, damit eine Autoverwertung den Wagen mitnahm.
Hinter dem Spion in der schwarzen Tür der Schwarzen Orchidee verschwand ein Auge, ich hatte total gedankenverloren geklingelt.
"Kommen sie 'erein meine 'erren."
Eine Frau, ganz in schwarz, öffnete eine ebenfalls schwarze Tür und geleitete uns einen schmalen, schwarzen Flur entlang.
Neben dem Eingang zur Bar stand ein halbvoller, gelber Plastikeimer mit Feudel und Schrubber in der trüben, undurchsichtigen Brühe, wie ein Relikt der Realität in diesem künstlichen Mikrokosmos.
Die Schwarze Orchidee war für diese Nacht noch nicht erblüht, sie ruhte noch in ihrer Knospe. Die Ventilatoren hatten noch keine Probleme, die Luft zu bewegen, die Frauen hatten den Ausschnitt noch hochgeknöpft.
"Was möschten die 'erren trinkeen? Wünschen sie Gesellschaft?" Einen kurzen, winzigen Moment schien es mir, als würden $-Zeichen in ihren Augen aufblinken.
"Ich bin noch nicht so weit", sagte ich und nahm an der Bar und mit dem Rücken zur Wand auf einem durchgesessenen, schwarzen Hocker Platz, "aber ein Whisky, pur und raumtemperiert, wäre nicht schlecht."
"Mir bitte auch", sagte Herr Gronau, "aber mit Soda und Eis."
Ich besah mir die Getränkekarte, zwölf Euro der Whisky, na, gut, das ging ja noch, der Job begann mir zu gefallen.
Die Frau hinter der Theke öffnete fünf Knöpfe ihres Ausschnittes, drehte die Musik eine Spur lauter und stellte uns die Getränke hin. Langsam, wie die Klaviermusik aus den Lautsprechern hinter dem schwarzen Samtvorhangen, tropfte die Zeit dahin.
Ich drehte mein Glas auf dem Tresen.
Herr Gronau schwieg in sich hinein.
Die Frau hinter dem Tresen schloss einen Blusenknopf wieder.
Die Musik schwieg, die Frau wechselte die CD.
Zwei andere Frauen am Ende der Theke unterhielten sich über irgendwelche Bänder, die den Rock eines Kleides am Oberteil festhielten.
Die Musik setzte wieder ein.
Herr Gronau schaute zur Uhr, zog seine Waldhimbeerbonbontüte aus der Tasche, nahm einen Bonbon heraus, legte die Tüte auf die Theke, wickelte den Bonschen aus, steckte ihn in den Mund, knüllte das Papier zu einer Kugel zusammen und warf es in den Ascher.
Ich nahm den ersten, winzigen Schluck aus dem Glas.
Die Frau hinter der Theke hatte so viele Haare auf dem Kopf, dass sie mit Sicherheit eine Perücke trug, aber nichts unter ihrer Bluse, dabei hatte sie ein schönes, intelligentes Gesicht. Sie spülte Gläser und schaute hin und wieder routiniert lächelnd herüber. Ein Schlitz war in ihrem Rock, sie hatte Netzstrümpfe an und hochhackige Schuhe, alles an ihr war schwarz, deshalb die Perücke, nur ihr Lippenstift war knallrot.
‘As time goes by‘ spielte die Musik, die Frau stellte leise mitsummend das letzte gespülte Glas ab und lehnte sich, den Blick in eine unergründliche Ferne gerichtet, versonnen lächelnd und die Arme vor der Brust verschränkt, mit dem Hintern an die Theke. Sie blieb so stehen, bis das Stück zu Ende war, drehte sich um, griff eine Zigarettenschachtel unter dem Tresen hervor, zog eine Zigarette heraus, warf die Schachtel ‘klack‘ zurück und nahm die Zigarette zwischen Zeige-und Mittelfinger. Ich ließ mein Feuerzeug aufblinken und hielt es ihr vor. Einen kleinen Moment legte sie ihre Fingerspitzen auf den Handrücken der Hand, die das Feuerzeug hielt, ihr Blick streifte mich kurz, sie sog an der Zigarette und hauchte
"Danke".
"Noch nicht viel los, heute", sagte Herr Gronau.
"Das kommt noch, es ist ja noch früh."
"Ich bin hier mit Herrn Hoffstett verabredet, können sie mir sagen, wann er kommt?“
"Ach so, das ist etwas anderes", ein leichtes Lächeln umspielte die Lippen der Frau, und dann blieben die Mundwinkel etwas heruntergezogen, "wenn sie verabredet sind, dann wird er schon noch kommen. Normalerweise müsste er schon da sein."
Die beiden Frauen am Ende der Theke drehten sich um, grinsten leicht und fuhren mit ihrer Unterhaltung fort.
Auf einmal gefiel mir der Job nicht mehr.
Herr Gronau war sicherlich nicht freiwillig hier, um mal anständig die Sau raus zu lassen!
Mir fiel auf, dass sich seine Finger in immer neuen Varianten umeinander schlangen.
Und dann krachte die Tür auf, die Frauen strafften ihre Rücken. Zuerst kam eine unangenehme Ausstrahlung in die Bar und dann einer, der aussah, wie Nick Nolte; - aber als er besoffen festgenommen worden war.
Aber nein, ich hatte mal einen Film gesehen, ein B-Movie glaube ich, und ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass es wirklich ‘Menschen‘ gibt, die so aussehen wie ‘der letzte Sack von Sacramento‘; - dem Titel des Films.
Aber das Leben belehrte mich eines Besseren.
Ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, einem überwältigenden Ereignis entgegen zu treten.
Ein Zweitausend-Euroanzug nebst goldener Rolex coolte sich auf den Hocker neben mir. Hände mit schwarzlackierten Fingernägeln drückten ihm ein Glas mit Wodka 'Gorbatschow' darin in seine pelzigen Finger, mit der anderen Hand schob er einen DIN A5 Umschlag auf die Theke, die Hand mit goldenem Ring mit schwarzem Stein auf dem kleinen Finger, blieb darauf liegen.
Der letzte Sack von Sacramento führte das Glas zu einem dünnlippigen Mund, der hirnsprengende Wodka verschwand, das Glas knallte wieder auf die Theke. Einige Herzschläge lang schien die Musik in der Bar zu dröhnen.
"Na, mein lieberrr Grrronau“, rollte der letzte Sack von Sacramento das `r', "hast du dirrr einen neuen Müllmann mitgebrrracht?"
"Verweegen", stellte ich mich vor, "Hartmut Verweegen, ich bin kein Müllmann, ich bin Aquariendesigner.“
"Was?", Wodka gluckerte wieder in des letzten Sacks von Sacramentos Glas, "das habe ich noch nie gehört.“
Ein meckerndes Lachen folgte.
„Aquariendesigner! Aquarien sind doch immer viereckig, was braucht man dafür einen Designer?"
„Ich glaube sie sind da etwas falsch informiert. Ich kreiere das Interieur der Aquarien! Mein großer Hit ist das Modell ‘Atlantis‘. Bei dem Modell ‘Atlantis‘ habe ich eine versunkene Stadt in das Aquarium integriert, mit einem richtigen Tempel und Römischen Gottheiten anstatt eines debil dreinblickenden Tauchers! Ich arbeite zurzeit an dem Modell ‘New York‘ mit umgekippter Freiheitsstatue im Aquarium. Leider braucht man dafür ein Becken von mindestens 500 Litern …“
„Das ist ja alles hochinteressant; - aber hast du schon mal das Becken von der Jutta begutachtet?“
Wieder folgte ein meckerndes Lachen.
„Bin noch nicht dazu gekommen“, sagte ich.
"Natürlich - Aber sie sind sicher nicht hierhergekommen, um über ihre Arbeit zu reden. Hier entspannt man sich."
Ich steckte mir eine Zigarette in den Mund, murmelte "ach so", daran vorbei und ließ mein Feuerzeug aufblinken, "wie denn zum Beispiel?"
"Indem man sich etwas mit den anwesenden Damen unterrrhält. - Vielleicht errrgibt sich dann ja noch etwas mehrrr!“
Ich blickte zu Herrn Gronau. Der sah zu den Mädels rüber und ruckte kurz mit dem Kopf in deren Richtung.
"Ah, ja - tatsächlich, gute Idee. Dann will ich es doch mal probieren."
Ich rutschte vom Hocker, nahm Glas und Zigarette mit und schlenderte auf die Damen am Ende der Theke zu.
"Hallo Mädels, ich bin Hartmut Verweegen, Freunde nennen mich einfach 'Hank'! Wie geht es ihnen?"
Ich schüttelte den Mädels die Hände, die kicherten etwas und stellten sich als Jutta und Mona vor. Ich setzte mich so hin, dass ich Gronau und den letzte Sack von Sacramento im Auge behalten konnte.
Die steckten mittlerweile die Köpfe zusammen.
"Tja, meine Damen", versuchte ich ein Gespräch in Gang zu bringen, "der Mann hat gesagt, dass mit ihnen eine gar erbauliche Unterhaltung zu führen sei. Wollen wir das denn mal eben vielleicht ein Wenig tun?"
"Worüber möchten sie sich denn unterhalten?", fragte Mona.
"Wollen sie sich mit mir über Elefanten unterhalten? Ich unterhalte mich gerne über Elefanten."
"Wieso denn gerade über Elefanten?"
"Wieso denn nicht über Elefanten? Wir können uns natürlich auch über Spechte unterhalten, aber ich glaube, Elefanten sind ergiebiger. Unterhalten sie sich denn nicht so gerne über Elefanten?"
"Also, hier ist noch nie jemand gewesen, der sich mit uns über Elefanten unterhalten wollte."
"Dann wird's aber Zeit, dass mal einer entlang kommt, der sich mit ihnen über Elefanten unterhält! Wer sich mit Hank unterhält, kann nur noch was fürs Leben dazulernen. Möchten sie gerne was fürs Leben dazulernen, meine Damen?"
Die beiden Damen sahen mich an wie ein Molch im Eimer.
Herr Gronau öffnete den Umschlag, irgendwelche Fotos schienen darin zu sein.
"Wussten sie eigentlich", fuhr ich fort, "dass es weiße, schwarze, indische und afrikanische Elefanten gibt? Rosa Elefanten können ihnen allerdings bisweilen auch im Delirium begegnen, während sich der gemeine, graue Steppenelefant vorzugsweise in Porzellanläden aufhalt. Leider gibt es in der Steppe so wenig Porzellanläden."
"Wie wär‘s denn, wenn sie mal einen ausgeben würden?" fragte Mona.
"Ja, sicher, gern, habbich Vergessen", fuhr ich fort, "wissen sie eigentlich, dass es ganz große Elefanten gab, aber das waren keine Elefanten, das waren Mammuts."
"Ich möchte gerne einen Champagnercocktail", sagte Mona.
"Können wir nicht, damit's interessanter wird, ein Spiel um eine Tüte Popcorn spielen? Ich mag so gerne Popcorn, sie auch?"
"Wir haben hier aber kein Popcorn."
"Na, gut, dann spielen wir eben um Champagnercocktails; - aber erst müssen sie mir eine Frage richtig beantworten. - Wie unterscheidet sich der indische Elefant von dem afrikanischen?"
"In der Größe der Ohren, nicht wahr? Afrikanische Elefanten haben größere Ohren."
"Bravo! Sie haben soeben einen Champagnercocktail gewonnen."
"Das Spiel ist gut, das spielen wir! Können sie mir nicht auch so eine Frage stellen, bei der ich einen Champagnercocktail gewinnen kann?", fragte Jutta, während Herr Gronau mit verkniffenen Mundwinkeln einige Fotos betrachtete.
"Sehr gern. Wollen wir das Spiel spielen: Wer richtig antwortet, kriegt einen ausgegeben?"
Die Damen nickten begeistert, während die Madame in schwarz einige Zutaten zu einem Champagnercocktail zusammenschüttete und das Ergebnis auf den Tresen stellte.
Der letzte Sack von Sacramento drehte sich zu uns um und grinste breit, während Herr Gronau die Unterlider seiner Augen kurz hochzog.
"Welches Thema möchten sie gerne?" fragte ich und sah Jutta dabei an.
"Oh, kann ich mir das aussuchen?"
"Gehört diese Frage schon zum Spiel? Dann brauchte ich nämlich nur 'ja' zu sagen, und sie müssten mir einen ausgeben. Gleiches Recht für alle."
"Ach so", sagte Jutta, "fragen sie mich doch mal was über Fußball."
"Ihr Freund ist sicher Fußballer?“
"Mein Verlobter!"
"Tschuldigung. - Dann können sie mir bestimmt sagen, wie viele Löcher ein Tornetz hat, oder?"
"Das ist gemein, die Frage gilt nicht. Niemand weiß, wie viele Löcher ein Tornetz hat."
"Doch", ich drehte mich etwas zur Seite, "Erich! Wie viele Löcher hat ein Tornetz?"
"1228!" rief Herr Gronau zurück.
"Danke Tja, meine Dame, dann war das nichts mit dem Cocktail."
"Die Frage war gemein, das galt nicht", maulte Jutta.
"Na gut, noch eine nach meiner Wahl: Welcher König wurde wann und wo ermordet?"
"Woher soll ich das denn wissen?"
"Vielleicht hatten sie in der Schule besser aufpassen müssen!"
"Ja, aber stellen sie mir doch eine normale Frage."
"Leidenschaftlich gern", ich machte einen Strich auf den Bierdeckel unter meinem Glas und fragte: "Was sagt ihnen der Name 'Hammerfest'?"
Mona begann auf ihrem Hocker hin - und her zu rutschen wie ein Schüler, der im Begriff ist 'Herr Lehrer, Herr Lehrer, ich weiß was!' zu rufen.
"Wie, Hammerfest?" fragte Jutta.
"Na gut, ich gebe Ihnen ein paar Antworten vor:
a. Von dem Science - Fiction - Autoren Kalle Knuckhammer veranstaltetes Treffen der erfolglosen Verfasser utopischer Romane?
b. Wettkampf der Dachdeckergesellen, bei dem um die Wette Dachlatten vernagelt werden müssen?
c. Die nördlichste Stadt?
d. Von den Gummersbacher Trini - Lopez - Fans jährlich veranstaltete Hommage an den Hit ‘If I had a hammer‘? oder
e. Kampf, in dem der aus Castrop-Rauxel stammende Wrestler Joseph - Eberhard 'Dampfhammer' Meier-Lüttgendorf in den Ring steigt, in demselben er alles niederzumachen pflegt? - Na?"
"Ah, das mit Trini Lopez ist es sicher nicht, und das mit dem Wrestler auch nicht, ich kenne nämlich alle bekannten Wrestler, stimmt das?“
"Wie darf ich die Frage verstehen? Wollen sie damit andeuten, dass sie mich fragen, ob es stimmt, dass sie alle bekannten Wrestler kennen? Bei diesem Spiel muss man ja so aufpassen, was man fragt."
"Nein, ich meine, ob es stimmt, dass es die beiden letzten Antworten nicht sind."
"Ja, das stimmt", sagte ich und machte noch einen Strich auf den Deckel, "ihre letzte Frage wurde somit von mir richtig beantwortet."
"Wieso von ihnen?"
"Na, sie haben mich doch eben gefragt, ob es die beiden letzten nicht sind. Wenn ich mir noch eine Bemerkung erlauben darf: Sie haben noch keine Frage auch nur andeutungsweise beantwortet, geschweige denn richtig."
"Wieso das denn?"
"Das war eine interessante Frage. Ich mochte Sie mal mit: 'Die Fragen waren bis hier etwas ungewöhnlich‘, beantworten. Ist das richtig?"
Jutta strahlte: "Ja, das ist richtig. - Damit habe ich Ihre Frage aber richtig beantwortet. Ich kriege jetzt einen Champagnercocktail!“
"Ja, sicher. Ich bekomme allerdings inzwischen zwei von ihnen und mein Freund dahinten auch einen von mir."
Der letzte Sack von Sacramento und Herr Gronau schienen so weit zu sein, dass wir an einen Aufbruch denken konnten, jedenfalls steckte Herr Gronau Umschlag und Bonschentüte ein.
Ich drückte meine Zigarette aus.
"Wieso kriegen sie zwei von mir?" wollte Jutta wissen.
"Weil ich ihnen die Frage: 'Woher Sie hätten wissen sollen, welcher König wann und wo ermordet wurde‘, korrekt mit: 'Da hätten sie in der Schule besser aufpassen sollen', beantwortete. Ebenso beantwortete ich ihre Frage, die sich auf meine letzte Solche bezog, ebenfalls richtig. Nebenbei bemerkt wird jetzt der dritte fällig, weil ich ihre Frage: 'Wieso kriegen sie zwei von mir?' hiermit ebenso korrekt wie erschöpfend beantwortet habe, aber ich bin ja kein Unmensch. Ich gebe meinem Freund und ihnen einen aus, sie mir zwei, und die Sache hat sich."
"Das gilt aber nicht."
"Klar gilt das!“
"Nein!"
"Also, meine Dame, vorhin waren wir aber besser. Da hatte das Ganze noch ein gewisses Niveau, aber jetzt - ? Also, ich weiß nicht."
Jutta rutschte vom Hocker und ging zu dem letzte Sack von Sacramento. Irgendwie schien sie ihm Unangenehmes zuzuflüstern, denn der letzte Sack von Sacramento drehte sich zu mir um, seine Augenbrauen zogen sich zusammen, er hievte sich vom Hocker und kam langsam auf mich zu.
Ich trank inzwischen betont ruhig einen weiteren Schluck. Wie es so aussah, hatte dieser letzte Sack von Sacramento im Moment Herrn Gronau gegenüber das etwas dickere Hemd an.
Gronau jedenfalls machte ein Gesicht, als hätte man ihn gerade aus einem Flugzeug geworfen, aus mindestens tausend Fuß Höhe.
Da Gronau jedoch mein Auftraggeber war, entschloss ich mich, kleine Brötchen zu backen; - allerdings keine Kekse, und erst mal abzuwarten, um keine allzu heftigen Reaktionen auszulösen.
"Frrreundchen", sagte der letzte Sack von Sacramento, "du wolltest der Jutta hier einen Cocktail ausgeben, weigerst dich aber, ihn zu bezahlen. Wo gibt es denn sowas?"
"Ich möchte nicht von ihnen geduzt werden, Herr äh??" sagte ich.
"Hoffstett", sagte der letzte Sack von Sacramento.
"Freut mich schrecklich, Herr Hoffstett. Wahrscheinlich sind sie etwas ungenau informiert worden. Wir haben hier ein Spielchen gespielt, während dessen ich zwei Drinks gewann, mein Freund einen und die Dame hier auch einen, aber ich wollte zuerst um Popcorn spielen, damit's nicht so teuer wird. Stimmt`s, Fräulein Mona?"
Mona wandte sich ab, sie tat so, als hätte sie nichts gehört. Herr Gronau stand auf und deutete unauffällig zur Tür. Zeit zum Aufbruch.
"Na gut, ich will mich nicht mit ihnen anlegen. Was hatten die Herrschaften?"
"Ich kriege noch einen Cocktail", sagte Jutta.
"Dann waren das also zwei Champagnercocktail für die Damen, zwei Whisky für dich und deinen Freund da hinten und zwei Wodka für mich", sagte der letzte Sack von Sacramento schief grinsend, "macht genau zweihundert Euro - Müllmann!"
"Eigentlich müsste ich die beiden gewonnenen Cocktails ja in Anrechnung bringen", sagte ich. Mit einer schnellen Bewegung knallte der letzte Sack von Sacramento mir den Kopf auf die Theke, hielt ihn fest und sagte: "Hier wird nichts in Anrechnung gebracht, Müllmann! Klar?"
Er ließ los und ein Klappmesser aufschnappen.
"War wohl 'n Missverständnis", sagte ich mühsam und zog zwei Scheine aus der Tasche. In meinem Mund machte sich dezenter Blutgeschmack breit und ich kippte den Whisky in einem Zug herunter.
"Das ist ja nun beseitigt", sagte der letzte Sack von Sacramento, "jetzt kannst du gehen - Müllmann."
"Es war mir ein entsetzliches Vergnügen", murmelte ich und ging in Richtung Tür. Herr Gronau schob sich vor mir hindurch.
"Unter Personenschutz hatte ich mir eigentlich etwas anderes vorgestellt", sagte er leise, als wir auf dem Flur waren.
"Meinen sie, ich hatte mir das nicht gefallen lassen sollen? – Kriegen sie dann auch keinen Ärger?"
"Natürlich nicht. An ihrer Stelle hatte ich den Kerl vermöbelt. Da haben sie mich und sich ja schon blamiert."
Die Sache war etwas verzwickt, denn offensichtlich wurde Herr Gronau mit irgendwelchen Fotos erpresst. Aber allzu viel schien er sich nicht draus zu machen; - jedenfalls im Moment noch nicht.
"Möchten sie, dass ich das nachhole, Herr Gronau?"
"Natürlich! Verabreichen sie ihm einen Denkzettel! Hauen sie ihm in die Fresse oder was auch immer!"
"Gut. Sie sind der Boss."
Ich nahm den gelben Eimer aus dem Flur zur Tür und den Feudel heraus. Den Feudel hielt ich hinterm Rücken verborgen während ich im Türrahmen stehen blieb.
"He, Lockenköpfchen", rief ich dem letzten Sack von Sacramento zu, "du hast vergessen, mir eine Quittung zu geben!"
"Ich geb' dir gleich 'ne Quittung!"
Mit dem offenen Messer in der Hand kam der letzte Sack von Sacramento auf mich zu. Er knallte mit dem Gesicht in den nassen Feudel, taumelte zurück, packte sein Messer und murmelte: "Warte, Freundchen!"
Ich ließ den Feudel fallen, griff mir den Schrubber und stieß den Stiel in dem Moment in die Herzspitze, in dem der Mann auf mich zuspringen wollte. Er prallte wie gegen eine unsichtbare Wand und sackte zusammen. Ich trat ihm das Messer aus der Hand und schlug ihm den Schrubberstiel nochmal auf die Brust.
"Du hast mich dreimal geduzt, Lockenköpfchen", sagte ich und schlug nochmal zu, auf den Punkt, wo ich sehen konnte, was er zu Mittag gegessen hatte.
"Aufhören", gurgelte der letzte Sack von Sacramento und übergab sich. Sah aus wie Erbsensuppe, hätte aber auch was mit Spinat oder so Ähnlich sein können, aber derartige Typen essen ja wohl keinen Spinat, aber egal.
Er rollte sich am Boden zur Seite. Ein Schlüsselbund fiel aus seiner Tasche, ein goldenes Feuerzeug, eine Bonbontüte, die gleiche Sorte, wie Herr Gronau sie auch lutschte, Marlboro - Zigaretten, natürlich die leichte Sorte, ein Portemonnaie und eine 9V Batterie.
"Na, gut. Aber den Mülleimer wollen wir doch mal eben ausleeren, was macht das denn für einen Eindruck? Außerdem tun Müllmänner sowas; - Eimer ausleeren!"
Ich kippte das Schmutzwasser aus dem Eimer auf des letzten Sacks von Sacramentos teuren Anzug und ging mit Herrn Gronau hinaus.
"Nicht schlecht", grinste Gronau mich draußen zufrieden an, "machen sie das immer mit Feudel und Eimer?"
"Nur bei Messerstechern, und wenn gerade nichts anderes zur Verfügung steht", sagte ich und hielt Herrn Gronau die Autotür auf.
„Äh, was ich noch fragen wollte, Herr Gronau: Kann ich heute Nacht nochmal bei ihnen schlafen?“
Ich wäre natürlich lieber zu Kitty nach Hause gefahren, hätte das Telefon abgestellt und den richtig guten Sex zuende gebracht; - aber angesichts der vielen Irish Coffees und des Whiskys, den ich eben zu mir genommen hatte, fühlte ich mich doch nicht mehr so recht fahrtauglich.
Wie gesagt, meine Verträglichkeit, was den Alkohol betrifft, hatte drastisch abgenommen.
„Sicher“, nickte Herr Gronau, „dann können wir nochmal schön einen zusammen trinken. - Möchten sie jetzt einen Bonbon?“
Er hielt mir wieder die Tüte vors Gesicht. Allerdings war sie jetzt sauber aufgeschnitten.
Irgendetwas stimmte da nicht.
„Nein, danke“, sagte ich, „ich rauche lieber.“
Ohne übertriebene Hast, jedoch recht zügig, fuhr ich los.
 



 
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