Die Klavierspielerin
Musik, zuerst nur leise, dann deutlich aus einem Haus zu vernehmen und ich ging hinein, die Stufen hinab in den Keller; eine Bar. Nur wenige Leute vereinzelt an Tischen oder stehend an der Theke. Auf einer kleinen Bühne spielte eine Band. Ein Schlagzeuger, ein Bassist, ein Gitarrist und anstelle eines Sängers, in der Mitte der Bühne, ein Klarinettenspieler. Ein altes Klavier hatte keinen Spieler, es stand da, vergessen, Töne erklingen wollend, doch vergessen. Ein Teil der Band, doch stumm.
Das Lächeln des Barkeepers erwiderte ich mit: „Wodka- Red Bull, bitte.“ Ich setzte mich an die Bar und kurz darauf stand mein Getränk an meiner Seite. Ich mochte die Musik, ich mag Klarinetten. Atem, verbrauchte Luft lässt Töne erklingen, ganz eigene und die Klarinette selbst, ist wie dem Körper zugehörig, ein dritter Arm und bewegt sich, leicht, mal schwer, doch immer den sehnsüchtigen Tönen folgend, die sie in die Welt hinausweint. Der letzte Takt, kurze Stille, vereinzelter Applaus und dann bekannte Geräusche von Gläsern, Stühlen, Menschen. Bizarr, da doch eben noch Musik war, bis, ja bis erneut gezielte Töne die gewöhnlichen Geräusche verdrängten und den Raum ganz einnahmen, einem zuflüsterten, einzutauchen in Musik und zu vergessen, irgendwas. Mein Blick ging zu den Gästen, es waren nur wenige, die meisten wohl selbst Musiker. Der eine, er saß ganz rechts, bewegte seine Arme, als spiele er selbst Schlagzeug. Ein anderer bewegte leicht seine Finger, wohl ein Gitarrist. Andere nickten beim gelungenen Gitarrensolo, hatten die Arme verschränkt und musterten das Tun der Musiker auf der Bühne wohlwollend argwöhnisch. Und wieder war ein Lied zu Ende. Die Pause, die dann entstand war etwas länger. Der Klarinettenspieler sagte irgendwas und dann kam sie auf die Bühne, die Klavierspielerin, fast ein wenig schüchtern und setzte sich dorthin, wo bisher keiner saß, zum alten, dunkelfarbenen Klavier. Ihr Blick gesenkt, ganz ruhig in innerer Bewegung, fast betend, als würde sie reden mit ihrem Instrument; es begrüßen, ihm mitteilen, dass sie nun gemeinsam spielen und dass es keine Fehler machen soll. Ein tiefes Atmen, ein kleines Nicken und dann...
Mein Blick ging nicht von ihr, mein Atem etwas schneller. Leicht streichelte sie die Tasten des Klaviers. Ein Lächeln auf meinen Lippen und dann ein Blick von ihr. Ein Stoß in ihrem Herzen, fast zu hören, rot die Wangen und den Blick zu mir. Und ihre Finger gehorchten dem Spiel des Klaviers. Keine Sekunde nahm ich den Blick von ihr, in jeder Sekunde sah sie zu mir und spielte. Ich wollte, dass dies nicht mehr aufhört, nie. Und sie? Sie spielte, spielte und bewegte ihren Körper zum Rhythmus der Melodie.
Applaus. Die Musiker gingen von der Bühne, das Konzert war zu Ende. Das Licht im Raum veränderte sich und kurz darauf kam sie zu mir und:
„Hi, Woher wusstest du, dass ich heute ein Konzert habe?“
„Ich bin zufällig hier.“
„Unglaublich.“
„Ja.“
Wir mussten lachen.
„Wir haben uns lange nicht gesehen.“
Ich nickte.
„Wie hat’s dir...“
„Ich mag es, wenn du spielst.“
Leicht neigte sie den Kopf, lächelte und ihre Augen leuchteten. Ich glaubte ihr, dass sie sich freute. Wir kannten uns schon ein paar Jahre und obwohl wir uns nie verabredeten, begegnen wir uns immer wieder. Ich treffe nie jemanden, egal wo ich bin, nie; außer die Klavierspielerin.
Ein paar Wodkas, das Austauschen der Neuigkeiten, die voranschreitende Nacht und endloses Reden. Das Licht der Bar wurde grell. Wir blickten auf. Die Stühle waren auf die Tische gestellt, der Boden gekehrt, das letzte Glas gespült. Blicke der Angestellten und die leichte Aufforderung zu gehen. Wir nickten und gingen dann durch die Nacht, langsam, die Trennung hinauszögernd.
„Wie lange willst du mich begleiten?“
„Bis zur nächsten Kreuzung.“
Die gleiche Frage immer wieder, die gleiche Antwort jedes Mal und irgendwann kam keine Kreuzung mehr, kam nur noch ihre Tür. Ein Zögern, ein nickendes Lächeln, Kragen hoch und gehen, nur ein paar Meter, bis:
„Komm mit hoch zu mir.“
Ich blieb stehen, wir sahen uns an und kurz darauf, nach dem dunklen Flur, nachdem die Tür geöffnet, mir das Süß der Wohnung entgegenkam, das gelbe Licht, saß ich auf der Couch und sah ihr zu, wie sie dieses Etwas in den Tabak krümelte. Sie lächelte dabei. Keine Worte. Auch nicht, als sie kräftig zog und das Rot des Feuers leuchtete, gleich schwächer wurde, als ihr Zug beendet war und ihre Hand mir dieses Etwas gab.
„Mmh,“ war unser Gespräch. „Mmh,“ unsere Reaktion auf das Lächeln, „Mmh,“ das Erkennen, dass etwas in unser Bewusstsein drang und ein „Mmh,“ für das Gefühl, dass wir zufrieden waren. Und dann nur Stille, lachende Stille.
„Ich spiel dir was vor.“ Ihr Gesicht strahlte begeistert und meine Mundwinkel bewegten sich erfreut.
Sie ging ans Klavier und nur kurz dachte ich, dass sich die Nachbarn wohl beschweren werden; schnell vergessen. Auf der Couch beobachtete ich sie, wollte, konnte mich nicht bewegen, nur atmen, alles an ihrer Bewegung. Ihr nackter Hals, leicht gebeugt, leicht verdeckt von dunkelblonden Haaren. Ihr Körper, der sich leicht bewegte, bedeckt von einem schwarzen, engen Top, mit der Musik im Einklang, mit ihrer ganzen Umgebung im Einklang. Und ich? Ich wünschte, ewig hier zu sein, ewig sitzend, sie nur anzuschaun. Wünschte, dass die Zeit beschließt, zwar noch ihren Kreis zu ziehn, doch nur um diesen Ort, um dieses Jetzt, das nie vergeht, das ewig ist und bleibt. Es blieb, bis ich nicht mehr sitzen wollte, zu ihr wollte, unbedingt. Leider war mein Körper nicht der gleichen Meinung und trat in einen Streik, so dass es nur beim Wollen blieb. Zitternd stand ich, wie eine Marionnette, an deren Fäden ein ungeübter Spieler zieht und konnte nicht voran, nur irgendwann, dann irgendwie und kam zu ihr und versank in ihrem nackten Hals. Nur ein wenig, nicht zu stark, oh bitte, nicht zu stark, berührte meine Hand dann ihren ganzen Körper, umfasste sie und wollte ganz nah sein. Und sie, ließ es geschehen, ließ meine Hand den Rhythmus, die Kraft der Töne dirigieren und atmete ganz tief. Und ich, befreite sie von ihren Kleidern im Einklang ihrer Melodie. Und sie, sie spielte und spielte dann nicht mehr. Die Finger wollten zwar, doch sie... Sie bewegten sich zwar, doch sie... Ihr Atem ging zwar tief, doch sie... sie kämpfte ganz bestimmt mit sich, genoss es auch, doch sie... Sie...
„Was tust du?“
„Was tust du?“ wiederholte sie.
Ich fasste ihre Brüste und war tief bei ihr.
„Tu’s nicht.“ Dann stand sie auf. Unruhig ging sie auf und ab. Auf dem Boden saß ich, noch immer meine Lederjacke an und sah ihr zu. Dann blieb sie stehen. Ein enttäuschter Blick und noch immer keine Kleider an.
„Was tust du?“ wiederholte sie. Ich sah sie einfach an.
„Warum geht es immer nur um Sex?“ fragte sie. Ich sah sie an.
„Warum muss es immer damit enden?“
„Ich weiß es nicht,“ flüsterte ich.
„Warum?“
„Ich dachte, dass es richtig ist.“
„Nein,“ und das klang traurig.
„Warum hast du mich mit hochgenommen?“ fragte ich.
„Ich dachte, du bist anders.“
„Was dachtest du, wie ich bin?“
„Nicht wie jeder andere.“
Ich stand auf und reichte ihr die Kleider.
„Das wollt ich nicht,“ sagte ich und wollte ganz schnell weg, unbedingt nur weg.
„Halt,“ hörte ich, „was hast du dir gedacht?“
„Ich bin nun mal ein Kerl,“ sah sie an und ging und rannte wie verrückt, bis ich nicht mehr konnte und auf den Boden sank und die Erkenntnis kam, alles, alles falsch zu machen. Nein, nicht Erkenntnis, es war ein Peitschenhieb.
Als ich ein Kind war, liebte ich Piratenfilme. Es gab Piraten und es gab den Kapitän. Piraten waren grob, ungehobelt, ungebildet. Sie waren stets besoffen, stiegen jeder Frau nach und waren nur auf Beute machen aus. Der Kapitän war anders, er war nicht gewöhnlich, er hatte Träume, er war der Held in der Geschichte. Die Piraten starben, der Kapitän fand was er suchte, wurde glücklich; sein Leben hatte einen Sinn. Ich wollte nie Pirat sein, nicht gewöhnlich sein; ich wollte besonders sein, wie der Kapitän; der Held in der Geschichte. In jener Nacht, mit Knien auf nassem Boden, wusste ich, Pirat zu sein, mit nur einem Unterschied; ich bildete mir ein, der Kapitän zu sein. Ich, in meinem ganzen Leben ging es nur ums Ich und... und um Sex. Meine ganze Bildung, Bullshit, meine ganzen Gedanken, Bullshit. Jede Erkenntnis, Bullshit. Ich war nichts anderes, als ein besoffener Pirat, der Beute jagte. ‚Was nützt die Erkenntnis, wenn man sie nicht lebt?!’
Irgendwann dann bin ich aufgestanden, zurück zu ihr gegangen, hab geklingelt, kurz gewartet, auf das Summen der Tür reagiert, hinaufgegangen, in das Licht ihrer Wohnung hinein, zu ihrem verschlafenen Blick, ihrem nur kurz fragenden Blick und in ihre Arme. Gemeinsam in ihr Bett, gemeinsam, eng umschlungen und ohne irgendwas, den anderen gespürt; gemeinsam diese Nacht verbracht.
Es war hell, als ich aufwachte. Sie schlief und ich sah sie an. Sie trug ein Pyjama, ein Männerpyjama, er war ihr viel zu groß. Ihre Hände schauten kaum aus dem Ärmel. Ich fand, dass sie besonders schön aussah. Dann bin ich leise aufgestanden und leise aus dem Haus gegangen.
Musik, zuerst nur leise, dann deutlich aus einem Haus zu vernehmen und ich ging hinein, die Stufen hinab in den Keller; eine Bar. Nur wenige Leute vereinzelt an Tischen oder stehend an der Theke. Auf einer kleinen Bühne spielte eine Band. Ein Schlagzeuger, ein Bassist, ein Gitarrist und anstelle eines Sängers, in der Mitte der Bühne, ein Klarinettenspieler. Ein altes Klavier hatte keinen Spieler, es stand da, vergessen, Töne erklingen wollend, doch vergessen. Ein Teil der Band, doch stumm.
Das Lächeln des Barkeepers erwiderte ich mit: „Wodka- Red Bull, bitte.“ Ich setzte mich an die Bar und kurz darauf stand mein Getränk an meiner Seite. Ich mochte die Musik, ich mag Klarinetten. Atem, verbrauchte Luft lässt Töne erklingen, ganz eigene und die Klarinette selbst, ist wie dem Körper zugehörig, ein dritter Arm und bewegt sich, leicht, mal schwer, doch immer den sehnsüchtigen Tönen folgend, die sie in die Welt hinausweint. Der letzte Takt, kurze Stille, vereinzelter Applaus und dann bekannte Geräusche von Gläsern, Stühlen, Menschen. Bizarr, da doch eben noch Musik war, bis, ja bis erneut gezielte Töne die gewöhnlichen Geräusche verdrängten und den Raum ganz einnahmen, einem zuflüsterten, einzutauchen in Musik und zu vergessen, irgendwas. Mein Blick ging zu den Gästen, es waren nur wenige, die meisten wohl selbst Musiker. Der eine, er saß ganz rechts, bewegte seine Arme, als spiele er selbst Schlagzeug. Ein anderer bewegte leicht seine Finger, wohl ein Gitarrist. Andere nickten beim gelungenen Gitarrensolo, hatten die Arme verschränkt und musterten das Tun der Musiker auf der Bühne wohlwollend argwöhnisch. Und wieder war ein Lied zu Ende. Die Pause, die dann entstand war etwas länger. Der Klarinettenspieler sagte irgendwas und dann kam sie auf die Bühne, die Klavierspielerin, fast ein wenig schüchtern und setzte sich dorthin, wo bisher keiner saß, zum alten, dunkelfarbenen Klavier. Ihr Blick gesenkt, ganz ruhig in innerer Bewegung, fast betend, als würde sie reden mit ihrem Instrument; es begrüßen, ihm mitteilen, dass sie nun gemeinsam spielen und dass es keine Fehler machen soll. Ein tiefes Atmen, ein kleines Nicken und dann...
Mein Blick ging nicht von ihr, mein Atem etwas schneller. Leicht streichelte sie die Tasten des Klaviers. Ein Lächeln auf meinen Lippen und dann ein Blick von ihr. Ein Stoß in ihrem Herzen, fast zu hören, rot die Wangen und den Blick zu mir. Und ihre Finger gehorchten dem Spiel des Klaviers. Keine Sekunde nahm ich den Blick von ihr, in jeder Sekunde sah sie zu mir und spielte. Ich wollte, dass dies nicht mehr aufhört, nie. Und sie? Sie spielte, spielte und bewegte ihren Körper zum Rhythmus der Melodie.
Applaus. Die Musiker gingen von der Bühne, das Konzert war zu Ende. Das Licht im Raum veränderte sich und kurz darauf kam sie zu mir und:
„Hi, Woher wusstest du, dass ich heute ein Konzert habe?“
„Ich bin zufällig hier.“
„Unglaublich.“
„Ja.“
Wir mussten lachen.
„Wir haben uns lange nicht gesehen.“
Ich nickte.
„Wie hat’s dir...“
„Ich mag es, wenn du spielst.“
Leicht neigte sie den Kopf, lächelte und ihre Augen leuchteten. Ich glaubte ihr, dass sie sich freute. Wir kannten uns schon ein paar Jahre und obwohl wir uns nie verabredeten, begegnen wir uns immer wieder. Ich treffe nie jemanden, egal wo ich bin, nie; außer die Klavierspielerin.
Ein paar Wodkas, das Austauschen der Neuigkeiten, die voranschreitende Nacht und endloses Reden. Das Licht der Bar wurde grell. Wir blickten auf. Die Stühle waren auf die Tische gestellt, der Boden gekehrt, das letzte Glas gespült. Blicke der Angestellten und die leichte Aufforderung zu gehen. Wir nickten und gingen dann durch die Nacht, langsam, die Trennung hinauszögernd.
„Wie lange willst du mich begleiten?“
„Bis zur nächsten Kreuzung.“
Die gleiche Frage immer wieder, die gleiche Antwort jedes Mal und irgendwann kam keine Kreuzung mehr, kam nur noch ihre Tür. Ein Zögern, ein nickendes Lächeln, Kragen hoch und gehen, nur ein paar Meter, bis:
„Komm mit hoch zu mir.“
Ich blieb stehen, wir sahen uns an und kurz darauf, nach dem dunklen Flur, nachdem die Tür geöffnet, mir das Süß der Wohnung entgegenkam, das gelbe Licht, saß ich auf der Couch und sah ihr zu, wie sie dieses Etwas in den Tabak krümelte. Sie lächelte dabei. Keine Worte. Auch nicht, als sie kräftig zog und das Rot des Feuers leuchtete, gleich schwächer wurde, als ihr Zug beendet war und ihre Hand mir dieses Etwas gab.
„Mmh,“ war unser Gespräch. „Mmh,“ unsere Reaktion auf das Lächeln, „Mmh,“ das Erkennen, dass etwas in unser Bewusstsein drang und ein „Mmh,“ für das Gefühl, dass wir zufrieden waren. Und dann nur Stille, lachende Stille.
„Ich spiel dir was vor.“ Ihr Gesicht strahlte begeistert und meine Mundwinkel bewegten sich erfreut.
Sie ging ans Klavier und nur kurz dachte ich, dass sich die Nachbarn wohl beschweren werden; schnell vergessen. Auf der Couch beobachtete ich sie, wollte, konnte mich nicht bewegen, nur atmen, alles an ihrer Bewegung. Ihr nackter Hals, leicht gebeugt, leicht verdeckt von dunkelblonden Haaren. Ihr Körper, der sich leicht bewegte, bedeckt von einem schwarzen, engen Top, mit der Musik im Einklang, mit ihrer ganzen Umgebung im Einklang. Und ich? Ich wünschte, ewig hier zu sein, ewig sitzend, sie nur anzuschaun. Wünschte, dass die Zeit beschließt, zwar noch ihren Kreis zu ziehn, doch nur um diesen Ort, um dieses Jetzt, das nie vergeht, das ewig ist und bleibt. Es blieb, bis ich nicht mehr sitzen wollte, zu ihr wollte, unbedingt. Leider war mein Körper nicht der gleichen Meinung und trat in einen Streik, so dass es nur beim Wollen blieb. Zitternd stand ich, wie eine Marionnette, an deren Fäden ein ungeübter Spieler zieht und konnte nicht voran, nur irgendwann, dann irgendwie und kam zu ihr und versank in ihrem nackten Hals. Nur ein wenig, nicht zu stark, oh bitte, nicht zu stark, berührte meine Hand dann ihren ganzen Körper, umfasste sie und wollte ganz nah sein. Und sie, ließ es geschehen, ließ meine Hand den Rhythmus, die Kraft der Töne dirigieren und atmete ganz tief. Und ich, befreite sie von ihren Kleidern im Einklang ihrer Melodie. Und sie, sie spielte und spielte dann nicht mehr. Die Finger wollten zwar, doch sie... Sie bewegten sich zwar, doch sie... Ihr Atem ging zwar tief, doch sie... sie kämpfte ganz bestimmt mit sich, genoss es auch, doch sie... Sie...
„Was tust du?“
„Was tust du?“ wiederholte sie.
Ich fasste ihre Brüste und war tief bei ihr.
„Tu’s nicht.“ Dann stand sie auf. Unruhig ging sie auf und ab. Auf dem Boden saß ich, noch immer meine Lederjacke an und sah ihr zu. Dann blieb sie stehen. Ein enttäuschter Blick und noch immer keine Kleider an.
„Was tust du?“ wiederholte sie. Ich sah sie einfach an.
„Warum geht es immer nur um Sex?“ fragte sie. Ich sah sie an.
„Warum muss es immer damit enden?“
„Ich weiß es nicht,“ flüsterte ich.
„Warum?“
„Ich dachte, dass es richtig ist.“
„Nein,“ und das klang traurig.
„Warum hast du mich mit hochgenommen?“ fragte ich.
„Ich dachte, du bist anders.“
„Was dachtest du, wie ich bin?“
„Nicht wie jeder andere.“
Ich stand auf und reichte ihr die Kleider.
„Das wollt ich nicht,“ sagte ich und wollte ganz schnell weg, unbedingt nur weg.
„Halt,“ hörte ich, „was hast du dir gedacht?“
„Ich bin nun mal ein Kerl,“ sah sie an und ging und rannte wie verrückt, bis ich nicht mehr konnte und auf den Boden sank und die Erkenntnis kam, alles, alles falsch zu machen. Nein, nicht Erkenntnis, es war ein Peitschenhieb.
Als ich ein Kind war, liebte ich Piratenfilme. Es gab Piraten und es gab den Kapitän. Piraten waren grob, ungehobelt, ungebildet. Sie waren stets besoffen, stiegen jeder Frau nach und waren nur auf Beute machen aus. Der Kapitän war anders, er war nicht gewöhnlich, er hatte Träume, er war der Held in der Geschichte. Die Piraten starben, der Kapitän fand was er suchte, wurde glücklich; sein Leben hatte einen Sinn. Ich wollte nie Pirat sein, nicht gewöhnlich sein; ich wollte besonders sein, wie der Kapitän; der Held in der Geschichte. In jener Nacht, mit Knien auf nassem Boden, wusste ich, Pirat zu sein, mit nur einem Unterschied; ich bildete mir ein, der Kapitän zu sein. Ich, in meinem ganzen Leben ging es nur ums Ich und... und um Sex. Meine ganze Bildung, Bullshit, meine ganzen Gedanken, Bullshit. Jede Erkenntnis, Bullshit. Ich war nichts anderes, als ein besoffener Pirat, der Beute jagte. ‚Was nützt die Erkenntnis, wenn man sie nicht lebt?!’
Irgendwann dann bin ich aufgestanden, zurück zu ihr gegangen, hab geklingelt, kurz gewartet, auf das Summen der Tür reagiert, hinaufgegangen, in das Licht ihrer Wohnung hinein, zu ihrem verschlafenen Blick, ihrem nur kurz fragenden Blick und in ihre Arme. Gemeinsam in ihr Bett, gemeinsam, eng umschlungen und ohne irgendwas, den anderen gespürt; gemeinsam diese Nacht verbracht.
Es war hell, als ich aufwachte. Sie schlief und ich sah sie an. Sie trug ein Pyjama, ein Männerpyjama, er war ihr viel zu groß. Ihre Hände schauten kaum aus dem Ärmel. Ich fand, dass sie besonders schön aussah. Dann bin ich leise aufgestanden und leise aus dem Haus gegangen.