Die Mär vom freien Willen

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monti

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Die Mär vom freien Willen

Aus einem großen weißen Gebäude kam Friedel. Friedel sah aus, wie ein Friedel aussehen muss. Blaues Hemd, blaue Hose, blaue Socken, schwarze Hosenträger. Friedel hatte vergessen, warum er seine Wohnung verlassen hatte, trotzdem lief er weiter. „Es wird mir schon einfallen, warum ich auf die Straße gegangen bin“, sagte er sich. Als erstes begegnete er einer Frau mit einer roten Rose im schwarzen Haar. Er folgte der Rose, sie schien ihm zu winken. Noch immer wusste er nicht, was er draußen machen sollte. Als die Rose aber in einem voll eingerüsteten Gebäude verschwand, blieb er stehen und sah daran hoch. Der obere Teil leuchtete in kräftigem Ocker, ab der Mitte war die Fassade schmutzig gelb. Nach einer Stunde ziellosen Herumwanderns wurde Friedel unruhig wie alle Friedels, die angetrieben wurden, ohne zu wissen warum. Wieder gelangte er zum eingerüsteten Haus.
Voller Missmut rief er: „Warum gibt es keinen freien Willen?“
Ein Mann im dritten Stock streckte den Kopf aus dem Fenster und rief mit seiner Reibeisenstimme: „Hör auf zu schreien. Und wenn du noch einmal sagst, es gibt keinen freien Willen, dann beweise ich dir, dass es einen gibt.“
„Es gibt keinen freien Willen, das ist unser aller Unglück“, rief Friedel trotzig.
Im nächsten Moment flog ihm ein Bügeleisen auf den Kopf. Friedel brach zusammen, drei Minuten lag er bewusstlos auf dem Gehweg. Die Frau mit der Rose im Haar kam heraus, beugte sich über ihn und hielt ihm die Blume unter die Nase. Mit der Überzeugung Friedel zu heißen, war Friedel zu Boden gefallen, mit der Überzeugung, Lukas zu heißen, schlug er die Augen auf und strahlte. Er erinnerte sich an die Frau mit der Rose im Haar, nun war sie zum Greifen nahe. Doch bevor er seine Hand nach ihr ausstrecken konnte, verschwand sie wieder im eingerüsteten Haus. Lukas stand auf, wollte ihr nachgehen, aber die Tür fiel ihm vor der Nase ins Schloss.
Lukas spuckte aus und sagte: „Dann eben nicht. Ich bin doch kein Friedel.“ Und er beschloss nach Hause zu gehen und etwas zu essen. Das verostete Bügeleisen, das ihm auf den Kopf gefallen war, nahm er mit. Daheim in der Küche machte er sich ein Käsebrot.
Seine Freundin Cora kam herein und sagte: „Friedel, iss kein Brot, sonst wirst du müde und bekommst Verstopfung.“
„Friedel? Ich heiße Lukas, und Lukasse haben einen freien Willen. Sie können immer Brot essen“, sagte Lukas.
Cora lachte. „Wenn du Lukas heißt, heiße ich Sabrina.“
„Die beste Idee seit langem. Sabrina finde ich viel aussagekräftiger als Cora.“
„Also gut, Lukas. Aber dann lass dir auch die Haar schneiden. Und geh mit mir mal wieder tanzen.“
„Und du könnest mal wieder einen kurzen Rock tragen. Eine Sabrina ohne Rock, das ist wie ein Gebäude ohne Fenster.“
„Werde ich tun. Und du könntest weniger blau tragen. Ein Lukas, der immer blau trägt, ist wie ein Frosch, der damit droht, sich in einen Busfahrer zu verwandeln.“
Lukas und Sabrina redeten noch lange hin und her, um sich kennen zu lernen. Am Ende lagen sie sich in den Armen. Das Bügeleisen aber bekam einen Ehrenplatz in der Vitrine. Wenn es nicht total verrostet ist, sieht man es heute noch dort stehen.
 
grüß dich monti,

gefällt mir sehr! keine ahung warum die frau mit rose aber "Friedel? Ich heiße Lukas, und Lukasse haben..." ist einfach zum grinsen gut!

liebe grüße
carla
 



 
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