Die Villa

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Lahyli'n

Gast
Die Villa

Eines Abends klingelte mein Handy. Ich saß grad im Auto, wollte nach hause fahren und hatte überhaupt die Nase voll, weil es schon dunkel war und zu allem Überfluss auch noch wie aus Kannen goss. Bei so einem Wetter fährt sicher niemand gerne eine einsame Landstraße entlang.
Ich ging also ans Telefon. Ich meldete mich wie immer einfach mit einem geknurrtem „ja“.
Zuerst meldete sich keiner und ich schwieg einfach nur ins Telefon. Doch dann hörte ich eine tiefe, ernste Männerstimme. Nun ja, tiefe, ernste Männerstimmen sind bei meinem Beruf als Geheimagent nichts außergewöhnliches, also hörte ich wortlos zu.
Dieser Mann erzählte von einer Villa. Er drückte sich sehr geheimnisvoll aus. Er sprach sehr leise. Jedenfalls berichtete er über eine Villa, und das es dort ein dunkles Geheimnis geben würde. Als ich ihn fragte wo dieses Haus eigentlich sei, entgegnete er nur, das es irgendwo in der Nähe von Gedsen, einem Dorf oder einer kleinen Stadt in Arizona läge, und dass er mir nichts genaueres sagen könne. Als ich anhob eine weitere Frage zu stellen meinte er es sei dringend, ich solle keine Zeit verlieren, mich am besten sofort auf den Weg machen. Er sagte nur noch über die Bezahlung würden wir später sprechen und legte einfach auf.
Hervorragend. Mir blieb also nichts anderes übrig, als meinen Wagen zu wenden und mich in Richtung Arizona aufzumachen. Als ich endlich, nachdem ich mich durchgefragt hatte, wo denn Gedsen lag, ankam, war ich glücklich eine kleine Pension zu finden. Ich wollte mich morgen um diese Villa kümmern.
Ich ging also zur Rezeption, wartete eine Weile, bis dann endlich ein älterer Herr mit einem weißen Bart kam, und fragte nach einem Zimmer. Er musterte mich sehr genau. Wahrscheinlich sind Männer mit Anzug, Mantel und Hut hier eher selten.
Ich erfuhr, dass es hier nur insgesamt vier Zimmer gab. Da das hier aber nur eine kleine abgeschiedene Gemeinde am Rande der Welt war, waren noch alle Zimmer frei.
Also schleppte ich mich todmüde die Treppe zu meiner nächtlichen Unterkunft hinauf.
Das hier musste schon ein sehr altes Haus sein. Bei jedem Schritt knarrte der Boden unter meinen Füßen. Als ich mein Zimmer, welches nicht schwer zu finden war, erreichte öffnete ich die Türe und trat ein.
Ich schaltete erst einmal die Lampe auf dem kleinen Tischchen ein, damit ich überhaupt etwas sehen konnte. Es war ein kleines Zimmer, aber sehr gemütlich, mit einem roten Teppich. Ich legte meinen Mantel auf den Stuhl, wusch mich kurz und legte mich ins Bett. Bald schlief ich ein.
Irgendwann in der Nacht erwachte ich. Der Regen, der geräuschvoll gegen die Scheiben schlug hatte mich geweckt. Ich starrte an die Decke und sann über diese mysteriöse Villa. Ich könnte vielleicht morgen früh den Pensionsinhaber danach fragen. Ob der was darüber zu berichten weiß? Mir fiel auch noch etwas ein.
Dieser Mann vorhin am Telefon, sagte auch, er würde sich wieder bei mir melden, wenn es soweit sei. Hm ... wenn es soweit sei. Was meinte er wohl damit?
Ich dachte noch eine Weile darüber nach, bis mich der Schlaf von neuem übermannte.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte sich der Regen gelegt. Es war allerdings trotzdem noch duster, sehr unheimlich.
Nachdem ich mich angekleidet hatte, nahm ich unten im Restaurant, welches zur Pension gehört ein kleines Frühstück ein. Ich war ganz allein im Raum.
Als ich dann fertig war suchte ich den Mann von gestern Abend, der mir das Zimmer zur Verfügung gestellt hatte. Ich fand ihn auch rasch und verwickelte ihn erste einmal in ein Gespräch, denn es ist nicht meine Art unschuldige, nichtswissende Menschen einfach so zu überrumpeln.
„Hallo, Mr. ...“
„Biggs. Ich heiße Biggs.“
Er öffnete beim Sprechen kaum den Mund.
„Ich bezog gestern eines Ihrer Zimmer, Sie können sich doch sicher noch an mich erinnern.“
„Wie könnte ich Sie vergessen, in so einem Aufzug. Sie gehören in die Stadt, ich weiß beim besten Willen nicht was Sie hier her geführt hat. Ich an ihrer Stelle wäre schon lange wieder abgereist.“
„Ich dachte vielleicht können Sie mir helfen. Ich bin auf der Suche nach einer alten Villa.“
Er wirkte plötzlich verstört. „Villa. Kenn’ ich nicht. Hier haben wir keine Villen.“
„Sind Sie sicher?“
„Ja. Und jetzt lassen Sie mich in Ruhe.“
Mr. Biggs drehte sich weg und tat so als wäre er vertieft ins Gläserpolieren.
Aber ich kannte solche Reaktionen. Der Mann wusste etwas, da war ich mir ganz sicher. Also zog ich einen Zwanzigdollarschein unter meinem Mantel hervor, hielt ihm ihn hin und fragte erneut nach der Villa. Mr. Biggs knurrte unzufrieden, nahm aber das Geld.
„Ich weiß gar nicht was Sie da wollen. Dort geht keiner hin. Außer so verrückte Leute wie Sie. Na ja, am Ende des Dorfes, da wo der Wald anfängt ist so ein zugewachsener Weg. Wenn sie genau schauen, sehen Sie ihn noch. Kaum zu glauben, das es früher mal eine Fahrstraße war. Der führt Sie direkt zur Villa. Aber ich rate Ihnen ab dort hin zu gehen. Und jetzt lassen Sie mich verdammt noch mal in Ruhe.“
Von Mr. Biggs war keine weitere Hilfe zu erwarten. Warum aber sollte ich nicht zu dem Haus gehen? Das musste ich unbedingt herausfinden, bevor ich mich auf den Weg machte. Ja, ja, zugegeben, ein komisches Gefühl hatte ich schon.

Ich verließ die Pension und schaute mich in der kleinen Gemeinde ein bisschen um. Alles war alt und heruntergekommen. Ich sah keine Menschen auf der Straße, falls man so etwas überhaupt Straße nennen kann. Sie war ja nicht einmal geteert.
Das Wetter passte perfekt zur Umgebung. Die dunkelgrauen Wolken, welche keinen Sonnenstrahl hindurchließen, hingen tief, wie schwarze Spinnweben. Es sah so aus, als würde es jeden Moment anfangen zu Gewittern.
Endlich, da war jemand, ein Mann, auf einer erhöhten Terrasse, der kehrte. Außer Mr. Biggs, war das der erste Mensch den ich in diesem Dorf sah. Wo die anderen wohl alle waren?
„Guten Morgen.“ Sprach ich ihn an. „Morgen“ brummte er.
Na toll. Ob die hier alle so freundlich und gutgelaunt sind?
„Ich bin fremd hier ...“
„Ja, das sieht man.“
„Könnte ich Ihnen eine Frage stellen?“
„Ja, ja, wenn’s sein muss.“ Er hörte mir gar nicht richtig zu, schien mich los werden zu wollen.
„Ich habe da von einer Villa gehört und ...“
Plötzlich hielt er inne und schaute mich erstaunt an. Er sah sich um, als ob uns keiner hören dürfte. Dann flüsterte er: „Warum fragen Sie nach der Villa. Sie wollen doch nicht etwa dort hin gehen.“
„Doch eigentlich schon. Ich, äh, interessiere mich für alte Villen und wollte sie mir mal ansehen.“
„Ansehen. Ha! Sie wird nicht umsonst ‚Villa des Schreckens’ genannt. Sie wissen wohl nicht was mit Leuten passiert die sie sich ansehen wollen?“
„Nein, was denn?“
„Bisher ist von dort kein Mensch zurückgekehrt. Fahren Sie am besten dahin zurück, wo Sie her gekommen sind und vergessen Sie das Haus.“
Er wollte gerade wieder beginnen mit kehren, da erhob sich plötzlich ein lautes Donnergrollen und es fing an in Strömen zu gießen.
Ich stand regungslos da und ließ den Regen auf meinen Hut prasseln. Der Mann lehnte den Besen an die Wand, öffnete die Haustür, drehte sich nach mir um und bat mich hinein. Er war also doch nicht so barsch, wie er den Eindruck machte.
Ich trat ein und befand mich nun in einer recht kleinen, sehr gemütlichen Stube.
„Setzten Sie sich. Wollen Sie etwas trinken?“
„Nein danke.“
Ich setzte mich in einen abgenutzten Sessel. Mein Gastgeber setzte sich zu mir, in den zweiten Sessel.
Ich fand es unklug wieder von der „Villa des Schreckens“ anzufangen, weil ich sonst wahrscheinlich gleich hinausgeworfen worden wäre. So war sie doch der einzige Grund warum ich hier war. Den Regen hätte ich auch genauso gut in meinem Auto abwarten können.
Doch ich hatte Glück. Der Herr fand von allein das richtige Thema.
„Was wollen Sie wirklich bei der Villa?“
„Ich, äh ...“
„Meinen Sie, Sie könnten dort diesen Stein finden? Meinen Sie, Sie könnten ihn verkaufen, und so ein reicher Mann werden? Ich sage Ihnen was. Sie werden diesen Stein niemals finden, und auch wenn, dann werden Sie ihn niemals verkaufen können, weil Sie dann schon tot sind.“
„Ich ...“ Tot? Ich hatte nicht vor mich töten zu lassen. Er wusste wohl nicht wer ich bin. Ich konnte mich sehr wohl verteidigen. Ich hatte eine erstklassige Ausbildung. Im Umgang mit Schusswaffen war ich der Beste.
„Ich bin vielleicht keine Intelligenzbestie, aber das Sie sich das Haus nicht nur ansehen wollen, merke auch ich. Sie sehen ganz anders aus. Was wollen Sie wirklich?“
„Ich wollte mich eigentlich nur über das Haus informieren. Warum reagieren alle so seltsam, wenn man dieses Gebäude anspricht? Es ist doch nur ein altes, verlassenes Haus.“
„Wissen Sie denn wirklich nicht was dort damals passiert ist?“ Er klang überrascht. Woher sollte ich wissen, was es mit dem Hause auf sich hatte. „Es ist die Villa des Mr. Parthasanu. Er lebte dort mit seiner Frau und seinen zwei Kindern. Das war ungefähr vor neunzig Jahren. Man sagt, das er eines Tages beim Graben im Garten einen Stein gefunden habe. Dieser Stein verwandelte ihn in ein Monster, er machte ihn böse. Parthasanu soll seine Gemahlin und seine Töchter getötet haben. Er selbst sei spurlos verschwunden. Man sagt auch er sei der Teufel persönlich. Der Stein sollte ihn unsterblich gemacht haben, so das er heute noch dort wohnt, auch wenn ihn keiner gesehen hat, und jeden, der sein Grundstück betritt, tötet, so erzählt die Legende. Es heißt auch, dass kurz nachdem das Haus das erste mal leergestanden hatte, eine neue Familie dort eingezogen sei. Man fand alle Familienmitglieder tot auf, und zwar mit durchgeschnittenen Kehlen. Seitdem hat sich niemand mehr dorthin getraut, weil Parthasanu sein Anwesen verteidigt. Man erzählt sogar, er würde sich von Menschenblut ernähren. Ein paar Leute aus der Stadt, so wie Sie, haben dennoch versucht in die Villa zu gelangen. Man hat sie niemals wiedergesehen.“
„Niemals?“
„Niemals.“ Er schaute mir eindinglich in die Augen. Dann blickte er aus dem Fenster und erhob sich.
„Der Regen hat schon wieder aufgehört. Ich muss meine Terrasse fegen. Ich wünsche Ihnen eine gute Heimfahrt.“
„Danke.“
Ich folgte ihm bis vor die Haustür. Er ging wieder an seine Arbeit und ich lief zurück zu meinem Wagen.
Parthasanu, komischer Name. Da haust also ein Teufel in der „Villa des Schreckens“. Klar. Was sollte man auch anderes erwarten.
Ich nahm noch schnell einen kleinen Snack zu mir, machte meine .45-Kaliber-Pistole schussbereit, packte ausreichen Munition in meine Taschen und machte mich auf den Weg zu dieser geheimnisvollen Villa.

Den Weg hatte ich schnell gefunden, doch es war nicht einfach gewesen, sich durch das Geäst zu kämpfen. Ich konnte von Glück reden, dass nicht wieder ein neuer Schauer kam. Das wäre dann wirklich unangenehm gewesen. Wahrlich, wie Mr. Biggs schon gesagt hatte, es war kaum zu glauben, das dies hier mal eine Fahrstraße gewesen war.
Nach ein paar hundert Metern konnte ich die Villa durch die Bäume bereits erkennen. Sie lag still und friedlich mitten im Wald. Grau und verlassen.
Um mich war es totenstill. Ich konnte keinen Vogel hören, nur ab und zu einen Wassertropfen, der von den feuchten Blättern glitt. Mit meinen ungeschickten Schritten durchdrang ich die Ruhe, bis ich vor dem Haus stand.
Die Fenster waren dunkel. Ich schaute zurück. Der Weg hinter mir hatte sich geschlossen.
Früher war die Villa sicher einmal ein Prachtstück gewesen. Jetzt war sie leer, kalt und angsteinflößend.
Ich machte einen Schritt auf sie zu. Alles um mich war ruhig und regungslos. Nicht einmal Wind blies. Der Wald lag undurchdringlich um das Gebäude, gleich einem alles verschlingenden schwarzem Nebel.
Um ehrlich zu sein, hätte nicht mehr viel gefehlt und ich wäre weggelaufen. Doch ich schob meine Angst beiseite und begab mich so leise wie möglich zur Hintertür, weil die Haustüren meist sowieso verschlossen waren. Ich trat langsam an die Tür, hielt meine Waffe fest in der Hand und musste feststellen, das die Türe verschlossen war. Ich schlich also um das Haus herum zum Vordereingang. Dabei machte sich ein mulmiges Gefühl in mir breit, als ob mich jemand beobachten würde. Der Kies unter meinen Schuhen knirschte. Ich war bestrebt die Sache so leise wie möglich abzuhandeln. Wenn die Vordertür auch zu war müsste ich das Schloss aufschießen, denn ich hatte mein Werkzeug im Wagen vergessen. Ich stand nun also vor der prachtvoll gearbeiteten, jedoch verwitterten Eingangstür. Ich fasste langsam den Knauf. Er war kalt und unangenehm. Vorsichtig drehte ich ihn. Mein Herz schlug schell und laut. Meine Hände waren feucht. Ich klammerte mich an meine Pistole. Ich hielt die Luft an , drehte langsam weiter, hoffte das sie offen war, bis ich vor Schreck fast umfiel. Mein Handy klingelte. Ich trat einen Schritt vom Haus weg und ging ans Telefon.
Ich erkannte die Stimme sofort. Es war der gleiche Mann, der mich gestern Abend angerufen hatte.
Er fragte mich ob ich schon drin sei. Er sprach genauso leise und sachlich wie gestern auch. Ich fragte ihn, wonach ich eigentlich suchte. Diesmal war er auch nicht viel mitteilsamer. Er meinte ich solle herausfinden was wirklich geschehen war, dann legte er auf.
Herausfinden was wirklich geschehen war, sollte ich also. Musste ich dazu wirklich in dieses Haus? Selbstverständlich musste ich. Wann blieb mir denn schon mal etwas Unangenehmes erspart.
Meine Umgebung hatte sich nicht verändert, nur Wind war aufgekommen, oder besser gesagt Sturm.
Ich begab mich nun wieder zur Tür, drehte den Türknauf und hielt einen Moment inne, weil ich wieder das Gefühl hatte als würde mich jemand beobachten. Mit der einen Hand noch am Knauf, in der anderen die Pistole haltend schaute ich mich um. Ich konnte keine Menschenseele entdecken, wandte mich also wieder zur Tür, drehte weiter und, ja, sie war offen. Die Waffe hebend öffnete ich sie vorsichtig. Sie tat sich mit einem leisen Stöhnen auf.
Ich trat ein.

Das erste was ich erkennen konnte war eine riesige Diele, eine breite Treppe, die nach oben führte und viele Spinnweben. Es war sehr staubig und dunkel. Der Wind spielte das Lied vom Tod. Ich nahm meine Taschenlampe und schaute mich damit etwas genauer um. Ihr Lichtstrahl ließ alles blass erscheinen. In diesem Hause musste schon ewig kein Mensch mehr gewesen sein. Ich trat ein paar Schritte nach vorn um die kunstvoll verzierte weiße Treppe genauer zu betrachten, die sich wie bleiches Gebein nach oben aufbäumte. Ich befand mich nun in der Mitte des Raumes und leuchtete um mich. Es gingen drei weitere Türen von diesem Saal ab.
Ich weiß nicht warum, aber zuerst stieg ich die Treppe hinauf, weil ich erwartete oben mehr zu finden als hier unten. Ich versuchte besonders leise zu laufen, doch das war gar nicht möglich, denn mit jedem Schritt knarrte es unter meinen Füßen, und das so laut, das ich Angst hatte einzubrechen. Unbeschadet im mittleren Geschoss angekommen, sah ich mich auch hier etwas um.
Die Tapete hier war altmodisch gemustert und vergilbt. Der Flur schien um mehrere Ecken zu gehen. Ich weiß nicht wieso, aber ich hatte das Gefühl etwas ganz nahe zu sein, was auch immer dieses „Etwas“ sein mochte. Vielleicht die Lösung? Die Wahrheit? Das was wirklich passiert war?
Ich schlich so lautlos wie nur möglich den dunklen schmalen Flur entlang, an mehreren geschlossenen Türen vorbei, bis der Gang einen Knick nach links machte. Ich linste vorsichtig um die Ecke und was sah ich, der Flur machte nach ein paar Metern noch eine Biegung nach rechts. Ich tastete mich behutsam weiter vor, bis ich glaubte ein Geräusch gehört zu haben. Ich hielt inne und lauschte. Und wieder: ich hörte den Boden knarren. Und das kam nicht von mir, weil ich ja stillstand. Es war mir, als käme das Geräusch von weiter vorne, hinter der nächsten Ecke.
Was das wohl gewesen war? Vielleicht nur Einbildung. Mein Herz schlug lauter als je zuvor und meine Atemzüge wurden immer kürzer, je näher ich der Ecke kam. Ich hob langsam die Waffe und lehnte mich mit den Rücken an die Wand. Ich musste nun nur noch eine Drehung nach Rechts machen, um um der Ecke sehen zu können und in der Mitte des Ganges zu stehen.
Ich dachte daran, das es hier doch eigentlich gar nichts angsteinflößendes geben konnte. Dieses Haus ist doch schließlich verlassen. Und auf Sagen und Legenden habe ich noch nie viel gegeben. Außerdem hatte ich eine Pistole bei mir. Und ich hatte eine hervorragende Ausbildung im Umgang mit Schusswaffen. Es gab also nicht den geringsten Grund mich zu fürchten, versuchte ich mir die Angst zu nehmen. Was blieb mir denn auch anderes übrig als um diese verdammte Ecke zu schauen. Ich kann mich jetzt nicht einfach umdrehen und wieder gehen. Nein. Dazu bin ich schon zu weit.
Ich hole noch einmal tief Luft, vollführe eine schwungvolle Rechtsdrehung und halte sofort die Waffe in den Gang, meinen Finger am Abzug.
Doch hier ist niemand. Es ist nur sehr dunkel, aber ich kann erkennen, das der Gang hier endet und nur noch eine Tür von hier abgeht.
Ich leuchte mit der Taschenlampe umher und bemerke schließlich etwas rotes auf dem Boden. Ich trete etwas näher und, oh mein Gott, Blut. Mir steigt ein Kloß im Hals auf und ich bekomme kaum noch Luft. Eine Blutspur! Und sie führt zu der Tür. Mir wird klar, das hier etwas schreckliches geschehen sein musste. Ich bin völlig außer mir, kann kaum noch klar denken. Ich höre nur das laute Pochen meines Herzens.
Eine Weile stehe ich einfach nur steif da, kann mich nicht rühren. Immer wieder stelle ich mir diese eine Frage, die alles bedeuten kann: Was ist hinter dieser Tür? Ich starre regungslos und entsetzt auf den Boden, meine Seele ganz im Ohre und ich flüstere „Mord“.
Soll ich es wagen die Türe zu öffnen? Muss ich es nicht tun? Nein, das muss ich nicht. Oder doch? Aus unerklärbaren Gründen fühle ich mich zu der Tür hingezogen. Obwohl ich unsagbare Angst verspüre, Todesangst, habe ich den Drang sie zu öffnen. Da sind nur diese Tür und ich. Sie und ich. Allein.
Ich bin wie benebelt, wie hypnotisiert. Ich mache einen Schritt auf sie zu, bleibe stehen, starre sie an, schaue auf den Boden und sehe das Blut. Die Luft wird dichter und heißer. Die Wände schwellen an. Alles beginnt zu wanken. Noch ein Schritt. Ich fühle wie mir eine unsichtbare Kraft immer mehr die Luft nimmt. Es bildet sich kalter Schweiß auf meiner Haut. Ich mache den letzten Schritt und stehe nun unmittelbar vor der Tür. Ich berühre den Knauf, er ist feucht und kalt, so das mir ein Schauer über den Rücken läuft. Mein Kopf glüht. Ich lasse die Waffe sinken. Langsam öffne ich die Tür, einen ganz kleinen Spalt. Ich halte inne, denn plötzlich wird es mir lichter. Mir kommt ein unfassbarer Gedanke, der mich betäubt. Er will mein Blut.

(c)2001 by Dk
 



 
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