Lieber Hagen,
ein wenig wundert mich die Heftigkeit deiner Replik, denn bei meiner durchaus freundlichen Zuwendung handelte es sich keineswegs um einen Verriss - ein solcher sähe anders aus. Etwa so wie der, der gerade über Dietels "Zettel" hereingebrochen ist.
Aber der Reihe nach:
"Sieden und Braten" ist ein feststehender Begriff, der immer dann angewandt wird, wenn man alles, was in einer Küche abläuft, subsummieren möchte. Vergleiche hierzu "Tuten und Blasen" - wer davon keine Ahnung hat, hat von nichts eine. Dir, so schrieb ich, seien Kenntnisse nicht nur in Sachen Dorfidyllen, sondern auch in der Fisch-Cuisine zu unterstellen. Ein Kompliment!
Ob der Zettel (mit Unterschrift) am Halsband der Katz oder woanders oder gar nicht hängt, ist m.E. unerheblich - er wirkt in der Geschichte wie eine an den Haaren herbeigezogene, unfreiwillig komische Nummer: "Ich hab ihre Katze totgefahren, Datum, Unterschrift". Aua!
Du schriebst
Gar manchen Abend saßen Henriette und Hendrik traulich bei einem Glas Wein zusammen, kraulten die Katze Klytaimnestra und überlegten, wie sie ihren ersten Jahrestag zu einem unvergesslichen Ereignis machen könnten.
und weiter unten heißt es:
Nach dem Geschmack ihres Mannes gab sie Champagner dazu; - und der wünschte es nicht zu knapp. Da man gerade dabei war, leerte man noch eine Flasche Champagner und ging schlafen.
Nach neueren Erkenntnissen kann bereits der mütterliche Genuss eines einzigen Glases Wein der humanen Embryonalentwicklung schaden. Die Mutter deiner Geschichte trinkt täglich und legt bei besonderen Anlässen noch einen drauf. Aus heutiger medizinischer Sicht ein absolutes No Go!
Meine Empfehlungen zur Nachbesserung beschränkten sich auf eine gewisse Entschlackung der Kulissen; daneben wurde empfohlen, den Höhepunkt des Abends, die Rosskur im Krankenhaus, besser herauszuarbeiten. Damit war selbsverständlich nicht der profane Vorgang der künstlichen Entleerung das Magens oder des Darmes gemeint, sondern das Beiwerk: die Todesangst, die Ungeduld, die Wut auf die Küche etc.. Je peinvoller diese Situation beschrieben wird, desto größer der Spannungsabbau bei den "Pointe".
Und zu letzterer: Selbsverständlich gibt's gute und schlechte Pointen. Deine ist eigentlich gar keine, sondern ein mühsamer Erklärungsversuch. Ohne Dir näher treten zu wollen: In Fachkreisen nennt man eine solche Pointe "lahm".
Der Vorschlag, den behandelnden Arzt zum Schuldigen zu machen, der keinen Zettel schreibt, sondern den Katzenmord heimlich seiner Assistentin gesteht, war gut gemeint und hat mit "Umschreiben der Geschichte" gar nichts zu tun. Er machte lediglich aus einer lahmen eine Pointe, die zündete.
So. Jetzt hab ich meine wohlmeinende Kritik noch wohlmeinender erklärt. Mehr kannst du vom Mitglied eines Literturforums schlechterdings nicht verlangen.
lg
Moony