Diplomatie - Püttmann... Folge 22

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Diplomatie

Wenne erst ma ne Ferienwohnung auf Ibiza hass, dann iss dat ganz normal, wenn der eine oder die andere ma anfragen tut, ob se auch ma dahin düsen dürften.
Freitagabends saß ich wieder ma in meiner Stammkneipe und kloppte Karten.
Plötzlich erhob sich unser Schriftführer, haute mit seinem Rotzkocher an sein Glas, bat um ein aufmerksamet Ohr und wandte sich direkt an mich.
„Lieber Wilhelm," hob er an, "weisse noch, wie Du ma den Kalle wegen seine Wohnung auf Ibiza für uns Skatbrüder angehauen hass? Ja, da hat er uns ganz niederträchtig Radaubrüder und Saufkumpane genannt und hat sein Herz und die Wohnung für uns verschlossen.
Wir haben heute Gott sei Dank ne andere Situation. Guter Skatbruder Wilhelm, Du hass jetz auch sonne feine Ferienwohnung und könntest uns doch zu unserem 25-jährigen Skatclubjubiläum ma dat herrliche Ibiza zeigen. Unsere Skatkasse läuft über. Et wird höchste Zeit, dat wir die Kohle auf'n Kopp hauen, sonst erleben wir dat vielleicht nich mehr. Ich schlage also vor, dat unsere diesjährige Skatausflugswoche beim Willi auf Ibiza stattfindet." Natürlich nur, wenn unser lieber Wilhelm dazu 'ja' sagen tut.“
Alle kloppten zustimmend auffen Tisch.

Ich kuckte in die flehenden Augen meiner lieben Skatbrüder. Da lag ja so viel Hoffnung, Erwartungsfreude und Begeisterung drin. Die freuten sich wie kleine Kinder zu Weihnachten!
Ich konnte und wollte jetz nich "nein" sagen oder um Bedenkzeit bitten. Nie hätt ich dat über mein Herz gebracht.

„Liebe Skatbrüder“, antwortete ich, „dat iss mir eine ganz besondere Ehre, dat Ihr die Jubiläumsfahrt ausgerechnet zu meiner bescheidenen Wohnung auf Ibiza machen wollt. Selbstverständlich seid Ihr jetz schon ganz herzlich willkommen. Dat sach ich auch im Namen von meiner lieben Berta!“

Bei dem letzten Satz hatte ich allerdings son leichtet Erstickungsgefühl im Hals. Dat bemerkte aber zum Glück keiner.
Mein spontanet Einverständnis untermauerten wir mit mehreren Doppelrunden ausse Skatkasse.
Meine doch sehr verwegene Zusage erschreckte mich nachträglich und blockierte unheilvoll meinen Kopp.
Sie lag mir tagelang wie son schwerer Mühlstein im Magen. Dicke Luft mit Berta war natürlich vorprogrammiert!
Drei Tage klamüserte ich an son Plan rum, wie ich ihr dat mit die Jubiläumsfahrt schonend und diplomatisch stecken konnte.

Dann fasste ich mir endlich en Herz: „Bertaken, ich glaub, wir waren lange nich mehr draußen wat lecker essen. Dat iss ma wieder höchste Zeit. Ich hab deshalb für heute Abend bei Deinem Lieblingsitaliener en Tisch für uns zwei bestellt.“

Berta sah mich erstaunt an: „Aber Williken, wir haben doch noch keinen Hochzeitstag! Trotzdem find ich dat sehr lieb, dat Du mir so spontan den grauen Alltag mit ner netten Einladung verschönern willz.“

Jetz fand ich meinen Plan schon wieder fies und hinterhältig, aber ich musste dadurch!
Den Tisch in dem italienischen Nobelschuppen hatte man toll dekoriert. Der Rotwein und Bertas Augen funkelten im Kerzenschein. Dat war hier wirklich en sehr stimmungsvollet Antibiente. Mein Bertaken schaute mich nach langer Zeit ma wieder verliebt und glücklich an.
Spätestens jetz musste ich mit die Sprache rausrücken. Dat war genau der richtige Augenblick.
„Berta, ich hab da en sehr großet Problem! Ich bin schon ganz verzweifelt. Ich kann aber nich mehr länger warten, ich muss endlich mit Dir darüber reden.“
Berta war sehr besorgt: „Williken, wat hasse denn, bisse krank? Du machs mir ja richtig Angst, wenne so sprechen tus.“
„Ja, Berta, ich werd bestimmt krank, wenn ich dat Problem nich mit Dir lösen kann! Ich fühl mich schon seit Wochen nich wohl, ich hab bestimmt schon dicke Magengeschwüre!“
„Willi, iss wat mit die Firma, bisse pleite? Hat uns die Ibiza-Wohnung ruiniert? Sach endlich wat!“
„Berta, et iss wat viel Schlimmeret! Et hängt allet nur von Dir ab!“
„Willi, wat hab ich Dir denn angetan, bin ich Dir nich mehr gut genug, hasse ne andee Frau kennengelernt? Nee, wat sollen nur die Kinder und die Verwandten denken, Du in Deinem Alter machs noch sowat, dat iss ja so gemein von Dir, dat hab ich nich verdient!“
Sie war total daneben, Tränen rollten über ihre hochroten, schönen Wängelchen.
„Bertaken, so wat würde ich doch nie tun, Du biss doch mein Ein und Allet aufe weiten Welt, mein kleinet Mauseschwänzchen. Dat Problem sind meine lieben Skatbrüder. Ich konnte bei denen einfach nich 'Nein' sagen.“
„Wozu denn 'Nein', Willi? Dat kann doch wirklich nich so schlimm sein, dasse dabei todkrank wirss, Williken!“
Während sie so besorgt sprach, streichelte sie zärtlich über meinen Kopp.
„Berta“, sachte ich, „wir haben ne volle Skatkasse und wollen in diesem Jahr eine Woche nach Ibiza. So, jetz isset endlich raus!“
„Willi, sach bloß nich, dat Ihr in unsere Wohnung wollt?“
„Ja, dat iss ja dat, wat mich so krank macht, weil ich dat einfach ohne Deine Einwilligung zugesacht hab!
Berta, wenne die Kinderaugen vonne Skatbrüder gesehen hättes, Du hättes auch nich 'nein' gesacht. Ich hab einfach Dein Einverständnis vorausgesetzt. Danach kamen mir doch sehr starke Zweifel an Deiner milden Güte. Ich kann doch jetz nich wie son Lügner vor den Skatbrüdern stehn!
Bertaken, sach doch endlich wat, sach ja, oder willze, dat ich hier in dem Spaghetti-Laden noch vor Dir hinknien tu?“

Berta sah auf einma viel entspannter aus. Sie setzte wieder den seltsamen Blick auf, den ich hasste. Ihre Mundwinkel verzogen sich zynisch. Sie war wie umgewandelt und führte wieder irgendwat im Schilde oder verheimlichte mir wat.

„Ja, Willi“, sachte se großmütig, „von mir aus fahrt nach Ibiza! Meine Kegelschwestern haben mich letzte Woche auch gefragt, ob se ma mit mir hin dürften. Wir haben dann ganz spontan son preiswerten Gruppenflug für den 10. Oktober gebucht!“
 



 
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