Drunten in der Isarau...

Alo Isius

Mitglied
Drunten in der Isarau steht ein Wirtshaus, weiß-blau, mit dem hübschen Namen “Zur Bumskuglalm“. Dort führen seit uralten Zeiten drei verwitwete Exschönheitsköniginnen das Regiment über die prominentsten Repräsentanten der Münchner Gesellschaft: die Babett, die Toila und die Susi. Und die drei attraktiven Wittiberinnen – von Dr. Frankenstein stets ordentlich gelifteten und vom Moos-hammerbub modernst aufgesteilten Senior-Ladies – babbln, toiln und trabbln in ihrem Reich auf Teufel komm raus herum und lassen den Eingang zu ihrer Promi-Boatzn von Ivan, einem Russen aus Zerb, bewachen. Der achtet darauf, dass nur Leute von einem gewissen Adel, Rang und Namen Einlass in die permanent überfüllte Gaststätte finden; wobei es ihm ziemlich gleichgültig zu sein scheint, ob ein Einlass Begehrender etwa ein Erbe des Königs der Schlosserbauer oder der King Kong der Schlossknacker, ein Bankräuber oder ein Manager einer solchen Räuberbude, ein erfolgreicher Versicherungs- oder ein abgekanzelter Volksvertreter, ein Superstar von Bohlens Gnaden, oder eine/r der vielen Hanswurschtn und -wurschtlerinnen von televisionären Kanälen ist... Ivan ist streng, orthodox aber gut katholisch und geldgläubig: „Sobald Mäuse in meine Tasche klimpern, darf selbst Chinz und Chunz meine Chefinnen pimpern.“
Um Missverständnissen vorzubeugen: der Zerber-Russ ist nicht bestechlich sondern nur käuflich; er hat, sozusagen, die satttierische Weisheit eines bekannten Berliner EulenSpiegels zu einer längst fälligen, praktischen und persönlichen Nutzanwendung umgemodelt.
Und nun – nach dem erschütternden Zusammenbruch der globalen Finanzmärkte – rasen wie Furien wildeste Gerüchte durch die Stadt:
Experten aller Couleur befragen andere Experten und sondern Prognosen ab, das Volk sieht schwarz, wählt verzweifelt rot und goldig und hat nicht einmal mehr eine echte Freude an den revolutionären Preis-Reformen (-8,015 %) auf den Speisen- und Getränkekarten der “Bumskuglalm“. Selbst Ivan, einer der reichsten Neureichen in Monaco di bavaria, ist pleite, unangemessen bescheiden geworden und akzeptiert als inoffizielle Entree-Gebühr schon mal auch nur einen €-Zwickl...
... sogar von mir, als ich wieder einmal in einem Anfall von Neugier Einlass in dieses Lokal begehrte. Und erstaunt feststellen durfte, dass mir Ivan obendrein auch noch augenzwinkernd zutraulich und offen-sichtlich höchst erfreut verkündete:
„Hello, Sir, welcome to our house, you might be exactly the nice old man we’re waiting for, since the financial Katastrovijets of the last weeks. I’m very glad to see you here. Please, go in and enjoy your time with my three lovely and for ever young witches.”
Ich kicherte ein wenig in mich hinein und war gespannt, ob wohl auch die maßgeblichen Damen auf meine, selbst diesen Zerberus beeindruckende Altherren-Herrlichkeit abfahren würden, der ich, an guten Tagen, morgens am Toilettenspiegel gegenüberstehe. Hier muss ich die mir von Gott verliehene Bescheidenheit einmal ketzerisch verleugnen und gestehen, dass ich mich, mit meinem impo-santen Rauschebart und der strahlenden Güte in meinen ebenmäßigen Gesichtszügen, durchaus schon mal mit dem vom Angelo-Michel gemalten lieben Gott verglichen habe; manchmal strecke ich sogar meinen Zeigefinger aus, um dem Spiegelbild neues Leben zu spenden. Sagen Sie selbst, verehrte Leser, was soll man sonst machen, wenn einem am Spiegel eben kein junger, knackiger Adam mehr gegenübersteht?
Doch zurück zu meinem Entree ins Lokal. Ich war kaum überrascht. Das Interieur entsprach genau den Vorstellungen, welche ich aus unzähligen Theater- und/oder Filmvorführungen für derlei Örtlichkeiten in irgendwelchen Hirnlappen abgespeichert hatte: hübsch kulissenartig, auf alt getrimmt und frisch angestrichene Lasterhöhle, sozusagen viel frischgestrichenes Holz in der alten Hüttn. Und als ich auf die mir – aus einer Art Wiener-Cafehaus-Separee – einladend zuwinkenden Damen zuschritt, wurde mir, step by step, immer klarer, dass es sich bei ihnen gerade umgekehrt verhielt: hoch gestapeltes altes Holz vor der Hüttn mühsam auf jung getrimmt und entsprechend grell angestrichen. Jung sein wollende, alte Hexen zogen ihre Show ab. Um einen antik wirken sollenden, mit allerlei Schickimicki-Symbolen verzierten Kübel kreisend, aus dem giftfarben leuchtende Dämpfe flash-light-artig aufstiegen, brabbelten sie wirres Zeugs vor sich hin:

Babblbabbl, Toil and Trabbl
Alles nix wie blöds Gesabbl,
beim heiligen Krötenbauch und –tanz,
sowie dem gebrochnen Bohlenschwanz:
rettet uns nicht die Kandesbunzlerin
mit Bürgschaft, Kredit und Rinbimtin,
so tun’s “Old Man” or ”Mister Smith“.
Bringen die gar ”Holy Smoky” noch mit,
geht’s bei uns heiter weiter...
Babblbabbl, Toil and Trabbl

Der Text interessierte mich nur insofern, als da von an ’old man’, aber auch von einem gewissen ’Mister Smith’ und einen geheim-nisvollen ’holy smoky’ die Rede war. Damit konnte natürlich ich überhaupt nicht gemeint sein. Fühlte mich auch gar nicht angesprochen und setzte mich entspannt gespannt an den nächsten freien Tisch.
Babblbabbl, Toil and Trabbl
Coming from Big Apple
Sich uns der Retter naht.
Will’s dear “Old Man“ partauz nicht sein,
laden wir “Mister Smith“, den Teufel, ein.
Schließen mit dem unseren Rettungs-Pakt.
Und tanzen für den Walpurgis splitternackt.
Hey you , old man, antworte flott:
Bist du etwa der liebe Gott?
Sonst gibt’s Zores, nebst dem üblichen
Babblbabbl, Toil and Trabbl

Mit den letzten vier Versen hatten sie sich unmissverständlich an mich gewandt, und ich beantwortete, gehörig eingeschüchtert, die Frage gehorsam flott:
„Mein Gott, nein,
seht mich doch an,
ich kann’s nicht sein.
Doch würde gern ich tun,
was such an old man kann,
zu retten so nette Hexlein wie Euch.
Doch klüger ist’s wohl, ich entfleuch?!

Ui-jui-juijui-jui, da hatte ich aber, wie man so sagt, erst recht schlafende Hunde geweckt. Haben Sie, liebe Leser, auch nur eine vage Vorstellung davon, wie wildgewordene, keifende, kreischende Höllenhündinnen auf so ein armes Rentnerschwein losgehen können? Auf so ein ohnmächtiges, wie ich eins bin und von dem kein simples Trostpflästerchen, sondern Rettung aus finanziellerer Not erwartet wird? Ich wollte es gar nicht erst darauf ankommen lassen, das zu erfahren, wendete mich ab, um, Schlimmstes fürchtend, die Flucht zu ergreifen. Da hörte ich ein Engelsstimmchen flehen:
„Stoi, Alterchen, kumm, hab den Mumm, dreh dich noch einmal um.“
Ich tat’s, wenn auch mit salz- oder kalkerstarrten Gliedern, und sah, dass die Furien wider Erwarten Contenance bewahrt oder blitzschnell wiedergefunden hatten.
„Ich bin die Susi und hier im Laden zuständig für Inszenierung und Regulierung aller möglichen und unmöglichen Trabbels mit Gästen. Nur wenn alle Fäden meiner Geduld zerreißen, pfeif ich Ivan, den Schrecklichen. Aber Du bist ja eigentlich ganz lieb. Also setzt dich wieder hin.... und sag an, was du gern trinken möchtest...“
„Oiß, blos koan Manna... un koa Wasser... bittschön.“
„Witzig, Mann, aber unser Wässerchen, auch als Wodka bekannt, wirst du doch nicht verschmähen... Oder ?!? Ookäj... Toilitschka, ♫ ras, twa, dri: tschetürje sto Grammi, dawai, dawai, dawai... He, Ivan kimm herbei ♫ ...un trink aa wos, bevorst dafrierst in dera südwestdeitsch-bajuwarischn Kältn!“
 
B

bluefin

Gast
tipp, lieber alois: wirklich mal in ein zeitgenössisches puff gehen, um festzustellen, dass es umgekehrt ist, wie du uns weismachen willst: die schuppen stehen nicht im isartal, sondern auf der anhöhe im gewerbegebiet, die türsteher sind deutschtürken und die knackigen mädels junge weißrussinnen.

angejahrte schabrackentapiere wie die von dir erfundenen gab's früher nach einbruch der dunkelheit in der zamdorfer straße, frierend auf freier wartend, oder im muffigen wohnwagen auf dem parkplatz neben der freisinger landstraße.

die sind aber alle schon lange tot. vielleicht rasierst du dir mal den bart ab?

nix für ungut und liebe grüße aus münchen

bluefin
 

Alo Isius

Mitglied
Ach ja, bluefin,
wie die Zeit vergeht. Ich bräuchte halt mal wieder einen jungen zeitgenössischen Führer, der sich auskennt - aber womit eigentlich?
Angejahrte Schabrackentapiere? Du hast ja keine Ahnung, wie alt die wirklich schon sind! MRR hätte sie am ersten Verslein ihrer Nummer erkannt Aber gut: der verweigert nur Fernsehpreise und googelt nicht in in Leselupen herum. Das macht ihn so sympathisch, this god old man and Liebhaber eines guten Schüttelbieres - nicht gerührt!
Habe die Ehre
AI
 
B

bluefin

Gast
wenn du dich nicht wirklich dort hinein traust, von wo es zu rapportieren dich drängt, mein lieber @aloisius, dann solltest du http://www.weisse-villa.info/., um wenigstens auf virtuellem wege zu einer etwas zeitgenössischeren inspiration zu kommen.

à propos reich-ranicki - für den diesbezüglich ärmsten war schon vor knapp hundert jahren die frau ein buch mit ungefähr 1117 siegeln. den nimm lieber nicht als bordellführer.

friendly greetinx from northern munich suburbia

bluefin
 

Alo Isius

Mitglied
Ui-Juijui-jujuijuijui...
dear Blaufink,
wilst du... äh... in mir 'old man' tatsächlich noch einmal Mister Smiths - gottseidank - schlafende Hunde wecken?
Solche viasakrattistischen "Auferweckungs"-Klicks finde ich alltäglich zu hundersten in meinem mailischen Briefkasten.

"Oh, Good Lord, sorry, I forgot how naiv you've ever ben."*1

... kann ich - ein gefallenn(d)er Engel - zu dir - einem Unfehlbaren - da nur sagen. Und hoffen: du Pfuideifi absolvest me.
Host me? Pfüadi.

Mit schönsten bajuwarischen Grüßen

Dein AI



*1)Zitat aus P.U.'s fable: "The old man and Mister Smith"
 

Retep

Mitglied
Hallo bluefin,

Ich habe mal geklickt!

Ich staune immer mehr über dich, du kennst dich wohl in allen Bereichen gut aus.(Fischen, Literatur, Deutsche Sprache u.a.m.)

Gruß


Retep
 
B

bluefin

Gast
hallo @retep,

die wenigen puffs, die's in münchen (noch) gibt, kennt doch fast jeder. nur engel @aloisius halt nicht, obschon er uns von ihnen singt.

nun kokettiert er mit seinem biblischen alter und bemüht göttliches (bzw. das, was sich der dampfplauderer ustinov darunter vorgestellt haben mag). dabei heißt's in der bibel doch unmissverständlich: "wer sich in gefahr begibt, kommt darin um". hörst du, @aloisius? dein freigang gilt nur für das hofbräuhaus in der stadtmitte, nicht aber für die bordelle suburbiens!!

die überlass den anderen greisen. der letze, der verbürgt im münchner "leierkasten" (das "mutterhaus" der zum anklicken empfohlenen, kleineren dépendence) zugrunde ging, war der ehemalige bürgermeister von rottach/tegernsee. exitus in coitu, siebenundsiebzigjährig.

was abgang!

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

Retep

Mitglied
Hallo bluefin,

großartiger Kommentar, besser als viele Texte hier.

Übrigens: "exitus in coitu" kommt wesentlich häufiger vor, als von Laien angenommen wird!
Aber das wusstest du sicherlich schon.

Kein übler Abschied. Oder?


Gruß

Retep
 
H

Heidrun D.

Gast
Drunten im Luperl, freue ich mich dammisch (oder wie das heißt ;)) am überaus kurzweiligen Geschichterl.

Mir als Frau, macht es auch nicht so viel aus, ob die Schabrackentapire (ohne "e", ihr Hüter der deutschen Grammatik!!!) nun schon verstorben sind oder doch. - Auf jeden Fall wirkt das anzuklickende Bordell recht gemütlich ... vermutlich gibt es dort allerlei Samtiges zu sehen und anzufühlen, vielleicht auch einen schönen Flügel, der dem pfiffigen Autor mit Sicherheit nicht abgefallen ist ...

meine
ich
mit jugendfreien Grüßen
 
B

bluefin

Gast
unser @aloisisus, liebe @vera-lena, schrieb, wie schon gesagt, voll am eigentlichen leben vorbei: die wirklichkeit war schon vor hundert jahren eine ganz andere.

"samtiges" gibt es in den neuzeitlichen bordellen schon längst nicht mehr - die hygienevorschriften rufen nach glatten, leicht desinfizierbaren stoffen und oberflächen. falls du weiter mitreden möchtest: in der "weissen villa" (sic!) erst auf "girls" und dann auf "wir girls" klicken - this might help. wenn du die russenmädelz einzeln anklickst, siehst du sie in ihrem "ambiente": da hat sich's längst "ausgeplüscht".

die beiden türsteher sind leider nicht mit im bild. sie heißen örhan und alpaslan und würden dich sicher beeindrucken: die klemmen sich einen gefallenen emeritus wie nix unter den arm und traben mit ihm die treppe runter, ohne ins atmen zu kommen.

ach, @vera-lena - es hilft kein ohrenzuhalten und kein noch so heftiges geflatter: die geräusche der wirklichkeit bringt man damit nicht zum verstummen...

liebe grüße aus münchen

bluefin

p.s.: falls du doch mal nach münchen kommen solltest: die "weisse villa" wird dir verschlossen bleiben. aber es gibt noch das "weiße bräuhaus" im tal - dahin könnte ich dich einladen.
 
B

bluefin

Gast
sorry, @heidrun - ich hab "@vera-lena" geschrieben, aber natürlich dich gemeint!

kannst du mir diese enharmonische verwechslung verzeihen?

ich bitte dich!

zerknirschte grüße aus münchen

bluefin
 
H

Heidrun D.

Gast
@ bluefin

Mich könntest du noch zu einem (wie immer gearteteten) nebenfreudenhäuslichen Besuch überreden, Vera-Lena vermutlich eher nicht. ;)

Bei mir dahoam, in Frankfurt, sind Bordelle fest in das großstädtische Leben integriert. Leider soll dem allseits beliebten Sudfass "nun bald das Rotlicht ausgehen." Dessen Besitzer gilt als großer Kunstfreund, der einige Skulpturen von Niki de St. Phalle gekauft und vor seinen mittelständischen Betrieben aufgestellt hat. Das sieht sehr schön aus *lächel.

Aber noch ist das Sudfass nicht verloren! Für das Frankfurter Museum der Weltkulturen ist das Etablissement als neuer Standort im Gespräch (hihihi). Nur in den Preisvorstellungen liegen die betreffenden Herren Gangel und Engel noch weit auseinander (der Bordellbesitzer heißt übrigens Engel :p))

Geschichten,
die das Leben so schreibt ...
:)
 



 
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